Ist Saechsisch das eigentliche Deutsch?
Ist S;chsisch das eigentliche Deutsch?
22. Februar 2025, 10:00 Uhr
Oft wird S;chsisch als falsches Deutsch wahrgenommen und entsprechend bel;chelt. Dabei sind die s;chsischen Dialekte eine wesentliche Quelle unseres heutigen Standarddeutschs, weil Luther sie zur Bibel;bersetzung nutzte und so die Grundlage daf;r schuf. S;chsisch galt einst sogar als so vorbildlich, dass selbst Goethe in Leipzig die Sprache lernen sollte. Im Interview mit MDR GESCHICHTE erz;hlt der Dialektologe Peter Porsch, warum man das S;chsische bewahren sollte wie Mei;ner Porzellan.
Nicola Ramminger
von Nicol; Ramminger
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Inhalt des Artikels:
Mei;ner Kanzleisprache ist das Deutsch der Bibel
Was ist eigentlich ein Dialekt?
Warum in Sachsen kein Dialekt gesprochen wird
Vom Dialekt zum Regiolekt
Wie klingt "typisches S;chsisch"?
Warum ist S;chsisch so unbeliebt?
Interview mit dem Dialektologen Prof. Dr. Peter Porsch
Johann Wolfgang von Goethe im Portr;t auf einem historischen Druck von 1791.
Goethe bem;hte sich als Student in Leipzig, S;chsisch zu lernen.
Bildrechte: IMAGO / imagebroker
Der s;chsische Dialekt landet regelm;;ig auf der Liste der unbeliebtesten Dialekte ziemlich weit oben. Doch warum eigentlich? Oft wird S;chsisch als falsches oder liederliches Deutsch wahrgenommen. Dabei sind die s;chsischen Dialekte eine wesentliche Quelle unseres heutigen sogenannten Hoch- oder Standarddeutschs. Selbst der junge Johann Wolfgang Goethe ging ins s;chsische Leipzig, weil seine Eltern der Meinung waren, dass man dort das beste Hochdeutsch spreche. Mit dem Satz "Mein Leipzig lob' ich mir! Es ist ein klein Paris und bildet seine Leute" setzte der Dichter-F;rst in seinem Werk Faust I der Stadt ein Denkmal.
Bernd-Lutz Lange und Gunter B;hnke: "Die Stunde der Viren"
13:15
Video
"Schneewittchen" auf S;chsisch
Mei;ner Kanzleisprache ist das Deutsch der Bibel
Die in der Sprachwissenschaft sogenannten ostmitteldeutschen Mundarten haben ihren Ausgangspunkt um 900, als Siedler von jenseits der Elbe in die Gebiete der damalige Markgrafschaft Mei;en kamen. Die Dialekte, die die Siedler aus ihren Herkunftsregionen mitbrachten, haben sich da miteinander vermischt beziehungsweise auch einander angeglichen, denn man war ja gezwungen, sich untereinander zu verst;ndigen. Hochdeutsch meint hier n;mlich auch das sozial h;here Deutsch. Es entstand die sogenannte Mei;ner Kanzleisprache.
Lutherdenkmal in Wittenberg
Martin Luther nutzte die "Mei;ner Kanzleisprache" zur ;bersetzung der Bibel.
Bildrechte: imago/Sch;ning
Martin Luther hat dadurch f;r seine ;bersetzung der Bibel ins Deutsche eine Sprache benutzen k;nnen, die alle verstanden, denn diese Mei;ner Kanzleisprache vereinigte die meisten deutschen Dialekte. Gelobt wurde an dieser Sprache vor allem die buchstabengetreue Aussprache. Luther selbst empfand vor allem die Grammatik dieser Sprache als einen gro;en Vorteil. Aus dem S;chsischen hat sich also durch die Bibel;bersetzung Luthers letztlich unsere heutige Standardsprache entwickelt. Im Umkehrschluss ist S;chsisch der Dialekt, der dem Standarddeutschen am n;chsten ist. Aber der Reihe nach:
Kaiserbild aus dem Evangeliar Ottos III., Buchmalerei der Reichenauer Schule, um 1000.
Geschichte eines Namens
Warum die Sachsen Sachsen hei;en
Was ist eigentlich ein Dialekt?
Das Wort Dialekt stammt urspr;nglich aus dem Griechischen und bedeutet das "Gespr;ch oder Redensweise von Gruppen". Dialekte sind also ;rtlich gepr;gte, sprachliche Abweichungen von der Standardsprache und geh;ren zu den sogenannten Sprachvariet;ten. Dialekte weichen vor allem im Wortschatz und der Aussprache von der Standardsprache ab, haben aber oft auch W;rter und Bezeichnungen, f;r die es in der Standardsprache keine Entsprechung gibt. Als Beispiel k;nnte das erzgebirgische Wort "addeln" gelten. Es bedeutet so viel wie "sinnlose Kleinigkeiten machen" oder "ziellos vor sich hin werkeln". "Geaddel" kann aber je nach Kontext genausogut "sinnloses Gerede" oder "dummes Gequatsche" bedeuten (mehr Beispiele im Erzgebirgischen W;rterbuch).
"Nu gugge ma da!" als Sprechblase auf Tafel geschrieben
"Nun guck mal dort!"
Bildrechte: Colourbox.de/MDR JUMP
Daher sind Dialekte oft reicher und beschreibender und dadurch gleichzeitig sprach;konomischer: Man kann im Dialekt eine Sache h;ufig in einem Wort erkl;ren, w;hrend man in der Standardsprache zuweilen einen ganzen Satz braucht, um die gleiche Sache zu beschreiben. Dialekte haben in der Regel eine begrenzte regionale Verbreitung. Oft sind sie durch Berge, Fl;sse oder andere geographische Gegebenheiten begrenzt und sogar von Dorf zu Dorf unterschiedlich. Andererseits lassen sie sich auf Grund wichtiger Gemeinsamkeiten als Regionaldialekte wie z.B. Ostfr;nkisch, Bairisch, Niederdeutsch zusammenfassen.
Vier Fragezeichen
Quiz
Wie steht es um Ihr S;chsisch?
Warum in Sachsen kein Dialekt gesprochen wird
Da Dialekte eigentlich als geschlossenes Sprachsystem definiert werden, gilt der obers;chsische Dialekt seit 100 bis 150 Jahren als ausgestorben. In Sachsen gibt es heute mehrere Sprachr;ume in folgender Grobeinteilung: Das Mei;nische, Osterl;ndische (rund um Leipzig), Vogtl;ndisch, Erzgebirgisch und Lausitzisch. Diese Verschiedenartigkeit h;ngt mit der bewegten Geschichte der Besiedlung Sachsens zusammen. Die Mundarten, die viele heute als S;chsisch einordnen w;rden, sind regionale F;rbungen des Standarddeutschen, die in der Sprachwissenschaft Regiolekte hei;en.
Ein Mund mit Sprechblase, in der das Wort "Nu!" steht.
Mundart
Die s;chsischen Dialekte im ;berblick
Vom Dialekt zum Regiolekt
Der Unterschied zu einem Dialekt besteht darin, dass ein Regiolekt uneinheitliche dialektale Eigenheiten bez;glich Aussprache, Vokabular und Grammatik zugunsten ;berregionaler oder standardsprachlicher Elemente abgelegt oder zumindest abgemindert hat. Regiolekte haben daher eine gr;;ere Reichweite und fungieren als Br;cke zwischen "echten" Dialekten und der Standardsprache, w;hrend Dialekte lokal wesentlich begrenzter sind und teilweise sehr stark von der Hochsprache abweichen k;nnen.
Als Beispiel m;chte ich auch hier ein erzgebirgisches Wort nennen: "Itze" - jetzt. Das h;rt man heute im Erzgebirge und auch im Vogtland immer seltener; das Wort wurde von einer Mischform abgel;st und daher hei;t es jetzt immer ;fter "jetze", statt "jetzt" wie in der Standardsprache. Vielleicht nehmen Nichtsachsen den s;chsischen Regiolekt genau darum so stark und mitunter sogar als falsch wahr, weil er eben nicht stark von der Standardsprache abweicht und dadurch besonders im direkten Vergleich zum Standard steht.
Carmen Kr;ger schaut l;chelnd in die Kamera.
00:42
Video | 03.01.2021
Erzgebirgische Mundart von Carmen Kr;ger
Weichere Aussprache und verfremdete Konsonanten
Kennzeichnend f;r das S;chsische sind eine Entrundung der Vokale und eine durch eine "weichere Aussprache" Verfremdung der Konsonanten. Dabei muss man den Mund einfach weniger bewegen - weniger "runden", so dass aus "b;se" beispielsweise "beese" wird oder aus der "T;te" eine "Diede". Die Ausspracheregel dazu lautet auf S;chsisch: "De Weeschn besieschn de Hardn." (Die Weichen besiegen die Harten.)
Sprechblasen mit s;chsischer Mundart
"Nu freilisch" steht f;r das Standarddeutsche "Ja, selbstverst;ndlich."
Bildrechte: IMAGO / Steinach
Die typische th;ringisch-obers;chsische Aussprache ergibt eine dunklere und entrundete Aussprache der Vokale und eine Weichheit bei den Konsonanten p, t und k, die f;r das nichts;chsische Ohr zu b, d und g werden, weil die sogenannte Behauchung wegf;llt (wie in der oben genannten "Diede"). Behauchung bedeutet in dem Falle, dass der Laut von einem h;rbaren Hauchger;usch - wie bei der hochdeutschen "T;te" - begleitet wird. Bei den landl;ufig als hart bezeichneten Lauten (p, t, k) ist diese Behauchung im Wort zu h;ren, bei den schwachen (b, d, g) nicht oder kaum, obwohl die jeweiligen Laute im Mund an den gleichen Stellen gebildet werden.
S;chsisch hat au;erdem eine melodische Betonung im Satz. Im Vogtland und um Dresden herum wird sogar so melodisch gesprochen, dass man es auch als singen bezeichnet.
Ilse B;hnert: Wilhelm Tell auf S;chsisch
02:21
Video
Ilse B;hnert: Wilhelm Tell auf S;chsisch nach Lene Voigt
Wie klingt "typisches S;chsisch"?
Abweichungen innerhalb der Mundarten in Sachsen gibt es viele. In der Oberlausitzer Mundart ist zum Beispiel ein gerolltes – oft als "amerikanisch" anmutender R-Laut zu h;ren, den die wenigsten in Sachsen verorten w;rden. Was au;erhalb Sachsens und besonders im ehemaligen Westen als "typisch S;chsisch" wahrgenommen wird, ist das Mei;nerische und damit das Th;ringisch-Obers;chsische.
Im Obers;chsischen erfolgt unter anderem die Entrundung der Umlaute ; und ;. Es wird also "scheen" statt "sch;n", "Gefiehl", statt "Gef;hl"und "Glick" statt "Gl;ck" gesprochen. Doppellaute, sogenannte Diphthonge, werden oftmals in Einzellaute, sogenannte Monophthonge, umgewandelt: Es hei;t also "glaam" oder "gloobn", statt "glauben" oder "Baam" oder "Boom" statt "Baum" und "hee;" statt "hei;". So kommt auch die ber;hmte s;chsische Tasse Kaffee zustande: ; Sch;;lschn Hee;en.
In der Umgangssprache – dem Regiolekt – des Obers;chsischen, worunter auch die Aussprachevarianten der drei gro;en s;chsischen St;dte Leipzig, Dresden und Chemnitz fallen, gleichen sich die regionalen Eigenheiten immer mehr an.
S;chsisch ist wie Mei;ner Porzellan - so was gibt man nicht auf!
Prof. Dr. Peter Porsch, Dialektologe
Warum ist S;chsisch so unbeliebt?
Das Goethedenkmal auf dem Naschmarkt vor der Alten B;rse in Leipzig, Sachsen, Deutschland
Das Goethedenkmal auf dem Leipziger Naschmarkt. Goethe studierte von 1765 bis 1768 in Leipzig, um unter anderem das beste Deutsch zu lernen.
Bildrechte: IMAGO/Peter Schickert
Auch f;r die Sprache gelten Moden, gibt es einen Zeitgeist: Einst galt S;chsisch n;mlich als geradezu vorbildlich. Sie war – wie schon erw;hnt - die Sprache von Martin Luthers Bibel;bersetzung. Ebenso wurde Goethe von seinem Vater zum Studieren nach Leipzig geschickt, um dort neben Jura auch die s;chsische Art zu sprechen zu lernen. "Jede Provinz liebt ihren Dialect: denn er ist doch eigentlich das Element, in welchem die Seele ihren Athem sch;pft", sagte niemand Geringeres als Goethe selbst.
Mit dem Niedergang der s;chsischen Macht nach dem Siebenj;hrigen Krieg (1756 bis 1763) und dem Aufstieg Preu;ens verlor das S;chsische schlie;lich ziemlich an seinem einstigen Prestige. Franz Grillparzer vergleicht 1826 die s;chsische Aussprache gar mit dem "M;h, M;h von Schafen".
Die s;chsischen Sprachgewohnheiten werden nicht f;r sich bewertet, sondern wie eingangs erw;hnt, im Vergleich mit der Standardsprache; die Reduktion – das "Verschlucken" - der Endsilben im S;chsischen werden als schlechte Standardsprache verstanden.
Walter Ulbricht
03:35
Video
Walter Ulbricht : Der Frauentag als Kampftag f;r den Frieden
Die Elite der DDR sprach S;chsisch
Der Linguist und derzeitige Inhaber des Lehrstuhls f;r Germanistische Linguistik an der Universit;t Leipzig, Beat Siebenhaar, erkl;rt die Unbeliebtheit 2011 au;erdem so: "Die Elite der DDR sprach s;chsisch. Allen voran Walter Ulbricht (1893-1973), dessen Ausspruch - "Der Sozialismus wird siechen" - f;r unfreiwillige Erheiterung sorgte. Im "Arbeiter- und Bauern-Staat" bekam das S;chsische wieder den Charakter der Oberschichtsprache, ohne dass es aber zur Prestigevariet;t wurde. Dazu war die vorangehende Stigmatisierung und vermutlich auch die Distanz zur politischen Elite zu gro;."
Walter Ulbricht an einem Rednerpult
00:57
Video
17. Juni 1953: Walter Ulbricht im Leuna-Werk
Negative Bewertung des eigenen Dialekts
Der Dialektologe und Soziolinguist Peter Porsch verweist in seinem Vortrag von 2007 "Zur Situation der Dialektliteratur in Sachsen seit 1990 im Vergleich zu ;sterreich" darauf, dass die Sachsen und ihr S;chsisch einer Bewertung unterl;gen, die f;r sie meist wenig schmeichelhaft sei. Dabei f;hrt er auch aus, dass die allgemeine negative Bewertung der mei;nischen und osterl;ndischen Dialekte von ihren Sprecherinnen und Sprechern weitgehend ;bernommen worden seien. Hier ist offenbar der Kern des ;bels: Eine positive Identifikation mit "der eigenen Sprache, dem eigenen Dialekt" ist so gar nicht mehr m;glich. Porsch f;hrt aus, dass daraus Trotz und Selbstironie geworden sei.
Andernorts ist die positive Bewertung des eigenen Dialekts selbstverst;ndlich – in Bayern und ;sterreich ist ein Fernsehprogramm zum Beispiel ohne Dialekt oder wenigstens Regiolekt gar nicht denkbar, in Sachsen sehr wohl. Klar grenzt Porsch in seinen Ausf;hrungen Erzgebirgisch, das Vogtl;ndische und die lausitzische Mundart von dieser Unbeliebtheit aus. Hier schreibt er den Sprecherinnen und Sprechern ein positives Verh;ltnis zu ihrer Sprache zu. Er verweist u.a. auf Anton G;nther, der im Erzgebirge nach wie vor verehrt wird.
Anton G;nther
Darf man das noch singen?
Deutsch und frei: Heimatlied und "Hymne" des Erzgebirges
Interview mit dem Dialektologen Prof. Dr. Peter Porsch
Peter Porsch
Der Germanist Peter Porsch lehrte von 1990 - 2005 als Professor f;r Dialektologie und Soziolinguistik an der Universit;t Leipzig.
Bildrechte: MDR/Nicol; Ramminger
Prof. Dr. Peter Porsch
Der geb;rtige Wiener, Prof. Dr. Peter Porsch, ist Mitglied der Internationalen Gesellschaft f;r Deutsche Dialektologie. Porsch lehrte u.a. von 1990 bis 2005 an der Universit;t Leipzig als Professor f;r Dialektologie und Soziolinguistik und hat zahlreiche Publikationen zu diesen Themen ver;ffentlicht.
MDR GESCHICHTE: Professor Porsch, Sie sind nicht nur Dialektologe und besch;ftigen sich von Berufs wegen mit dem S;chsischen. Sie leben auch als Nichtsachse die meiste Zeit Ihres Lebens in Sachsen. Warum ist Ihrer Meinung nach das S;chsische so unbeliebt?
Porsch: Das S;chsische ist ein gut verst;ndliches Schriftdeutsch, komisch ausgesprochen. Man denkt: Wie kann man nur so gut Deutsch k;nnen und dann so komisch reden? Au;erdem war zu DDR-Zeiten die Elite s;chsisch, insbesondere Walter Ulbricht. Das hat auch nicht zur Beliebtheit beigetragen.
Warum wird Bairisch oder der Rheinl;nder Dialekt als sch;n empfunden, das S;chsische aber nicht?
Das ist ganz einfach: Weil es nicht verstanden wird, weil diese Dialekte eine ganze Sprache sind. Das S;chsische ist Hoch- oder besser Standarddeutsch, komisch ausgesprochen. Aber jeder versteht die Sachsen und sagt: Wie reden die denn? Trotzdem ist das S;chsische im Fernsehen so gut wie nie untertitelt, weil es jeder versteht.
Ist S;chsisch also das richtigere, das bessere Deutsch?
Da bin ich skeptisch. Es gibt keine "bessere Sprache". Es gibt nur meine Sprache oder die Sprache der anderen. Meine Sprache ist immer die bessere Sprache, weil ich sie gut beherrsche. Aber der Komparativ, der Vergleich ist hier nicht richtig. Man kann Sprachen nicht vergleichen. Und S;chsisch ist auch eine eigene Sprache, die aber alle, die Deutsch beherrschen, gut verstehen und nicht als eigene Sprache wahrgenommen wird.
Seit 2008 zeichnet die Ilse-B;hnert-Stiftung das "S;chsische Wort des Jahres" aus. 2024 ist es die "Hudelei"! Was halten Sie davon?
Von Hudelei halte ich nicht viel, denn die Wiener sagen "nur net hudeln" – das ist f;r mich also kein s;chsisches Wort, sondern nur ein s;chsisch ausgesprochenes. Da sollte man doch typischere W;rter finden.
Ihre Muttersprache ist das Wienerische, aber was ist Ihr s;chsisches Lieblingswort?
"Diggschn" gef;llt mir da zum Beispiel viel besser, wobei man nicht genau wei;, ob es von "dickk;pfig" oder von "t;ckisch" beleidigt kommt. Ich diggsche auch gerne! Grunds;tzlich ist es aber eine gute Idee, diese s;chsischen W;rter zu suchen, um die regionale Identit;t zu st;rken.
Wandelt sich Ihrer Wahrnehmung nach die Ablehnung des S;chsischen?
Letztlich glaube ich das nicht. Die ostmitteldeutschen Sprecher selbst sind zwar stolz auf ihren Dialekt, aber sie wissen insgeheim, dass sie es nicht "d;rfen", weil er in der ;ffentlichen Wahrnehmung nach wie vor bel;chelt wird.
Wird Dialekt im Allgemeinen und das S;chsische im Besondern sozial stigmatisiert?
Nat;rlich, das werden alle Dialekte. Nach der Wende war der unterbrochene unmittelbare Kontakt zu den westdeutschen Sprechern wiederhergestellt. Der Westen stand aber besser da und alles, was aus dem Westen kam, war positiv besetzt, so auch die westlichen Dialekte. Im Osten lebten auch die Verlierer, so wurde auch die Sprache wahrgenommen. Es gab dann aber eine Gegenbewegung der s;chsisch Sprechenden. Heute haben wir diese Stigmatisierung meiner Ansicht nach ;berwunden.
Es hei;t, die Dialekte sterben in Zeiten der Globalisierung aus. Sehen Sie das auch so und w;rden Sie das S;chsische vermissen?
Dialekte verstecken sich hinter Regiolekten. Als ich als Kind das erste Mal aus Wien in Graz war, hat mich der b;uerliche Dialekt, der dort gesprochen wurde, regelrecht erschreckt und ich dachte: wie k;nnen die dort so sprechen, obwohl da doch Stra;enbahnen fahren. Wenn Sie heute nach Graz kommen, spricht man dort "Ost-;sterreichisch", also angen;hertes Hochdeutsch mit Wiener Einschlag. Nur auf dem Bauernmarkt h;rt man noch den alten Dialekt. So ist die Entwicklung. Regiolekte verdr;ngen die Dialekte.
(Erkl;rung Regiolekt: Regiolekte haben eine gr;;ere Reichweite und fungieren als Br;cke zwischen Dialekten und der Standardsprache, w;hrend Dialekte lokal wesentlich begrenzter sind und teilweise sehr stark von der Standardsprache abweichen k;nnen.)
Durch die sprachgeschichtliche Besonderheit, dass das S;chsische durch die politischen Entwicklungen in Europa der aufstrebenden Renaissance die alte Hochsprache ist, aber durch neue, deutlich an norddeutsch-preu;isch orientierten Aussprachegewohnheiten zur;ckgefallen blieb, w;rde ich es vermissen. Das hat keiner der Dialekte, au;er vielleicht das Wienerische, das auch einst als allgemeine Hochsprache (als das "Gemeine Deutsch") galt. Und sowas hebt man auf, wie Mei;ner Porzellan – so was gibt man nicht auf.
Anmerkung: In der Sprachwissenschaft schreibt man bairisch statt bayrisch.
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