Maximilian Woloschin. Demetrius der Kaiser

Demetrius der Kaiser
(1591-1613)

Fuer J.A.Obolenski


Abferstanden und ermordet wieder
Blieb ich zwanzig Jahre echter Zar,
Und verbreiteten sich meine Glieder,
Jedes Glied - ich selber falsch und bieder, -
Wenn auch meine Herrschaft blutig war.
Uglitsch war die Stadt, wo mit den Nuessen
In der Hand ich Blutender verblich
Und mit ihren hoffnungslosen Kuessen
Heulte meine Mutter ueber mich.
Meine Kehle wurde durchgeschnitten;
In dem Grabe lag ich kalt und schlief;
Das Jahrzehnt verging, Landsleute litten:
Ihre Plage war in Moskau tief.
Mit dem Menschenfleisch gefullte Kuchen
Wurden dort verkauft, und aus dem Kot
Mit dem Saegemehl und mit den Fluchen
Backte fleissig man sein taeglich Brot.
Man verfluchte Godunow, den Zaren;
Obdachlos zerstreuten sich die Scharen,
Hungerte und fror das ganze Land;
Und erweckte mich die Volksbeschwerde,
Als ich, Totgequaelter, auferstand
Aus dem Grabe, aus dem Schoss der Erde,


Haemisch pfiff durch Russland wilder Wind,
Ueber Kirchenkuppeln bloss begonnen
In dem Himmel, wo zwei Monde sind
Und dabei halbdutzend falsche Sonnen.
Im Kriegswirbel jagte ich geschwind,
Dann sass ich in Moskau an dem Throne,
Mich mit Monomach’s uralter Krone
Nach den Vaterbraeuchen kroenen liess,
Und begruesst von meinen Untertanen
Trauen liess ich mich mit holder schwanen -
Weisser Schoenheit, die Marina hiess.


Moskau hauchte auf mich ploetzlich boese;
Meine Leiche lag im Volksgetoese
Mit der Narrenpfeife, deren Klang
Niemand hoerte; meinem Leib entlang
Duester schaurige Irrlichter brannten,
Die Schalmeien weinten, Leute rannten,
Und die Horde der Daemonen sang.
Niemals war bis jetzt so eine Schande
In dem heiligen russischen Lande;
Fiel ich, Toter, ins stinkende Loch,
Doch lag dann Derselbe, wieder draussen,
Weil mein Koerper aus dem Grabe kroch.
Und der Fluss floh vor mir mit dem Ekel,
Und die Erde gab mir keinen Deckel;
Wurde ich zerstueckelt und verbrannt,
Als ob man nach mir im Fleische hasche,
Schoss mit meiner armseligen Asche
Die Kanone ueber ganzes Land.


Russland fuehlte doch zu mir Vertrauen.
Ueberall gab es schon mich zuviel,
Und ich ging aus Polen, aus Litauen,
In Putiwl, in Pskow trieb ich mein Spiel.
Zar Wassily wollte mich bezwingen.
Er befahl aus Uglitsch hinzubringen
Meinen kleinen Leichnam, der gebracht
War, damit trotz kriechendem Verdacht
Alle Leute ihn gesehen haben
Als ob dann in Kremlin ich begraben
Laeg’, von meiner Mutter stets bewacht.


Fuer Marina blieb ich doch am Leben;
Sie umarmte mich, als ob wir schweben
Unzertrennlich von der Schlacht zur Schlacht.


Moskau rief mich, ruehmte mich und lockte;
Ich, Gekoepfter, in dem Schnee verstockte,
Sich der Niederlage unbewusst,
Am Oka ermordet von Tataren;
In Kaluga unter ihren Scharen
Lief Marina mit der nackten Brust
Und verbarg mit Fackeln den Verlust,
Fasste sich, nach Moskau luestern strebte,
Ihre Feinde reizte und verdross,
Neue Tote widerum belebte,
Mich Lebendigen trug in dem Schoss;
Wie zwei Moewen wir nach Wolga flogen,
Von den Schlingen waren wir betrogen;
Boeses hatten Schergen uns getan,
Meiner Schwanenfrau mit juengem Schwan.


Endlich wurde edler Stamm vernichtet
Mit dem Ruhm, der mit der Zeit verhallt;
Ich in Moskau wurde hingerichtet,
War dabei ich kaum drei Jahre alt.


Ueber Russland fuenf und zwanzig Jahre
Herrschte ich; so was mir widerfahre:
Kommen soll ich fuer dieselbe Qual
Nach dreihundert Jahren noch einmal.


Deutsch von Wladimir Mikuschewitsch

 


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