Wie die Demokratie ihre Kinder frisst

Wie die Demokratie ihre Kinder frisst
Die Schl;ssel;bergabe

Wie die demokratische Mitte des krisengeplagten Deutschlands dem Faschismus den Weg ebnet.

Demonstration gegen den Auftritt von Alice Weidel am 16. Januar 2025 im Hamburger Rathaus. Stopp durch eine willk;rliche Polizeikette in der M;nckebergstra;e mit Live-;bertragung in der ARD.Mehr Artikel
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Demonstration gegen den Auftritt von Alice Weidel am 16. Januar 2025 im Hamburger Rathaus. Stopp durch eine willk;rliche Polizeikette in der M;nckebergstra;e mit Live-;bertragung in der ARD. Foto: Gerd-HH (PD)

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Datum22. Januar 2025

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Die Leichtigkeit und Reibungslosigkeit, mit der sich die Faschisierung der Bundesrepublik im Wahlkampf 2025 vollzieht, kann regelrecht schwindlig machen. Es geht Schlag auf Schlag, ein Verschnaufen, ein reflektierendes Innehalten sind kaum noch m;glich. Erich K;stner verglich die faschistische Dynamik vor der Macht;bergabe 1933 mit einem Schneeball, der mit der Zeit zu einer Lawine ausartet, die kaum noch aufzuhalten sei. Deutschland ist inzwischen von solch einer braunen Lawine erfasst worden. Die antifaschistischen Grossdemonstrationen des letzten Jahres,[1] die in Reaktion auf verfassungswidrige Deportierungspl;ne im Umfeld der AfD initiiert worden sind, blieben wirkungslos. Ein Verbotsverfahren gegen die AfD ist nicht in Sicht – w;hrend die AfD inzwischen offen die als „Remigration“ bezeichneten Massendeportationen in das Wahlprogramm aufnehmen konnte.[2]

Ein dezidiert faschistisches Regime scheint ab der ;bern;chsten Legislaturperiode 2029 durchaus realistisch, wie es auch die AfD in ihren Strategiepapieren anvisiert. Im Land der T;ter machen sich deren politische Erben daran, wieder die Macht zu „ergreifen“. Dabei ist dies eigentlich gar nicht entscheidend. Denn es sind gerade Kr;fte der demokratischen Mitte, die einen m;helosen, friktionslosen ;bergang in die faschistische Krisenverwaltung erm;glichen. Der Schoss ist fruchtbar noch, aus dem das kroch – doch diesmal scheint es nicht mal Geburtswehen zu geben.

Da sind zum einen die demokratischen Rechtsparteien wie die konservative CDU und die wirtschaftsliberale FDP, die sich l;ngst in einem faschistoiden ;berbietungswettbewerb mit der AfD befinden. Doch l;ngst haben auch die anderen Parteien, wie die SPD, die Gr;nen und die Linkspartei vor der rechten Hegemonie kapituliert und ihre Rhetorik entsprechend angepasst. Die l;cherliche Figur des FDP-Chefs Christian Lindner, der quasi rechtslibert;re Liebesbriefe an Elon Musk schreibt,[3] um dann sich von der AfD aus dem Rampenlicht verdr;ngt zu sehen,[4] ist nur ein Symptom f;r den generellen Trend gerade der neoliberalen Mitte zum Faschismus – der sie letztendlich verschlingt.

Die faschistische Forderung nach massenhaften Deportationen von Menschen mit Migrationshintergrund erweitert die CDU um Forderungen nach dem Entzug der Staatsb;rgerschaft bei straff;llig gewordenen Doppelstaatlern.[5] Die permanenten Versch;rfungen des Internierungsregimes von Fl;chtlingen, die von allen Parteien auf Druck der AfD betrieben werden, sind inzwischen beim Motto „Bett, Brot Seife“ angekommen.[6] Strafm;ndigkeit ab 12 Jahren,[7] Zwangsarbeit f;r Arbeitslose, die in Schwerin schon gemeinsam von CDU und AfD eingef;hrt wurde,[8] ;ffentliche Vorst;sse, die SS zu rehabilitieren,[9] etc., pp. – es gibt keine Skandale mehr, wenn zivilisatorische Tabus allt;glich gebrochen werden, nachdem die deutsche Gesellschaft voll von der faschistischen Lawine erfasst wurde.

Ihren ideologischen Endsieg konnte die AfD schon nach dem islamistischen Anschlag von Solingen im Herbst 2024 erringen,[10] als Bundespr;sident Steinmeier nicht etwa den Extremismus, sondern den Fl;chtling zum Staatsfeind Nummer 1 erkl;rte. Dabei folgte der oberste Gr;ssaugust der Bundesrepublik schlicht faschistischer Logik, der Personifizierung von Krisenursachen – und dies in einem Jahr, in dem rechtsextreme Straftaten einen neuen historischen H;chststand erreichten, der weit ;ber dem Stand islamistischer Straftaten lag (Ganz abgesehen davon, dass es sich beim Islamismus nur um die dem islamischen Kulturkreis eigener Form faschistischer Krisenideologie handelt,[11] die anhand ;hnlicher Mechanismen – Extremismus der Mitte, Identit;tswahn, Krisenkonkurrenz – in Krisenzeiten getriggert wird). Die Parole „Fl;chtlinge Raus!“ ist nun deutsche Staatsdoktrin.

Das alles hat seine b;se binnenkapitalistische Krisenlogik. Der globale Krisenprozess l;sst die kapitalistische Verwertungsmaschine auch in den Zentren, auch in der BRD, zunehmend ins Stottern geraten – und innerhalb derer Funktionseliten wird faktisch eine nahezu reibungslose Schl;ssel;bergabe organisiert, in bei der letztendlich der Modus der Krisenverwaltung ver;ndert wird. Der aufgesch;umte Faschismus als terroristische Krisenform kapitalistischer Herrschaft wird diesmal von einer opportunistischen Transformation des gesamten politischen Systems begleitet, das sich an diesen vermittels Autoritarismus, Ressentimentproduktion und Populismus anzupassen bem;ht. Die faschistische „Schl;ssel;bergabe“, um mal im Bild zu bleiben, findet auch innerhalb der demokratischen Parteien statt.
Wie die Demokratie ihre Kinder frisst
Es schockt gerade das liberale B;rgertum und die demokratiegl;ubigen Verfassungspatrioten, dass der ;bergang von der Demokratischen zur autorit;r-faschistischen Krisenverwaltung so nahtlos verl;uft. Dies gilt ja nicht nur f;r die BRD, sondern vor allem f;r die USA. Der Krisentheoretiker Robert Kurz hat diese Entwicklung schon zur Jahrtausendwende in seinem Essay Die Demokratie frisst ihre Kinder. Bemerkungen zum neuen Rechtsradikalismus[12] korrekt prognostiziert. Die kapitalistische Demokratie beruht auf allgemeiner Marktkonkurrenz, durch die letztendlich der fetischistische Prozess uferloser Kapitalverwertung perfektioniert wird. Der ganze demokratische Diskurs, der „Wettstreit demokratischer Parteien“ kreist ja haupts;chlich um die Wirtschaft, also um die Optimierung der Kapitalverwertung. Die absurde, orwellsche Konstitution kapitalistischer Demokratie beruht gerade darauf, dass hier die Insassen der kapitalistischen Tretm;hle ihre Ausbeutung und Unterwerfung unter die Pr;missen des Verwertungsprozesses des Kapitals in Eigenregie perfektionieren.

Sobald aber das System aufgrund der sich zuspitzenden inneren und ;usseren Widerspr;che des Verwertungsprozesses ins Stottern ger;t, sobald die materiellen Gratifikationen ihrer Unterwerfung f;r substanzielle Teile der Mittelschichten wegfallen, setzen quasi naturw;chsig – aus der inneren Logik des demokratischen Diskurses heraus – entsprechende Bem;hungen ein, die Verwertungslogik ins barbarische Extrem zu treiben. Verst;rkte Unterwerfung unter die sich krisenbedingt zuspitzenden Sachzw;nge des Kapitals geht dann mit der Exklusion, und letztendlich Ausl;schung von Konkurrenten oder ;konomisch ;berfl;ssiger Bev;lkerungsschichten einher – die ja zur Personifizierungen des Krisenprozesses ideologisiert werden.

Dabei geraten zwei Bev;lkerungsgruppen ins Fadenkreuz dieser permanenten rechten Hetzkampagnen: Neben Fl;chtlingen und Menschen mit Migrationshintergrund sind es vor allem Arbeitslose und marginalisierte Bev;lkerungsschichten, die abermals – wie schon zu Beginn des 21. Jahrhunderts bei der Durchsetzung der ber;chtigten Hartz-IV-Arbeitsgesetze[13] – zu Feindbildern aufgebaut werden. Die Versch;rfungen und die zunehmenden Repressionen, die an Fl;chtlingen vor allem bei der Hetzkampagne Ende 2023 einge;bt worden sind[14] – sie sollen nun auch gegen marginalisierte „Einheimische“ zur Anwendung gelangen. Potentiell werden aber alle ;konomisch „;berfl;ssigen“ Gruppen ins Fadenkreuz geraten.

Die abermalige Dynamisierung des Faschismus in der Bundesrepublik, die inzwischen fast schon fliessenden Grenzen zwischen der Mitte und den „Extremisten“,[15] sie k;nnen somit nur in Zusammenhang mit dem j;ngsten Krisenschub in der Bundesrepublik verstanden werden – Faschismus ist vor allem eine Krisenideologie. Deutschland befindet sich in einer Wirtschaftskrise, die gerade durch dessen exportfixiertes Wirtschaftsmodell verst;rkt wird.[16] Der durch die Pandemie getriggerte Krisenschub ersch;tterte die Globalisierung, auf der Deutschlands Exportweltmeisterschaften beruhten.

Die ab 2020 aufkommende, hartn;ckige Inflation f;hrte dazu, dass die Notenbanken ihre expansive Geldpolitik beenden mussten, die jahrzehntelang Grundlage der neoliberalen Finanzblasenkonjunktur und der korrespondierenden globalen Defizitkreisl;ufe war. Das Weltsystem trat in die Krisen;ra der Stagflation ein.[17] Mit den Versorgungsengp;ssen und der ;berlastung der globalisierten Produktionsketten konnten sich w;hrend der Pandemie endg;ltig Tendenzen zum Protektionismus und zur Deglobalisierung durchsetzen – mit den USA als deren Zentrum, die verst;rkt auf vertikale Integration,[18] Nearshoring[19] und Reindustrialisierung setzten. Der Ukraine-Kreig fungierte als ein weiterer disruptiver Schock des Globalisierungsprozesses.[20]
Deutsche Ideologie in der Krise
Dem deutschen Wirtschaftsmodell, das seit der Einf;hrung des Euro und der Durchsetzung von Hartz IV auf die Erzielung von Export;bersch;ssen abzielte – also auf den Export von Verschuldung, Arbeitslosigkeit und Deindustrialisierung – ging somit die Luft aus. Die Krise der Globalisierung, an die sich die Deutschland AG anpasste, bildet den eigentlichen Hintergrund der sich beschleunigenden Wirtschaftskrise in der Bundesrepublik. Mit der Exportindustrie geraten aber auch diejenigen Kr;fte innerhalb der deutschen Funktionseliten weiter in die Defensive, die dem Erstarken der extremen Rechten aus eigenem wirtschaftlichen Interesse opponierten.[21] Besonders verheerend ist in diesem Zusammenhang auch der Wahlsieg Trumps, da hierdurch der ;ussere Druck zur Bek;mpfung faschistischer Tendenzen in der Bundesrepublik weitgehend wegf;llt.

Bislang befand sich die Ideologie der AfD in Konflikt mit den Interessen der Exportwirtschaft, die immer auch auf ein gutes internationales Ansehen der Marke Made in Germany achten musste – das etwa 2018 von den mit Crystal Meth vollgepumpten Naziorks in Chemnitz bei ihren pogromartigen Ausschreitungen gegen Migranten besch;digt wurde.[22] Damit ist seit der Krise der deutschen Exportwirtschaft und der anhaltenden Wirtschaftsmisere weitgehend Schluss: wurde im Neoliberalismus der Segen offener M;rkte gepredigt, so ;berbieten sich derzeit alle relevanten Akteure mit Forderungen nach Grenzschliessungen, nach Abschottung und Zuzugsbegrenzung, nachdem die langj;hrige Exportkonjunktur eingebrochen ist.

Es liegt auf der Hand, dass hier – bei dem Drang zur Abkapselung, Volkst;melei, Nationalisierung, etc. – einfach nur die ideologische Widerspiegelung des Umbruchs in der globalen Krisenentfaltung stattfindet,[23] die dem deutschen Vorfaschismus Auftrieb verschafft. Aus der Distanz betrachtet, wirkt das Ganze geradezu l;cherlich. Jahrelang profitierte Deutschland aufgrund enormer Handels;bersch;sse von der Globalisierung im Rahmen seiner Beggar-thy-Neighbor-Politik mit dem Export von Schulden und Arbeitslosigkeit.[24] Die Widerspr;che der Krise des Kapitals wurden schlicht exportiert, w;hrend die deutsche ;konomenzunft sich ;ber die Schuldenberge im Ausland emp;rte, die eben die deutschen Handels;bersch;sse zwangsl;ufig hervorbringen. Nun, da diese Export;bersch;sse und die globalen Handelsungleichgewichte den entsprechenden protektionistischen Fallout mit sich gebracht haben, kehrt die Krise auch zum ehemaligen Export;berschussweltmeister zur;ck – und ein Gef;hl des Betrogenwerdens macht sich in den krisenignoranten Mittelschichten breit, dessen Ursachen wiederum ausserhalb der deutschen Leistungs- und inzwischen auch wieder Volksgemeinschaft verortet werden.

Deutschland hat gelitten, den G;rtel enger geschnallt, sich grossgehungert, um sich perfekt an das Rattenrennen in der neoliberalen Globalisierung anzupassen – und nun wird es besonders stark unter der grossen Kehrtwende zur Deglobalisierung leiden. Der rechte Hass auf ideologische Personifizierungen der rasch zunehmenden Krisendynamik, den dieser Paradigmenwechsel ausl;st, fokussiert sich in bew;hrter Tradition auf Fl;chtlinge, Menschen mit Migrationshintergrund, Arbeitslose und sozial Schwache. Im Rahmen des faschistischen Extremismus der Mitte, der in Krisenzeiten aufsch;umt, kommt nun die sozialdarwinistische, nationalistische und mitunter schon wieder schlicht rassistische Krisenkonkurrenz zur weitgehenden ;bereinstimmung mit der sp;tkapitalistischen Krisenrealit;t. W;hrend der ganze liberale Diskurs, wonach Deutschland viele Einwanderer brauche, aus dem ;ffentlichen Raum mit dem Voranschreiten der Wirtschaftskrise zunehmend verschwindet.

Nahezu alle Kr;fte des politischen Spektrums der BRD sind inzwischen auf die Linie der AfD eingeschwenkt, um in der Migration, in den Fl;chtlingen ein Grund;bel der maroden Deutschland AG zu halluzinieren – wodurch ja praktischerweise die kapitalistische Systemkrise, wie auch die Rolle der Bundesrepublik bei deren Entfaltung ignoriert werden kann. Dies gilt auch f;r die Gr;nen, deren Kanzlerkandidat offen arbeitslose Fl;chtlinge abschieben will.[25] Und dies gilt auch f;r die sogenannte Linkspartei, die den Populismus Wagenknechts – der die blosse ideologische Begleitmusik zur Ausformung der Querfront bildete – in allem opportunistischen Ernst in Gestalt sozialer Demagogie zu kopieren versucht.[26] In der Fl;chtlingsfrage scheint die Uniformit;t innerhalb des gesamten politischen Spektrums einen regelrecht totalit;ren Beigeschmack zu erlangen. Da ist kaum noch etwas, was den Weg der AfD zur Macht aufhalten k;nnte, nachdem die zivilisatorische Wirkung grosser Handels;bersch;sse auf die deutsche Innenpolitik zunehmend schwindet.

Doch wird auch die Hetze gegen das zweite grosse Feindbild nach Ausbruch der Wirtschaftskrise – gegen den Arbeitslosen – nicht mehr zur Ausbildung einer tragf;higen Wirtschaftspolitik beitragen k;nnen: Die zwischenzeitliche, halbherzige Abschaffung von Zwangsarbeit in der Bundesrepublik, die von der sogenannten Ampelkoalition aus SPD, Gr;nen und FDP umgesetzt wurde, soll auf Druck der Rechten wieder abgeschafft werden. Faktisch werden 2025 wieder die Hartz-IV-Arbeitsgesetze eingef;hrt werden, wenn es nach der CDU, SPD, FDP, AfD oder dem BSW ginge.
Der Untertan in der Krise
Der Krisenreflex, der von der Rechten in etlichen Hetzkampagnen gegen sozial Marginalisierte bef;rdert wird – von der FDP, ;ber die CDU bis hin zur AfD – besteht in einer Wiederbelebung der sadistischen Methoden der Disziplinierung und Absenkung der Kosten der Ware Arbeitskraft, wie sie zu Beginn des 21. Jahrhunderts im Rahmen des Hartz-IV-Programms und der Agenda 2010 durchgesetzt worden sind.[27] Die Faschisierung der Bundesrepublik kehrt faktisch auf einer h;heren Stufenleiter an ihren Ursprungsort zur;ck, denn die deutsche Rechte sp;rt instinktiv, dass dieses Unterwerfungsprogramm am Anfang ihres politischen Aufstiegs stand. Und es ist tats;chlich ein autorit;rer Reflex, der angesichts der Wirtschaftskrise in breiten Bev;lkerungsschichten hochkommt, wie vor rund einem Vierteljahrhundert.

Der Sozialpsychologe Oliver Decker hat diese ;konomisierung autorit;rer und rechter Ideologien, die von der Agenda 2010 befeuert wurde, schon 2010 folgendermassen auf den Punkt gebracht:[28]

„Die st;ndige Orientierung auf wirtschaftliche Ziele – pr;ziser: die Forderung nach Unterwerfung unter ihre Pr;missen – verst;rkt einen autorit;ren Kreislauf. Sie f;hrt zu einer Identifikation mit der ;konomie, wobei die Verzichtsforderungen zu ihren Gunsten in jene autorit;re Aggression m;nden, die sich gegen Schw;chere Bahn bricht.“

Je st;rker der Druck auf dem autorit;r fixierten Lohnabh;ngigen lastet, desto gr;sser sein Bed;rfnis, schw;chere Menschen genauso ausgepresst und ausgebeutet zu sehen, wie er es selbst wird. Dieser „autorit;re Kreislauf“ bildet auch den Morast, der in Wechselwirkung mit den Krisensch;ben des 21. Jahrhunderts dem deutschen Faschismus den Weg bahnt. Der kausale Zusammenhang zwischen Verelendung und Entrechtung der Arbeitslosen und der Versch;rfung der eigenen Arbeitsbedingungen wird hierbei ausgeblendet und weicht irrationalen Reflexen von Hass und Sadismus, die den Boden f;r neofaschistische Krisenideologien bereiten.

Die neoliberale „Verzichtspolitik“ zu Beginn des 21. Jahrhunderts – die Unterwerfung unter die Pr;missen des Verwertungsprozesses – f;rderte somit die autorit;re Aggression gegen die Krisenopfer, auf der rechtspopulistische wie rechtsextremistische Ideologien gleichermassen beruhen. Die neoliberale Unterwerfungsideologie, die oftmals einen hohlen Freiheitsbegriff instrumentalisierte, bildete die Brutst;tte rechter Krisenideologien. Die Begriffe des Extremismus der Mitte und der konformistischen Rebellion sind folglich unabdingbar, um den Erfolg der Neuen Rechten und des Neo-Nationalismus als die Erben des Neoliberalismus zu verstehen. Genau hierhin will die Rechte angesichts der sich zuspitzenden Krise 2025 wieder zur;ck. Und dieses Unterwerfungsprogramm l;sst man sich auch etwas kosten – die bereits Ende 2024 beschlossenen Versch;rfungen des „B;rgergeldes“ f;hren nicht etwa zu Einsparungen, sondern zu Mehrkosten in dreistelliger Millionenh;he.[29] Das Gerede vom massenhaften Missbrauch durch Arbeitslose ist eben nur eine ideologische Chim;re.

Der Kapitalismus als ein durch den Fetischismus des Kapitals[30] belebter Todeskult, als eine das Menschenopfer einfordernde s;kulare Religion[31] kommt hierbei voll zu sich selbst. Durch Leiden, durch die Aufopferung – vorzugsweise der schw;chsten, schutzlosen Gesellschaftsmitglieder – soll Deutschland wieder die Gunst des Kapitals in seiner widerspruchsgetriebenen Eigendynamik als automatisches Subjekt erlangen, das bei seinem uferlosen Verwertungszwang die Menschheit und Welt sozial und ;kologisch verheert. Zwangsarbeit, Hungertod, Abschaffung bezahlten Krankheitsurlaubs, Arbeitslager, Absenkung von Lohnkosten – das ganze alte Programm, dasselbe Gerede, das bei der Durchsetzung von Hartz-IV auf Hetze gegen die faulen Arbeitslosen setzte, ist wieder zu h;ren.

Und es sind ja nicht nur die Rechtsparteien, auch hier haben wir es mit einer nahezu totalit;ren Uniformit;t zu tun. Wieder hat das Ganze einen Zug ins L;cherliche, etwa wenn SPD-Politiker mit haargenau denselben Phrasen gegen Arbeitslose hetzen, wie es schon ihrer Vorg;nger zu Beginn dieses Jahrtausends taten. „Es gibt kein Recht auf Faulheit“, diese Hetzphrase, die der damalige Bundeskanzler Gerhard Schr;der absonderte,[32] wiederholte im Herbst 2024 auch der SPD-Chef Lars Klingbeil.[33] Selbstverst;ndlich kann sich die SPD auch vorstellen, die Totalk;rzung von B;rgergeld und die Wiedereinf;hrung von Zwangsarbeit mitzutragen, wie sie von der CDU gefordert wird.
Neue deutsche Dysfunktionalit;t
Das binnenkapitalistische Problem bei dieser reflexartigen Zuflucht zum Arbeitssadismus besteht nur darin, dass dieser – rein ;konomisch betrachtet – inzwischen dysfunktional ist. Hartz IV und Agenda 2010 waren deswegen erfolgreich, weil sie den Preis der Ware Arbeitskraft in Deutschland in der Aufstiegsphase der Globalisierung im Schnitt absenkten, wodurch die Lohnst;ckkosten in der Bundesrepublik abgesenkt werden konnten. In der ;ra der Globalisierung erm;glichte dies die regelrechte Explosion der deutschen Handels;berschr;sse zu Beginn des 21. Jahrhunderts – gerade mit der Euroeinf;hrung. Doch ist dieser Krisenausweg, bei dem Volkswirtschaften Zuflucht in einer Beggar-thy-Neighbor-Politik suchen, angesichts des zunehmenden Protektionismus und der Deglobalisierung der Deutschland AG verstellt.

Diese Massnahmen werden nur die soziale Krise weiter versch;rfen, ohne dass dies zu einer etwaigen „Rendite“ in Form einer Exportkonjunktur f;hren kann. Weder die aussereurop;ischen Absatzm;rkte, noch die durch Deutschlands obersten Sparsadisten Wolfgang Sch;uble leidgepr;ften L;nder der Eurozone werden solche extremen deutschen Handels;bersch;sse nochmals zulassen. Was dieser sadistische Wiederholungszwang des Hartz-IV-Systems aber sicher bewirken wird, ist die endg;ltige Etablierung von Zwangsarbeit in der BRD – womit ein weiteres Merkmal faschistischer Krisenverwaltung in der manifesten Systemkrise Einzug halten d;rfte.

Wie schon mehrmals ausgef;hrt, gewinnt diese zur Lawine sich steigernde faschistische Dynamik ihre scheinbare Zwangsl;ufigkeit aus der Tatsache, dass sie ganz nat;rlich aus der herrschenden sp;tneoliberalen Ideologie[34] und der sp;tkapitalistischen Nationalidentit;t[35] erw;chst. Bei Ignorierung der irreversiblen sozialen und ;kologischen Krise, an der das Kapital scheitern muss, da es deren Ursache ist, wirkt die Ideologie und Praxis des deutschen Vorfaschismus nahezu zwangsl;ufig, sie scheint auch den Interessen der Lohnabh;ngigen Rechnung zu tragen, die darauf hoffen k;nnen, dass es die anderen trifft – die als „asozial“ beschimpften Marginalisierten, die Ausl;nder, die Fl;chtlinge, die Minderheiten, die Alten, die Arbeitsunf;higen, die Schwulen, die Transsexuellen etc., pp.

Die monstr;sen, schlicht selbstm;rderischen L;gen, auf denen dieser faschistische Extremismus der Mitte aufbaut, werden erst bei radikaler Reflexion des Krisenprozesses sichtbar – die immer mit einem Ausbruch aus dem ideologischen und identit;ren Gedankengef;ngnis des Sp;tkapitalismus einhergehen muss. Deportationen, Repression, Grenzschliessungen und autorit;re Staatsformierung werden die Krise des Kapitals weder in ihrer ;konomischen noch ;kologischen Dimension[36] ;berwinden. Die Krise kommt nicht von ausserhalb, sie ist hausgemacht. Das globale Produktivit;tsniveau, die Klimakrise – sie lassen sich nicht an den Grenzen aussperren oder deportieren.

Selbst das dem europ;ischen und amerikanischen Abschottungswahn zugrunde liegende Kalk;l, wonach in der Klimakrise zuerst der globale S;den unbewohnbar wird, und man sich folglich im Norden dagegen schon jetzt abkapseln m;sse, ist angesichts der vielen Unbekannten der kommenden Klimakatastrophe illusorisch. Ein Zusammenbruch des Golfstroms, der sich binnen weniger Jahre vollziehen kann, w;rde gerade Europa und Nordostamerika besonders stark treffen – also gerade die Regionen, in der die Rechte ihren potenziellen massenm;rderischen Abschottungswahn besonders erfolgreich popularisieren konnte.[37]

Wenn es noch eine Linke g;be, die ihrem Begriff gem;ss als progressive Kraft agierte, w;rde sie gerade diese einfache, offen zutage liegende Wahrheit offensiv thematisieren und zur Grundlage einer emanzipatorischen Transformationspraxis machen: Eine Hoffnung auf die Aufrechterhaltung des Zivilisationsprozesses kann nur bei ;berwindung des in Agonie sich befindlichen Kapitals aufrechterhalten werden.[38] Das ist der archimedische Punkt, der eine erfolgreiche, auf der Krisenrealit;t aufbauende antifaschistische Mobilisierung erm;glichen w;rde. Nur hierdurch k;nnte der faschistische Todeskult erfolgreich bek;mpft werden. Das einzige Interesse, das rational in der sp;tkapitalistischen Dauerkrise formuliert werden kann, ist das Interesse nach einer rasch initiierten Systemtransformation.
Tomasz Konicz

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ГАЛЛЯМОВ: "Этот сценарий впереди". О Ротенбергах, Ковальчуках, Ходорковском, Трампе, Китае,КОГДА ВСЁ

I Gryanul Grem
 
Jan 22, 2025
Политолог Аббас ГАЛЛЯМОВ в Грэме.
00:00 на связи Аббас Галлямов
00:05 Какое впечатление произвела инаугурация с точки зрения политолога?
02:30 Про жест Илона Маска
05:08 Путин/Медведев и Трамп/Маск — есть сходство?
06:06 О заявлениях по Гренландии, Канаде и тд
12:57 О звонке Путина Трампу
14:29 Трамп и Путин могут договориться?
18:50 Путин сейчас сидит с выкрученными руками?
22:10 Сейчас окружение Путина усиливает на него свое влияние?
25:43 Удар по русскому алюминию будет чувствительным?
27:08 Вопрос: Почему Ходорковского пригласили на инаугурацию?
28:28 А есть другие переговорщики, которые «не на виду»?
32:37 Как контактируют с Путиным Ковальчуки, Ротенберг и тд?
33:35 С какой скоростью Путин может принимать решения?
34:00 Что есть Китай для России?
37:42 Для Китая Россия — что за инструмент?
39:01 Вопрос: Что после инаугурации, какие сценарии?
40:48 Есть шансы что в этом году горячая фаза войны закончиться?


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