Antifa bleibt Handarbeit
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Widerstand gegen rechts
Es kann nicht genug Antifa geben
Von Margarete Stokowski
Heute tolerieren Leute einen Hitlergru; als Kollateralschaden ausufernder Trauer. Dabei gilt doch: Wenn Rechtsextreme marschieren, muss der Widerstand so stark sein, dass sie nicht vorankommen.
04.09.2018, 13.50 Uhr
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Zuschauer beim #wirsindmehr-Konzert in Chemnitz
Zuschauer beim #wirsindmehr-Konzert in Chemnitz Foto: Sebastian Willnow/ dpa
Dieser Beitrag stammt aus dem SPIEGEL-Archiv. Warum ist das wichtig?
Auf den Tag genau 79 Jahre, nachdem das Deutsche Reich Polen angriff und damit den Zweiten Weltkrieg begann, erschien ein Text des "Welt am Sonntag"-Chefredakteurs Peter Huth , der davon handelte, dass "wir" keine Antifa brauchen. Interessant. Zum Thema Antifaschismus f;llt Herrn Huth an diesem denkw;rdigen Datum nur ein, dass in den Neunzigerjahren mal ein Skinhead blutig gepr;gelt wurde. Der "WamS"-Chef versucht, aufbauend auf dieser Erinnerung, die Ereignisse in Chemnitz zu analysieren und stellt fest: "Der Konflikt 'Antifa' gegen 'Nazis' vergiftet den Osten."
Nun ist es bei der Antifa so, dass niemand sie br;uchte, wenn es keine Nazis mehr g;be. "Antifa" ist ein Sammelbegriff f;r sehr unterschiedliche Gruppen von Leuten, die sich gegen Rassismus, v;lkischen Nationalismus und Antisemitismus engagieren und gegen die Verharmlosung von faschistischen Verbrechen.
Wer die Antifa mit einigen wenigen Schl;gern gleichsetzt und als "Staatsfeind" bezeichnet, macht es sich nicht nur sehr einfach, sondern macht es vor allem falsch. Die Antifa leistet in Deutschland einen ganzen Haufen Bildungs-, Informations- und Mobilisierungsarbeit, die dazu beitr;gt, dass es in diesem Land nicht noch d;sterer wird, und wer all das ausblendet, hat entweder sch;big recherchiert oder will es nicht besser wissen.
Als seri;ser Journalist wei; Huth nat;rlich, dass man differenzieren muss, aber das macht er dann - die Zeilen m;ssen ihm knapp geworden sein - nur auf einer Seite: "Und, nein, lange nicht alle auf den Demonstrationen nach der t;dlichen Messerattacke auf einen Chemnitzer waren 'Neonazis'." Nein, klar. Manche waren vielleicht auch irgendeine andere Sorte von Rassisten. Faschisten, Reichsb;rger, Identit;re, wer wei;. Offensichtlich waren sie radikal genug, neben Neonazis herzumarschieren.
Vieles k;nnte dieser Tage simpel sein
Wir befinden uns in einer Zeit, in der Leute einen Hitlergru; als Kollateralschaden ausufernder Trauerarbeit tolerieren. Die "taz" berichtet von einer Diskussion mit B;rgerinnen und B;rgern in Chemnitz , die vom s;chsischen Ministerpr;sidenten Michael Kretschmer gefragt wurden: "Sind wir uns dar;ber einig, dass der Hitlergru; nicht okay ist?" Sie waren sich offenbar nur so mittelm;;ig einig, obwohl die Frage ziemlich simpel war.
Vieles k;nnte dieser Tage ziemlich simpel sein. Wenn Rechtsextreme durch die Stadt marschieren, muss der Widerstand gegen sie so stark sein, dass sie nicht vorankommen. "Wenn Sie mich fragen, dann sind die Naziaufm;rsche im Osten kein Problem, das man nicht mit zwei, drei Wasserwerfern in den Griff bekommen k;nnte", schrieb mein Kollege Jan Fleischhauer hier neulich. Ich glaube nicht, dass das reichen w;rde, aber es w;re ein Anfang.
Widerstand gegen Rechtsradikale muss radikal sein, es geht nicht anders. Radikal hei;t in diesem Fall: breit aufgestellt, unnachgiebig, keine Menschenfeindlichkeit duldend. Die Nachrichten aus Chemnitz zeigen, dass Nazis in diesem Land zu wenig Angst haben. Und nicht nur die aus Chemnitz: Die AfD-Besuchergruppe aus dem Wahlkreis von Alice Weidel hatte nicht einmal gen;gend Ehre im Leib, in einer KZ-Gedenkst;tte das Maul zu halten .
Und mitten in diese Zeit twittert der Berliner FDP-Politiker Sebastian Czaja: "Antifaschisten sind auch Faschisten." Gegen Rechte m;sse man "laut sein, aber niemals radikal", schrieb er, und bezog sich dabei auf einen Tweet der Berliner Staatssekret;rin Sawsan Chebli , die geschrieben hatte: "Rechte werden immer st;rker, immer lauter, aggressiver, immer radikaler, immer selbstbewusster, sie werden immer mehr. Wir sind mehr (noch), aber zu still, zu bequem, zu gespalten, zu unorganisiert, zu zaghaft. Wir sind zu wenig radikal." Wenn Sie mich fragen, liegt sie damit komplett richtig. Sie l;schte den Tweet dann leider, und erkl;rte, sie wolle das Wort "radikal" nicht mehr verwenden, "weil es als gewaltt;tig verstanden werden k;nnte".
Um die Wortwahl geht es nicht
Es stimmt, dass es so verstanden werden kann. Sobald man sich in der ;ffentlichkeit positiv auf die Begriffe "Antifa" oder "radikal" bezieht, gibt es Leute, die das als Aufruf zu Gewalt verstehen. Aber genau das ist Teil des Problems.
Als im letzten Herbst klar wurde, dass die AfD in den Bundestag einziehen w;rde, schrieb ich eine Kolumne mit dem Titel "Antifaschismus muss Alltag werden". Ich rief darin nicht zu Gewalt auf. Ich zitierte die alte Antifa-Bauernregel "Antifa bleibt Handarbeit" und schrieb, das bedeute, "denen nachhaltig auf die Nerven zu gehen, die versuchen, sich als Konservative zu verkleiden, aber in Wirklichkeit f;r Rassismus, Nationalismus und v;lkisches Denken stehen".
Hier eine kleine Auswahl aus den Reaktionen.
Albert S. schrieb mir: "Besorgen Sie sich beizeiten Personenschutz, f;r den geistigen D;nnschiss, den Sie von sich geben!!!"
Ralf G.: "Was stimmt bei dir polnischen Hure nicht, du elendig rot versiffte Fotze ;berlegen Sie, dass Sie zur Gewalt aufrufen, Sie als Dreckspolin haben in Deutschland nichts zu melden, du Hure bist auch nur hier, weil Du Luxus magst, versifftes Dreckst;ck!!"
Roland P.: "Nimmst dir mal ein paar deiner Freunde mit, dann zeig ich euch mal, was Handarbeit ist, wenn ihr euch wieder zusammenr;umen k;nnt."
Marcus S.: "Was f;r eine armselige kleine und miese Person Du doch bist! Verlasse dieses Land und nimm Deine ganzen Antifa-Pisser gleich mit! Du mieses St;ck Mensch!"
Nazis warten einen gro;en Teil der Zeit darauf, Vorw;nde zu finden, um behaupten zu k;nnen, Linke h;tten sie bedroht. Die Antwort darauf kann aber nicht sein, sich ihnen weniger radikal entgegenzustellen. Im Gegenteil.
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"Aber muss man denn gleich 'radikal' werden? T;te es nicht auch ein 'konsequent'?", hie; es neulich in einem Kommentar auf Meedia.de . Nat;rlich t;te es das. Oder "beharrlich" oder "ausdauernd" oder was auch immer. Um die Wortwahl geht es nicht, sondern um die Verdrehung von Tatsachen, wenn Leute den Widerstand gegen Faschismus als "genau so schlimm" darstellen wie den Faschismus selbst.
Wer wie FDP-Mann Czaja behauptet, Antifaschisten seien in Wirklichkeit auch Faschisten, unterst;tzt die Nazi-Rhetorik, die ;berall Bedrohungen sucht, auch wenn er eigentlich etwas ganz anderes sagen will (dass das Gewaltmonopol beim Staat liegt, in Czajas Fall).
Es gibt dasselbe Ph;nomen bei Feministinnen, die sich gegen Sexismus wehren und die als die eigentlichen Sexistinnen beschimpft werden, bei People of Color, die als "rassistisch" gegen;ber Ostdeutschen dargestellt werden, weil sie sich nicht in ostdeutsche St;dte trauen, oder bei Leuten, die Hate Speech ;ffentlich machen und dann als die eigentlichen Brandstifter gelten.
Es ist ein - schlechter - rhetorischer Trick, diesen Gruppen Widerstand zu verunm;glichen, indem man ihnen als einzige Art, sich zu wehren, ein sanftes L;cheln und ein paar warme Worte zugesteht.
Es stimmt, dass Antifaschisten und Antifaschistinnen manchmal gewaltt;tig werden. Es stimmt total. Sie mussten es zum Beispiel in den Vierzigerjahren werden, um das faschistische Deutschland zu besiegen, weil h;fliche Ansprachen manchmal nicht ausreichen.
W;rden die Leute im Falle der Antifa so viel Wert auf Differenzierung legen, wie sie es momentan im Fall von Nazis tun, die sie als "rechtskonservativ" oder "fremdenfeindlich" bezeichnen , dann h;tten wir eine ganz andere Diskussion. Eine bessere.
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Sag, wie h;ltst Du's mit der Antifa?
Von Minh Schredle| Datum: 21.02.2024
Auf einigen Demos gegen rechts war "die Antifa" zuletzt unerw;nscht. Der Historiker Richard Rohrmoser wirbt f;r einen differenzierten Blick auf eine ambivalente Bewegung – und erinnert daran, dass die Einheitsfront gegen den Faschismus schon einmal zu sp;t kam.
Antifaschistinnen m;ssen gar nicht schwarz vermummt sein. Christopher-Street-Day in Stuttgart im Juli 2023. Foto: Jens Volle
Antifaschistinnen m;ssen gar nicht schwarz vermummt sein. Christopher-Street-Day in Stuttgart im Juli 2023. Foto: Jens Volle
Breite B;ndnisse sollten es sein, da waren sich im Grunde alle einig in Sigmaringen, Lahr oder Leonberg. Wie in vielen St;dten und Gemeinden gab es hier in den vergangenen Wochen gro;e Demonstrationen gegen rechtsextreme Deportationsfantasien, und die Initiator:innen der Proteste zeigten sich ;berrascht, weil sie so viel R;ckhalt selten erlebt hatten: Auf einmal unterst;tzten Turnvereine und Kleinunternehmen die Aktionen, eher unpolitische Kreise wirkten aufger;ttelt. Doch wie die Organisator:innen gegen;ber Kontext betonten, wollten sie auf ihren Demos "weder Rechts- noch Linksradikale", also auch keine Antifa mit Verweis auf deren Gewaltbereitschaft.
Dass dieser Vorwurf nicht ganz unbegr;ndet ist, macht der Historiker Richard Rohrmoser an autonomen Gruppen fest, die sich teils offen zu Militanz bekennen. Oftmals w;rden "die Grenzen friedlicher Konfliktaustragung" ;berschritten, Aktivist:innen reklamierten "punktuell ein Recht auf 'Gewalt als politisches L;sungsmittel'" und w;rden sich so zur Selbstjustiz erm;chtigen. Das sto;e auch auf enorme ;ffentliche Kritik. Allerdings weist er auch darauf hin, dass dabei "vielfach die Ambivalenzen der Antifa-Bewegung ausgeblendet und antifaschistische Aktivist:innen undifferenziert als 'Systemoppositionelle' und 'schwarzgekleidete Terrorist:innen' pauschalisiert" w;rden.
Richard Rohrmoser hat die erste wissenschaftliche Antifa-Geschichte verfasst. Foto: privat
Richard Rohrmoser hat die erste wissenschaftliche Antifa-Geschichte verfasst. Foto: privat
Der Historiker, Jahrgang 1987, untersucht schwerpunktm;;ig Protestgeschichte, hat ;ber Zivilen Ungehorsam gegen die nukleare Aufr;stung in Mutlangen promoviert. Seine Erkenntnisse ;ber die Antifa hat er 2022 im "Portr;t einer linksradikalen Bewegung: Von den 1920er-Jahren bis heute" zusammengefasst. Und, so seltsam das bei ;ber 100 Jahren Antifa-Geschichte klingt: Rohrmoser ist der erste, der zur historischen Entwicklung der vielschichtigen Bewegung eine Publikation vorgelegt hat, die wissenschaftlichen Anspr;chen gerecht wird. Es h;tte zwar Verfassungsschutzberichte gegeben oder auch Eigendarstellungen von Antifa-Gruppen in linksradikalen Medien. Allerdings w;ren die jeweils "nicht so ganz fachwissenschaftlich" sagt Rohrmoser im Gespr;ch mit Kontext. Zum Beispiel, wenn man dann in einem antifaschistischen Infoblatt "pl;tzlich etwas von 'Bullenschweinen' liest".
Angefangen hat es mit der Anfrage eines Jugendzentrums, ob Rohrmoser als Historiker nicht einmal einen Vortrag zur Antifa-Geschichte halten wolle. Zu diesem Zeitpunkt hat er ein Volontariat beim C. H. Beck Verlag absolviert, der das Thema interessant fand und das Potenzial f;r ein Buch erkannte. Bei seinen Recherchen hat Rohrmoser gelernt, wie stark sein Forschungsgegenstand als Projektionsfl;che dient. "Viele, die sich an den Debatten ;ber die antifaschistische Bewegung beteiligen, interpretieren den Begriff so, dass dieser ihren schablonenhaften Standpunkten und ihrem vorkonstruierten Weltbild entspricht", urteilt er.
Was ist aus dem antifaschistischen Konsens geworden?
Selbst in gut gebildeten Kreisen kursierten Mythen und Halbwissen, meint Rohrmoser und erz;hlt anekdotisch: "Als ich angefangen habe, dieses Buch zu schreiben und davon im Freundes- und Bekanntenkreis erz;hlt habe, kam auch ganz oft von Leuten, die beispielsweise Politik und Geschichte studiert haben: 'Ach ja, die Antifa, das ist ja noch so ein letztes Zerfallsprodukt der RAF.' Da herrscht das Bild vor, die Antifa sei irgendwie in den 80er- oder 90er-Jahren entstanden." Das war zwar die Phase, in der sich bundesweit autonome Antifa-Gruppen gr;ndeten und ;ffentlich in Erscheinung traten. Doch eine positive Bezugnahme auf Terrorismus habe er bei seinen Arbeiten nicht als wesentliches Merkmal der Szene identifizieren k;nnen. Ganz im Gegenteil: "Wenn man ein gemeinsames Ziel der vielen Str;mungen dieser heterogenen Bewegung erkennen kann, dann: dass sie sich gegen Faschismus und die damit verbundenen Charakteristika engagieren. Oder wenn man es positiver formulieren will, ist es eine Bewegung f;r humanistische Grundwerte."
Hoppla. Ob das keinen ;rger gibt in einem Diskursklima, in dem zum Beispiel der Historikerkollege Jan Behrends die Antifa als "ein Produkt aus der Giftk;che des Stalinismus" bezeichnet? Gilt man mit solchen Aussagen nicht schnell als Verharmloser linker Gewalt? Rohrmoser verweist trocken auf die Fakten. Damit sich Auschwitz nicht wiederhole, sei die politische Neuordnung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg einmal von einem antifaschistischen Konsens gepr;gt gewesen. Nach den historisch beispiellosen Zivilisationsbr;chen des Nationalsozialismus h;tten etwa die Garantie der Menschenw;rde, der Schutz der Freiheit des Einzelnen und die Gewaltenteilung Einzug ins Grundgesetz gefunden.
Erst "im Kontext des entstehenden Kalten Krieges und der antikommunistischen Feindbildkonstruktion" sei aus dem "antifaschistischen" ein "antitotalit;rer Konsens" geworden. Heute, sagt Rohrmoser, w;rden gro;e Teile der Bev;lkerung mit dem Begriff Antifaschismus etwas Anr;chiges verbinden. Und dieser Eindruck werde durch eine "fatale Symbiose zwischen der Szene und den Medien verst;rkt". Das Bild sei stark gepr;gt durch vermummte Chaoten, die Polizist:innen angreifen oder Barrikaden in Brand setzen, "weil Gewaltausschreitungen stets reichlich publizistischen Sauerstoff liefern und die st;rkste Resonanz in der ;ffentlichkeit zur Folge haben". Weniger aufregend sind da ein Adorno-Seminar im klandestinen Zirkel oder auch Aktivist:innen, die sich bei schlechtem Wetter im Geb;sch verstecken, um v;lkische Zeltlager zu observieren.
Besseres Fr;hwarnsystem als der Verfassungsschutz
Doch gerade die Recherchearbeit der Antifa-Bewegung wird sogar vom Bayerischen Verfassungsschutz honoriert, der Erkenntnisse aus der Szene in seine Berichte einflie;en l;sst. "Durch ihre akribischen Chronologien und Dokumentationen sind sie ;ber rechte Aktivit;ten und Strukturen oftmals schneller im Bilde als die staatlichen Institutionen und besser informiert als die Medien", schreibt Rohrmoser. Somit waren viele Antifa-Aktive nicht verwundert ;ber die Medienberichte zum Monatsanfang, wonach AfD-Nachwuchs bei einer Wanderung ;ber Arbeitslager f;r Juden nachgedacht haben soll. Auch dass der Faschist Bj;rn H;cke schon vor f;nf Jahren seine Absichten aufschrieb, ein "gro;angelegtes Remigrationsprojekt" anzusto;en und dabei "wohltemperierte Grausamkeiten" in Kauf zu nehmen, ist in kundigen Kreisen altbekannt.
Laut Rohrmoser h;tten Antifa-Aktive "durch sorgf;ltige Recherche- und Enttarnungsarbeit" als Fr;hwarnsystem bereits "viele rassistische und rechtsextreme Straftaten vereiteln" k;nnen. Ein St;ck weit kompensiert die Szene damit sogar das Versagen der offiziellen Geheimdienste. Zur Erinnerung: Nachdem der Verfassungsschutz den NSU-Terror ;bersehen hatte, sollte ein gewisser Hans-Georg Maa;en als neuer Pr;sident das Vertrauen in die Beh;rde wieder herstellen – heute gilt er selbst als gesichert rechtsextrem. Antifaschistische Gruppen hatten schon fr;h auf Maa;ens Gesinnung hingewiesen.
Antifa ist Handarbeit: Gem;se schnibbeln im Stuttgarter Linken Zentrum Lilo Hermann. Foto: Joachim E. R;ttgers
Antifa ist Handarbeit: Gem;se schnibbeln im Stuttgarter Linken Zentrum Lilo Hermann. Foto: Joachim E. R;ttgers
Als Experte f;r Protestgeschichte sucht Rohrmoser den Vergleich zu Friedensbewegung, Anti-AKW-Bewegung, Frauenbewegung und Homosexuellenbewegung: Alle w;rden heute im R;ckblick ;berwiegend positiv bewertet und es sei gemeinhin anerkennt, dass sie sozialen Wandel vorangebracht h;tten. "Meiner Meinung nach ist das bei der Antifa-Bewegung genauso zutreffend, aber historisch noch nicht so aufgearbeitet." Das Bild vom martialischen Stra;enk;mpfer, der mit Bandana vermummt einen Rauchtopf emporhebt, sei dabei l;ngst auch in der Szene selbst umstritten, sagt der Historiker. Zum Beispiel komme heftige Kritik von feministischen Antifa-Gruppen, die sich an Mackertum st;ren und eine kampforientierte ;sthetik weniger heldenhaft denn toxisch finden.
Sp;testens seit den 1990er-Jahren k;nne man in der Szene einen "cultural turn" beobachten, sagt Rohrmoser. Demnach sei die Erkenntnis durchgesickert, dass sich mit Genuss Politik machen lasse. "Im Zuge dieser theoretischen Auseinandersetzung begriff die linksradikale Szene zunehmend, dass in der Geschichte der Bundesrepublik wahrscheinlich bedeutend mehr Personen etwa durch linke Schriftsteller:innen, Punkbands und Kulturkneipen ihr Interesse an Politik entdeckt haben als durch alle kommunistischen Parteien zusammen." Die bis dahin als verbissen, mindestens aber extrem ernst geltende Szene ;ffnete sich schrittweise f;r Humor, entdeckte Ironie und Satire als Instrumente gegen Rechtsextremismus. Zum Beispiel mit einer Kampagne gegen den damaligen NPD-Vorsitzenden Holger Apfel, die "Keine ;berfremdung des deutschen Obstbestandes!" forderte oder auch "S;dfr;chte raus!". Ein zeitgen;ssischeres Beispiel f;r das Ph;nomen der Pop-Antifa w;ren die T-Shirts: schwarze und rote Espresso-Kanne auf wei;em Grund. In Anlehnung an das Logo der Antifaschistischen Aktion wurde so die Zeugenaussage eines Polizisten verballhornt, der glaubte, auf einer Demo den Schlachtruf "Barista, Barista, Antifascista!" geh;rt zu haben.
Zerstrittenheit mit Tradition
Vom undogmatischen Horkheimer-Lesekreis zu doktrin;ren Lenin-Fans: Insgesamt sind die vielen Str;mungen der Antifa-Bewegung wohl nicht minder zerstritten als das linke Spektrum hierzulande. Es gibt weder einen Antifa-Dachverband noch ein Zentralkomitee. In seinem Buch verweist Rohrmoser auf die lange Vorgeschichte der linken Zerstrittenheit in Deutschland, die mindestens bis 1914 zur;ckreicht. Ein Schl;sselpunkt war die Haltung der SPD, die sich im Juli noch f;r "flammenden Protest gegen das verbrecherische Treiben der Kriegshetzer" aussprach – und wenige Tage sp;ter im Reichstag mit gro;er Mehrheit die zur Kriegsf;hrung ben;tigten Kredite bewilligte. Mit der Erkl;rung der Partei: "Wir lassen das Vaterland in der Stunde der Gefahr nicht im Stich." Da ging ein Riss durch die SPD, aus der schlie;lich die Mehrheitssozialdemokratische Partei und die Unabh;ngige Sozialdemokratische Partei wurde. Wobei sich von letzterer wenig sp;ter die Kommunistische Partei abspaltete, die schon bei ihrem Gr;ndungsparteitag zerstritten war.
Zumindest Teile der Linken erkannten fr;h die Gefahr, die vom Faschismus ausging. Inspiriert vom Widerstand gegen Mussolini in Italien hatte die Kommunistische Partei in Deutschland schon am 29. Juli 1923 zu einem "Antifaschisten-Tag" mobilisiert: "Die KPD ruft die Arbeiter auf, ;berall Abwehrorganisationen zu bilden, die, wenn n;tig, mit Waffen in der Hand, einen faschistischen Umsturz verhindern w;rden." Ziel war "eine Abwehrfront der Arbeiter ohne R;cksicht auf Parteizugeh;rigkeit gegen die faschistischen Organisatoren des B;rgerkrieges".
Miteinander statt Spaltung. Foto: Joachim E. R;ttgers
Miteinander statt Spaltung. Foto: Joachim E. R;ttgers
Doch gegen den Kurs der KPD agitierte sp;ter … die KPD. Rohrmoser schreibt: "Im Kontext der erbitterten Feindschaft innerhalb der Parteien des linkspolitischen Spektrums erhoben sich Stimmen, welche die Sozialdemokratie – aufgrund ihrer Haltung zu faschistischen Bewegungen und Regimen in diversen L;ndern – als elementaren Teil dieses Problems identifizierten." So erkl;rte Stalin pers;nlich: "Der Faschismus ist eine Kampforganisation der Bourgeoisie, die sich auf die aktive Unterst;tzung der Sozialdemokratie st;tzt. Die Sozialdemokratie ist objektiv der gem;;igte Fl;gel des Faschismus." Zur "antifaschistischen Einheitsfront" kam es daher erst viel zu sp;t. "Obwohl die SPD und die KPD je eigene antifaschistische Kampfb;nde ins Leben riefen, standen sich die beiden linken Arbeiter:innen-Parteien weiterhin feindlich und unvers;hnlich gegen;ber. ;berparteiliche antifaschistische Reaktionen setzten erst im Vorfeld der Reichstagswahl vom Juli 1932 ein."
Die faschistische Macht;bernahme konnte nicht mehr verhindert werden. Rohrmoser empfiehlt, daraus Lehren zu ziehen und einen Schulterschluss trotz Differenzen zu suchen, wo es gilt, buchst;blich das Schlimmste zu verhindern. Er zitiert den kommunistischen Widerstandsk;mpfer Peter Gingold, der in seinen Erinnerungen schrieb: "1933 w;re verhindert worden, wenn alle Hitlergegner die Einheitsfront geschaffen h;tten. Dass diese nicht zustande kam, daf;r gab es f;r die Hitlergegner in der Generation meiner Eltern nur eine einzige Entschuldigung: Sie hatten keine Erfahrung, was Faschismus bedeutet, wenn er einmal an der Macht ist."
Richard Rohrmoser: "Antifa: Portrait einer linksradikalen Bewegung. Von den 1920er Jahren bis heute", Verlag C. H. Beck, 208 Seiten, 16 Euro. Au;erdem f;r 4,50 Euro erh;ltlich ;ber die Bundeszentrale f;r politische Bildung.
Am 24. Februar ist eine Gro;demonstration unter dem Motto "Die rechte Welle brechen" auf dem Stuttgarter Marktplatz geplant. Ein breites B;ndnis mobilisiert, los geht es um 14:30 Uhr.
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