Wie Trump Politik pornifiziert
Wie Trump und die Alt-Right-Bewegung Politik „pornifizieren“
Ein Mann posiert mit seiner G;rtelschalle, auf der der Schriftzug "Pornstar" geschrieben ist. Foto: Ulrich Perrey/dpa
Porno-Bilder in der Politik? Trump und Alt-Right propagieren ein aggressives M;nnlichkeitsbild. © picture alliance / dpa / Ulrich Perrey
Von Klaus Walter | 16.01.2019
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In ihrem selbsterkl;rten Kulturkampf gegen alles Linke und Liberale machen Donald Trump und die Alt-Right-Bewegung offenen Sexismus wieder salonf;hig. F;r den Autor Klaus Walter greifen sie dabei auf Sprachmuster und Inszenierungen aus der Pornografie zur;ck.
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Achtung! Triggerwarnung! Der folgende Beitrag enth;lt explizite Inhalte, die m;glicherweise geeignet sind, Schamgef;hl und Geschmacksnerven sensibler Gem;ter zu verletzen. Allerdings kann man schlecht ;ber Pornografie und Politik reden, ohne sich den Mund schmutzig zu machen. Wer weiter zuh;rt, tut das auf eigene Gefahr.
Wer als bedeutender Pr;sident der USA in die Geschichte eingehen will, der braucht einen Signatursatz.
„Ich bin ein Berliner“, sagt John F. Kennedy 1963 vor dem Sch;neberger Rathaus.
„Mister Gorbatschow, tear down this wall“, verk;ndet Ronald Reagan 24 Jahre sp;ter am Brandenburger Tor.
„Yes we can!“, sagt Barack Obama bei jeder Gelegenheit. Und sein Nachfolger?
„You can grab'em by the pussy.“
Du kannst ihre Pussy begrapschen. Diesen Satz ;u;erte Donald Trump schon vor seiner Wahl zum Pr;sidenten. Gew;hlt wurde er trotzdem. Trump hat eine rassistische Agenda? Gew;hlt wurde er trotzdem.
Trotzdem? Ta-Nehisi Coates widerspricht. In seinem gefeierten Buch „We were eight years in power – eine amerikanische Trag;die“ weist der afroamerikanische Autor mit viel Zahlenmaterial nach, dass Trump nicht trotz, sondern wegen seiner rassistischen Agenda gew;hlt wurde.
Trump und die „toxische M;nnlichkeit“
Ganz ;hnlich sieht das Siri Hustvedt. Die Bestseller-Autorin aus den USA beobachtet eine Sexualisierung der Politik von rechts:
„Ich habe mehr ;ber Politik geschrieben als je zuvor in meinem Leben. Ich f;rchte aber, dass ich damit niemanden dazu gebracht habe, seine oder ihre Meinung zu ;ndern. Ich bin mir mit vielen Beobachtern einig, dass Trump das verk;rpert, was derzeit als toxische M;nnlichkeit bezeichnet wird.“
Die US-amerikanische Schriftstellerin Siri Hustvedt
Die US-amerikanische Schriftstellerin Siri Hustvedt
© picture alliance / dpa / Horst Galuschka
Sexistische Zoten und rassistische Beleidigungen sind in der US-;ffentlichkeit nicht mehr tabuisiert. Wer sich sexistisch oder rassistisch ;u;ert, wird nicht mehr quasi automatisch diskreditiert. Ganz im Gegenteil:
Amerika gewinnt, Amerika wird respektiert, Amerika zuerst. Mit dieser Rhetorik wird Donald Trump zum Pr;sidenten der USA gew;hlt. Und damit:
Ein Globalist sorgt sich um den Globus, aber nicht um unser Land. In der Sprache der Neuen Rechten ist „Globalist“ ein Kampfbegriff, ein Schimpfwort. Ein Globalist ist ein skrupelloser Agent der Globalisierung, unter der hart arbeitende Amerikaner zu leiden haben. Vor allem hart arbeitende wei;e Amerikaner.
Die Polemik gegen „Globalisten“ und den „Globalismus“ hat auch bei den deutschen Rechten Konjunktur, AfD und Co. denunzieren etwa die verhasste Bundeskanzlerin als „Globalistin“, die ihre eigene Nation verr;t. Und was ist das Gegenteil eines Globalisten?
Es gibt da dieses altmodische Wort, sagt Donald Trump, ein Wort, das wir eigentlich nicht mehr in den Mund nehmen d;rfen. Aber der Pr;sident nimmt das verbotene Wort dann doch in den Mund: Ich bin ein Nationalist, auch wenn das der Sprachpolizei der politischen Korrektheit nicht passt. So dreht Trump den Spie; um und besetzt den verp;nten Begriff des Nationalisten positiv.
Wie kaum ein anderer Pr;sident vor ihm spricht Trump in der ersten Person Singular. Das staatsm;nnische „Wir“ ersetzt er durch das identit;re „Ich“. Trump betreibt Identit;tspolitik im engsten Sinn des Wortes. F;r den Autor Ta-Nehisi Coates ist Trump „der erste wei;e Pr;sident der USA.“
Trump vertritt eine explizit wei;e Agenda
Moment mal. Waren nicht bis zum Jahr 2009 alle 43 Pr;sidenten wei;e M;nner? Ja, aber bis dahin war der Mann im Wei;en Haus selbstverst;ndlich, quasi gottgegeben ein wei;er Mann. Nach acht Jahren Obama vertritt Donald Trump eine explizit wei;e Agenda.
Um zu verstehen, wie die Neue Rechte Identit;tspolitik in den Feldern Sexualit;t, Gender und Pornografie betreibt, muss man sich diese Ausgangslage vor Augen f;hren: Donald Trump vertritt eine explizit wei;e und eine explizit maskulinistische Agenda.
;hnlich, wenn auch drastischer, agiert Steve Bannon. Er war ein Drahtzieher im Wahlkampf des Donald Trump, sein Berater im Wei;en Haus und ist nach wie vor eine zentrale Figur der sogenannten Alt-Right, der Neuen Rechten in den USA. Steve Bannon ist stolz darauf, Rassist zu sein:
„Let them call you racist. Let them call you xenophobes. Wear it as badge of honor.“
„Sie nennen dich Rassist? Sie nennen dich xenophob? Dann trag es wie ein Ehrenabzeichen“, so Steve Bannon 2018 vor der Rassemblement National in Frankreich, der ehemaligen Front National. Der Stratege der Alt-Right propagiert die wei;e Vorherrschaft, White Supremacy.
Das Bild zeigt Steve Bannon und die Front-National-Vorsitzende Marine Le Pen auf dem Parteitag in Lille.
Das Bild zeigt Steve Bannon und die Front-National-Vorsitzende Marine Le Pen auf dem Parteitag in Lille.
© picture-alliance / dpa / MAXPPP / Philippe Pauchet
Internet-Pornografie als Resonanzraum der Politik
Wie die Autorin Siri Hustvedt diagnostiziert auch ihr Kollege Ta-Nehisi Coates eine Sexualisierung der Politik von rechts, ja eine Pornifizierung der Politik. Die massenhaft kursierende und allgemein zug;ngliche Internet-Pornografie wird zum Resonanzraum der Politik, so Ta-Nehisi Coates:
„White supremacy hatte schon immer eine perverse sexuelle Note. Insofern passt es, dass Trumps Aufstieg von Steven Bannon begleitet wurde, einem Mann, der seine m;nnlichen wei;en Kritiker als ‚cucks‘ verh;hnt.“
Cucks? Cuck ist die Abk;rzung von Cuckold, und das steht f;r: betrogener Ehemann. Ein Mann, der Gefallen daran findet, wenn seine Frau vor seinen Augen Sex mit einem anderen Mann hat. Oder mit mehreren.
In der Pornografie erfreut sich die Kategorie „Cuckold“ gro;er Beliebtheit. Dabei wird zwischen zwei Varianten unterschieden. Hier die masochistische: der Mann genie;t die Dem;tigung durch einen anderen Mann, der vor seinen Augen mit seiner eigenen Frau Sex hat.
Dort die dominante Variante: der sogenannte „Alpha Cuckold“ bestimmt, wann und wie seine Frau mit welchem anderen Mann Sex hat. Was sich hier ziemlich abseitig anh;rt, ist in den USA l;ngst in die Alltagssprache vorgedrungen. Cuck ist ein gefl;geltes Wort. F;r Cuck-artiges Verhalten gibt es schon eine eigene Abk;rzung.
Von einem „TCM“ erz;hlt der US-Talkmaster Stephen Colbert in seiner popul;ren Show. Dann wird Steve Bannon eingeblendet, der uns erkl;rt was das ist, ein TCM: „A Total Cuck Move.“
Rassistisch aufgeladene Pornografie
Wo aber liegt die politische Dimension des Cuck? Fragen wir Veronika Kracher, die Autorin erforscht die Geschlechterideologien der Neuen Rechten.
„Der Begriff ‚Cuck‘ ist zu einem gefl;gelten Wort innerhalb der Alt-Right geworden. Urspr;nglich bezeichnete er einen Mann, der von seiner Frau betrogen wird. Seine Verwendung speist sich jedoch vor allem aus dem Fetisch des ‚Cuckolding‘, bei dem ein Mann Erregung daran findet, dass seine Frau vor seinen Augen Geschlechtsverkehr mit anderen M;nnern hat.
In der Mainstream-Pornografie ist dies in der Regel ausgesprochen rassistisch aufgeladen: eine wei;e Frau wird von als triebhaft inszenierten schwarzen M;nnern penetriert, w;hrend der ebenfalls wei;e Ehemann dies fasziniert verfolgt.“
Allerdings schaut der wei;e Ehemann manchmal eher be;ngstigt als fasziniert zu, wie seine wei;e Frau von einem BBC befriedigt wird. BBC? Das K;rzel steht f;r Big Black Cock. Das Porno-Vokabular ist durch und durch von Rassismen durchzogen: wei; ist die Norm, black oder asian die exotische Ausnahme. Unter dem Sammelbegriff „interracial“ haben wei;e Frauen Sex mit schwarzen M;nnern, wenn schwarze Frauen es mit wei;en M;nnern treiben, dann ist das keine eigene Kategorie wert.
Die massenhaft zug;ngliche und verbreitete Internet-Pornografie ist ein Spiegel des kapitalistischen Marktes, in all seiner Drastik. Auf diesem Markt ist jeder Black Cock ein Big Cock, dank der gewisserma;en pornotorischen Angst des Wei;en Mannes vor der Potenz des Schwarzen. Der in seiner M;nnlichkeit verunsicherte wei;e Cuck wird von der Alt Right politisch aufgeladen. Im pornifizierten Kulturkampf ist der Cuck der Inbegriff des wei;en Schw;chlings.
Cucks – das sind f;r die Alt-Right feministisch-liberale Weicheier
Cuckold-Pornos folgen einer standardisierten Dramaturgie, um die standardisierten Erwartungen der Konsumenten nicht zu entt;uschen. Paula-Irene Villa ist Professorin am Institut f;r Soziologie der Uni M;nchen, Schwerpunkt Gender. Sie schl;gt den Bogen von der Pornografie zur Politik.
„Die Figur ‚cuck‘ wird umgangssprachlich verwendet, um einen unrichtigen Mann zu bezeichnen. Einen Mann, der in seiner M;nnlichkeit sozusagen gescheitert ist – einen j;mmerlichen, verweichlichten, einen eben unrichtigen. Die Bezeichnung spricht dem so Bezeichneten richtige, eigentliche M;nnlichkeit ab. ‚Cucks‘ wie in ‚cuckservatives‘ sind in dieser Rhetorik – etwa bei Bannon – zu sehr an einen vermeintlich feministisch-liberalen Mainstream angepasst. Cucks sind demnach nicht konsequent genug bei der kantigen Formulierung und brachialen Durchsetzung zum Beispiel ultra-konservativer oder nationalistischer Werte.“
Proteste in New York gegen sexuelle Gewalt, hier am 9. Dezmeber 2017 vor dem Trump International Hotel am United States Columbus Circle
Proteste in New York gegen sexuelle Gewalt, hier am 9. Dezmeber 2017 vor dem Trump International Hotel am United States Columbus Circle
© imago/Pacific Press Agency
Von „cuckservatives“ spricht Paula-Irene Villa. Die Wortsch;pfung aus cuckold und conservative hat Karriere gemacht in den Kulturk;mpfen der Neuen Rechten in den USA.
„Die Alt-Right erachtet heutige Anti-Trump-Konservative als cuckservatives. Die altmodische christliche Rechte wie auch die Neocons sind der Alt-Right insofern verhasst, als sie es angeblich nicht schaffen, die Nation aggressiv genug zu besch;tzen – sie seien zu h;flich, um Feminismus, Islamisierung, Masseneinwanderung und so weiter zu besiegen.“
Das schreibt die Autorin Angela Nagle in ihrem vielbeachteten Buch „Die digitale Gegenrevolution. Online-Kulturk;mpfe der Neuen Rechten“.
Kollektive Erektionsst;rung des Wei;en Amerika?
Cuck – in diesem Vier-Buchstaben-Wort verdichtet sich die vielbeschworene Krise des wei;en Mannes in den USA. Cuck – das ist das K;rzel f;r den Niedergang des wei;en Amerika, gegen den Trump angetreten ist mit seiner Parole „Make America Great Again“.
Auch die M;nnlichkeit will Trump wieder gro; machen, das ist die gar nicht so geheime Botschaft. Trump ist angetreten, um die kollektive Erektionsst;rung des Wei;en Amerika zu beheben.
In dieser Logik fungiert das Wort „Cuck“ als Begriffscontainer f;r alles, was geworden ist aus dem einst so stolzen wei;en Mann. F;r alles, was die Emanzipationsbewegungen der Sechziger und Siebziger Jahre, der Feminismus und die angebliche Diktatur der politischen Korrektheit angerichtet haben.
Cuck steht f;r Weicheier, Warmduscher, Schattenparker, Sitzpinkler, Schwanzlutscher. Oder f;r „Jammerlappen“ und „Distanzierungs-Muschi“. So bezeichnet der inzwischen ehemalige AfD-Politiker Andr; Poggenburg 2018 parteiinterne Kritiker. Der sexistisch befeuerte Antifeminismus der AfD macht auch vor den eigenen Leuten nicht halt.
Die Angstlust des Mannes, der Schwule hasst
Eine popul;re Spielart der Cuckold-Pornografie spielt im sado-masochistischen Dreieck zwischen wei;em Mann, schwarzen Mann und wei;er Frau. Und sie spielt mit der Angstlust des Mannes, der Schwule hasst. Eigentlich. Wer denkt sich sowas aus? Wer schaut sich sowas an? Was bedeutet das?
Psychoanalytisch betrachtet kommt hier der Begriff des Genie;ens ins Spiel, das, was Jacques Lacan als „Jouissance“ bezeichnet. Lacan stellt das Genie;en der Lust gegen;ber.
„Das Lustprinzip agiert als Einschr;nkung des Genusses; es ist ein Gesetz, das dem Subjekt befiehlt, ‚so wenig wie m;glich zu genie;en‘. Gleichzeitig versucht das Subjekt stets, sich ;ber die seinem Genu; auferlegten Verbote hinwegzusetzen, ‚;ber sein Lustprinzip hinaus‘ zu gehen.“
So der Autor Dylan Evans in seinem „W;rterbuch der Lacanschen Psychoanalyse“.
Homophobe ;ngste und heimliches Begehren
In seiner Theorie zur Perversion beschreibt Lacan, wie das Subjekt sich zum Instrument des Genie;ens des Anderen macht. Auf den Cuckold-Porno bezogen hei;t das – nur scheinbar paradox: Der geh;rnte, schwache Mann genie;t es, die Lust der anderen Protagonisten zu befriedigen, vor allem die der Frau. Der Betrachter des Cuckold-Porno – nennen wir ihn Donald Trump – verachtet den unterw;rfigen, wehrlosen Schw;chling. Trump will nicht mehr der Erf;llungsgehilfe des Genie;ens anderer sein.
Gehen wir davon aus, dass der wichtigste Konsument der standardisierten Massenpornografie ein wei;er, eindeutig heterosexueller Mann ist. Warum schaut sich dieser Mann ein Cuckold-Video an? Eine Antwort: Im Cuckold-Szenario darf er Dinge betrachten, die f;r ihn eigentlich tabu sind. Er darf schwulen Sex besichtigen, auch heimlich genie;en, ohne sich ein m;gliches homosexuelles Begehren eingestehen zu m;ssen.
Der wei;e Mann im sadomasochistischen Cuckold-Dreieck ist ja eine l;cherliche Figur, mit der sich der Betrachter nicht identifizieren kann. Oder muss. Ohne sich identifizieren zu m;ssen, betrachtet unser Mann schwulen Sex, der obendrein markiert ist als „interracial“. F;r konservative wei;e M;nner eine Horrorvison, ein Sodom und Gomorrha der genderwahnsinnigen Libertinage.
Auf vertrackte Weise verschr;nken sich beim Konsum von Cuckold-Pornos homophobe ;ngste und heimliches Begehren. Aber: Durch den immer gleichen Plot wird der Zuschauer entlastet. Der konservative, wei;e, eindeutig heterosexuelle Mann kann sich ;ber den j;mmerlichen Cuck erheben. Sexuell wie politisch.
Jay Wimp und der Hengst Mickey Mod
„Wenn Steve Bannon den Begriff ‚Cuck‘ verwendet, m;chte er seine politischen Gegner entmannen und der L;cherlichkeit preisgeben. Der Begriff impliziert, die sogenannten ‚Cucks‘ seien au;erstande, mit der Virilit;t und dem Chauvinismus von Donald Trump und seinen Anh;ngern mitzuhalten“, sagt die Alt-Right-Expertin Veronika Kracher.
Die Cucks im Porno sind das Gegenteil von Virilit;t und Chauvinismus. Die Darsteller werden nach Stereotyp gecastet: kleiner Schwanz, schwabblig, unbehaart, unsicher, unsportlich, gerne etwas ;lter, verschwulte, verweichlichte, verweiblichte, entmannte Lachnummern. Typen wie Jay Wimp. Auf den st;;t man im Porno-Segment „Interracial Cuckold Hipster“.
„Der Hipster Jay Wimp ist nicht Mann genug f;r Edyn Blair. Deswegen bringt sie den Hengst Mickey Mod ins Spiel.“
So steht es in der Kurzbeschreibung des Videoclips. Das Wort Wimp hei;t so viel wie:
Niete, Versager, Schlappschwanz, Feigling, Schw;chling, Weichei, Warmduscher, Waschlappen, Schlaffi, Lauch, Nulpe, Versager, Schwachmatiker, Schattenparker, Knallt;te…
Im Video tr;gt der blasse Jay Wimp Hipster-Uniform im Karstadt-Style. Wollm;tze, Vollbart, Karohemd. In diesem Setting wird die unter Neurechten verhasste Figur des urbanen, sensiblen, gebildeten Hipsters als Cuck entlarvt und dem Spott preisgegeben.
„So this idea that the mainstream is some sentimental feminized space and then this masculine transgressive unsentimental rulebreaking counterculture comes in and smashes it.“
Neuer Maskulinismus von Rechts
Der sentimental-feminisierte Mainstream muss zerschlagen werden. Dazu braucht es eine m;nnliche, grenz;berschreitende, unsentimentale Gegenkultur. So charakterisiert Angela Nagle den neuen Maskulinismus von rechts. Ihr Buch ;ber die digitale Gegenrevolution tr;gt den Untertitel:
„Online-Kulturk;mpfe der Neuen Rechten von 4chan und tumblr bis zur Alt-Right und Trump.“
In ihrem Buch beschreibt Nagle detailliert die medialen Strategien der Alt-Right und macht deutlich, wie grundlegend sich diese Neue Rechte von ihren Vorl;ufern unterscheidet:
„Der Aufstieg von Trump und der Alt-Right ist kein Indiz f;r eine R;ckkehr des Konservatismus, sondern f;r die absolute Vorherrschaft der Kultur des Nonkonformismus, der Selbstdarstellung, der Transgression und der Respektlosigkeit als Selbstzweck – eine ;sthetik, die jenen n;tzt, die an nichts au;er der Entfaltung des Individuums und des Es glauben, ob sie sich nun links oder rechts verorten. Die prinzipienfreie Idee der Gegenkultur ist nicht verschwunden; sie ist blo; zum neuen Stil der Rechten geworden.“
Ekelerregender Hass auf Minderheiten
Transgression und Respektlosigkeit sind kein Privileg der Linken mehr, wenn sie das denn je waren.
„The white race is cucked by black men“. Eine Parole aus den Online-Kulturk;mpfen der Neuen Rechten, frei ;bersetzt:
„Die wei;e Rasse wird von schwarzen M;nnern auf die H;rner genommen.“
„Der Satz stammt aus dem Imageboard 4chan. In den letzten Jahren ist das Forum zu einem virtuellen Treffpunkt der Alt-Right geworden und war ma;geblich f;r den Wahlerfolg von Donald Trump mitverantwortlich, beispielsweise durch das Verbreiten von Fake News oder das Bedrohen und Outen von linken Aktivistinnen oder JournalistInnen“, sagt die Alt-Right-Expertin Veronika Kracher.
„4chan ist ein Ort, an dem man unter dem Label der ‚Free Speech‘ einem ekelerregenden Hass auf Minderheiten wie auch einem zynischen Selbsthass fr;nt. Die in dem Satz vermittelte Einstellung wird jedoch fl;chen;bergreifend in der Neuen Rechten, sowohl in den USA als auch in Europa vertreten. Er ist Ausdruck einer Verschw;rungstheorie, in der Antisemitismus, Rassismus und Misogynie eng miteinander verwoben sind.
In der Vorstellung der amerikanischen Neuen Rechten arbeiten nicht n;her bestimmte, aber j;disch und liberal konnotierte ‚Eliten‘ daran, das wei;e Amerika zu vernichten. Die Alt-Right pl;diert so f;r eine R;ckkehr zu einer urspr;nglichen M;nnlichkeit, um die Nation, die Rasse und die wei;e Frau zu verteidigen.“
Steht dahinter innerer Widerstand gegen die Abh;ngigkeit von der Mutter?
Die Alt-Right und wie sie die Welt sieht. Was Veronika Kracher da erz;hlt, klingt abstrus, krude und eher welt-fremd. Aber wer h;tte vor drei Jahren gedacht, dass ein Mann Pr;sident der USA werden k;nnte, der S;tze sagt wie diesen:
„You can grab'em by the pussy.“
Wenn der republikanische Pr;sident Sex mit einem Pornostar hat, dann tut das seiner Popularit;t keinen Abbruch – im Gegenteil. Wenn er diesem Pornostar ;ffentlich ein „Pferdegesicht“ bescheinigt, dann lachen seine Fans.
Die Schriftstellerin Siri Hustvedt: „Der innere Widerstand gegen die Abh;ngigkeit von der Mutter treibt meiner Meinung nach ganz massiv die Frauenfeindlichkeit in unserem Land an. Das tritt in der Person Donald Trump ganz unverbl;mt zutage. Trump nennt Frauen Schweine und H;ndinnen, er gibt sich gar keine M;he, sich zu verstellen. Und wenn du eine schwarze Frau bist, dann bekommst du die doppelte Faust, sexistisch und rassistisch. Nat;rlich sind wir immer und ;berall von Frauenfeindlichkeit umgeben, aber Trump versucht gar nicht erst, sich zu verstellen.“
In dem Demonstrationszug h;lt ein Mann ein Plakat mit dem Kopf Kavanaughs und der Aufschrift "Kava - Nope" in der Hand. Im Hintergrund sieht man das Kapitol.
04.10.2018, USA, Washington: Demonstranten prosterieren gegen den Kandidaten des Obersten Gerichtshofs Brett Kavanaugh.
© Manuel Balce Ceneta / AP / dpa
Im Sommer 2018 wird der stramm konservative Jurist Brett Kavanaugh von Donald Trump f;r den Obersten Gerichtshof nominiert. Daraufhin werfen ihm mehrere Frauen vor, sie sexuell bedr;ngt zu haben, bis hin zur versuchten Vergewaltigung. Die folgenden Anh;rungen Kavanaughs im Senat f;hren zu einem erbitterten Kulturkampf. Im Oktober wird Kavanaugh als Richter am Obersten Gerichtshof vereidigt.
„Ein Kulminationspunkt der Me-Too-Bewegung“. So der Journalist Sebastian Moll in einem Interview mit Siri Hustvedt in der Frankfurter Rundschau im Oktober 2018. Da sagt die US-Autorin:
„Das Spektakel war ein klarer Beleg f;r die Brutalit;t der patriarchalischen Strukturen in unserem Land. Die Furcht der Republikaner vor einer FBI-Untersuchung und ihre erbitterte Verteidigung von Kavanaugh hatten die verzweifelte, enthemmte Qualit;t m;nnlicher Macht, die unter Beschuss geraten ist.
Hier wird Unterdr;ckung durch das untermauert, was Bourdieu ‚symbolische Gewalt‘ nennt – unsichtbare und scheinbar legitime Arten und Weisen der Machterhaltung. Diese Anh;rungen haben die symbolische Gewalt, die zur Erhaltung des Patriarchats eingesetzt wird, auf eine groteske Art und Weise offen gelegt.“
„No means yes“
Im Zuge der Anh;rungen werden Geschichten aus der Highschoolzeit von Kavanaugh bekannt. So zum Beispiel ein Slogan, der sich unter Kavanaughs M;nnerfreunden gro;er Beliebtheit erfreut haben soll: „No means yes, yes means anal.“
„Nein hei;t ja und ja hei;t anal.“ Der Spruch ist eine Verballhornung von: „No means No.“
Nein hei;t nein. Mit dieser Parole wehren sich Frauen seit den siebziger Jahren gegen sexuelle ;bergriffe. Wenn M;nner daraus „Nein hei;t ja und ja hei;t anal“ machen, dann hat das hohen Symbolwert, unabh;ngig davon, ob Kavanaugh und seine Freunde diesen Satz tats;chlich in den Mund genommen haben.
Im Mainstream-Porno ist die Kategorie „Anal“ eine K;nigsdisziplin. Darstellerinnen, die Analsex verweigern, m;ssen finanzielle Einbu;en in Kauf nehmen. Zwischen Pornografie und testosterongetriebenem HipHop gibt es viele Schnittstellen, nicht nur in den USA.
„Dein Chick is ne broke ass bitch, denn ich fick sie, bis ihr Stei;bein bricht.“
Dieser Reim stammt aus einem Song von Kollegah & Farid Bang. Genau, das sind die beiden deutschen Rapper, die 2018 bei der Echo-Verleihung f;r einen Eklat gesorgt haben, als eine ersch;tterte deutsche ;ffentlichkeit pl;tzlich und v;llig unerwartet feststellen musste, dass es im deutschsprachigen Rap tats;chlich Spurenelemente von Antisemitismus geben soll.
Die Sexualisierung und die Pornifizierung der Politik, kein rein amerikanisches Ph;nomen, meint die Gender-Forscherin Paula-Irene Villa.
„Ja, ich w;rde das nicht auf die USA beschr;nken, sondern als internationales, wom;glich globales Ph;nomen sehen. Auch an Putin, Berlusconi oder Bolsonaro lie; bzw. l;sst sich eine Pornifizierung beobachten, die ihrerseits aus der Popul;rkultur kommt und sich sehr eng mit der ;konomie verbindet.
Im Kern geht es um die Logik des Fickens/Gefickt-Werdens. Wer also ist der Verf;gende einerseits und wer wird genommen, wer wird zum Objekt der Interessen des Anderen andererseits? Diese Form der Ausbeutung und der ja nicht ganz neuen Herr-Knecht-Logik wird nun – auch nicht erstmals, aber derzeit besonders auff;llig – sexualisiert. Pussy grabbin’ und die obsz;ne Diffamierung z.B. von LGBTQI*-Menschen, die Bagatellisierung sexualisierter Gewalt und die politische Inszenierung k;rperlicher St;rke – das sind Formen einer zunehmend antagonistisch verfassten politischen (Un-)Kultur, die eben nicht auf Verst;ndigung, sondern auf Eroberung, Sieg und auf Erniedrigung des Gegen;bers aus ist.
Das Gegen;ber ist nicht auf Augenh;he, sondern muss best;ndig durch Besch;mung und willk;rliche Kontrolle an seinem untergebenen Platz gehalten werden. Wird diese politische Logik sexualisiert, wirkt das rasch wie ein handels;blicher schlechter Porno.“
Proll-TV und Porno als Opium f;rs Volk
Hier kommt ein Klassenaspekt ins Spiel.
„When they go low, we go high!“
„Wenn sie im Niveau runtergehen, dann gehen wir hoch.“ F;r dieses Credo bekommt Michelle Obama viel Applaus von aufgekl;rten Liberalen und Linken. Der Signatursatz der ehemaligen First Lady reklamiert die moralische ;berlegenheit der Obama-Demokraten gegen;ber Alt-Right und Trump.
Wie kaum ein Pr;sidenten-Paar vor ihnen propagieren und praktizieren die Obamas politisch korrekte Lebensf;hrung. Die schwarze First Lady legt im Wei;en Haus einen Gem;segarten an und predigt ihren Landsleuten gesunde Ern;hrung, wie einst die Gr;nen mit ihrem Veggie Day.
Aber aus high wird schnell Hochmut und die Rechten ziehen sich den Schuh seitenverkehrt an.
„When they go high, we go low!“
Wenn die hochgehen, dann gehen wir runter. Das ist ein unausgesprochenes Leitmotiv der Neuen Rechten. Gegen die angebliche Diktatur der politischen Korrektheit inszenieren sich die Aktivisten der Alt-Right als Grenzverletzer, Tabubrecher und Rebellen. In linksliberalen Kreisen wird ;ber Pornografie kaum gesprochen, und wenn, dann h;chstens als Problem. Anders bei der Neuen Rechten. Da dient Pornografie als Resonanzraum, als Folie. M;nner wie Trump oder Bannon tun nicht versch;mt so, als w;ssten sie von nichts. Sie wissen um Porno und teilen dieses Wissen mit ihrer Klientel, von White Trash bis gediegenes Patriarchat.
So tut sich eine Kluft auf: Die einen gehen mit den Obamas high und geben Geld aus f;r gesunde Ern;hrung, edle Spirituosen und anspruchsvolle Netflix-Serien, die anderen, die niederen St;nde trinken Bier, rauchen Zigaretten und essen Hamburger. Und gucken dabei Proll-TV und Porno. Gratis-Opium f;rs Volk.
Fazit: Der Politisierung von Sexualit;t durch feministische Bewegungen setzt die Neue Rechte eine Sexualisierung der Politik entgegen, die wir aus autorit;ren und faschistischen Regimes kennen. Oder eine Pornifizierung der Politik. Tanz den Mussolini, Berlusconi, Adolf Hitler und den Putin. Sie wissen, was sie tun.
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