Sprachlupe Hurt me, baby und andere Deutschqualen

Sprachlupe: «Hurt me, baby» und andere Deutschqualen
Daniel Goldstein / 19.10.2024  Englische W;rter einzustreuen, hat oft Dudens Segen. Wer ohne den auskommt, kann mit ganzen S;tzen weltl;ufig posen.

Zum Gl;ck ist die gute alte Zeit vorbei, als Leute mit Bildungsd;nkel gern ordentlich Latein in ihre Erg;sse einfliessen liessen. Sie glaubten das zu d;rfen, denn quod licet Jovi non licet bovi. Zum Jupiter, der darf, was das Rindvieh nicht darf, fehlte ihnen zuweilen etwas. Daher kam es vor, dass ein Chef vor einer Redeverpflichtung den lateinkundigen Untergebenen seines Vertrauens darum bat, einige passende Zitate ins Manuskript einzuflechten. Heutzutage sind nur noch wenige darauf erpicht, «geb;ldet» zu wirken; lieber will man zeigen, dass man up to date ist (scheint’s ein deutscher Ausdruck, steht im Duden).

Das Publikum zu adressieren (dito), indem man Learnings (dito) mit ein paar Samples (dito) Englisch upgradet (dito) – das reicht l;ngst nicht mehr. Es m;ssen ganze S;tze her, und das sogar in ganz gew;hnlichen Zeitungsartikeln; wer’s nicht versteht, braucht’s ja nicht zu lesen. «Are you kidding?» war nur im Originalton wiedergegeben; ob’s ein Scherz sein solle, bedeutete in einer Reportage aus den USA diese Reaktion eines «Landwirts» (ja tats;chlich, obwohl da «Farmer» gut gepasst h;tte – anders als in manchen Berichten aus armen L;ndern, wo pl;tzlich Kleinbauern so heissen). Thema war der Benzinpreis im Zwischenhoch von «f;nf Dollar pro Gallone». Wie viel das in Franken pro Liter ist, und wie viel mehr als vor- und nachher – das erfuhr man nicht, das weiss man doch auch gerade, wenn man schon Englisch kann.

Angels;chsisch getr;nkt

IAG – in Amerika gewesen, das war eine Spottetikette f;r «Bl;ffer» nach der letzten Jahrhundert­mitte, als so eine ;berseereise noch etwas ganz Besonderes war. Heute ist sie, Medien aller Art sei Dank, nicht einmal mehr n;tig, um mit allerlei Englisch begossen zu werden und dann damit um sich zu spritzen. Gelangt’s in die Zeitung, dann vermutlich nicht einmal zum Posen, also um sich in Pose zu werfen: Wer so schreibt, redet wohl einfach ohnehin so. Zum Beispiel so: «Das Album … macht Sehnsucht nach Liebeskummer. Hurt me, baby, one more time.» Wer die Popmusik-Besprechung liest, kennt ohnehin den Hit von Britney Spears, um den es da aber nicht ging und der auch nicht «hurt», also «verletzen» im Refrain hat, sondern den Schlagaufruf «hit me.»

Was der Musikkritikerin recht ist, ist dem Sportreporter billig: «Und jetzt steht YB in der Champions League …: Football, bloody hell!» Schon fast tr;stlich, dass hier f;r einmal nicht amerikanisches Englisch gepflegt wird, sondern britisches. Da hilft freilich der Duden auch nicht weiter, denn f;r den ist Football ein «amerikanisches Mannschaftsspiel», nicht unser und der Briten Fussball, dem die Champions League gilt. F;rs hiesige Spiel hat der Duden auch Soccer als «amerikanische Bezeichnung» im Sortiment. Dagegen hat «bloody» noch keinen Eingang in den verbrieften deutschen Wortschatz gefunden, anders als das US-Pendant «fucking». Noch versteckt es sich versch;mt hinter F-Wort im Duden. Englisches «hell» wiederum trifft man nicht dort, wohl aber in hiesigen Medien, meist als «what the hell» f;r «was zum Teufel».

Back to the Antike

Noch englischer wird’s gern, wenn Schriftstellernde Kolumnen schreiben d;rfen. Kim de l’Horizon zeigte sich auch in dieser Disziplin preisw;rdig. Ohne Ironie als Shootingstar pr;sentiert, also als dem Verl;schen geweihte Sternschnuppe, schrieb they etwa dies: «Es br;uchte nicht noch ein Textlein ;ber JK Rowlings Irrwege. But it’s just so much fun.» Oder gar mit einer R;ckblende in klassische Gefilde: «Diese alten G;tt*innen waren not all that bin;r & oppressively hetero.» Auch von ihnen l;sst they sich inspirieren: «Ich baue an einem Zwischenboden f;r den Br;ckenkopf der Zwischen­wesen. Join me.» Noch gleichentags schloss sich them in den gleichen Bl;ttern ein journalistischer Kollege an, freilich nur beim Anklang an die Antike: «Ab sofort muss sich der Schweizer Chefunterh;ndler … mit dem Pr;torianer der reinen Lehre des EU-Rechts messen.» In Br;ssel sitzt also einer wie jene Recken, die r;mische Kaiser besch;tzten. Die Typen kennt man doch!

Weiterf;hrende Informationen
Indexeintrag «Anglizismen» in den «Sprachlupen»-Sammlungen: tiny.cc/lupen1 bzw. /lupen2, /lupen3. In den B;nden 1 und 2 (Nationalbibliothek) funktionieren Stichwortsuche und Links nur im herun­tergeladenen PDF.
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