Mythos Stauffenberg

Mythos Stauffenberg: Wie das Attentat seit Jahrzehnten verklaert wird


Mythos Stauffenberg: Wie das Attentat seit Jahrzehnten verkl;rt wird
Stand: 15.07.2024 12:35 Uhr
Am 20. Juli j;hrt sich das sogenannte "Stauffenberg-Attentat" zum 80. Mal. Wie das Stauffenberg-Attentat zum Mythos und als solcher politisch instrumentalisiert wurde, beleuchtet die Hamburger Journalistin Ruth Hoffmann in ihrem Buch "Das deutsche Alibi".

Im Juli 1944 versuchte der Wehrmachtsoffizier Claus Schenk Graf von Stauffenberg in der Wolfsschanze, Adolf Hitler mit einer Bombe zu t;ten. Der Anschlag misslang, der engste Kreis der Verschw;rer wurde noch in derselben Nacht im Berliner Bendlerblock hingerichtet, der gr;;ere Teil am 8. September in Pl;tzensee. "Der 20. Juli hat einfach schon sehr fr;h daf;r herhalten m;ssen, zu zeigen, dass nicht alle Deutschen Nazis gewesen sind", sagt Ruth Hoffmann im Gespr;ch. "Insbesondere hat es in der Wehrmacht auch Offiziere gegeben, die bereit gewesen sind, gegen Hitler aufzustehen."

Ein Denmal zum Gedenken an Stauffenberg  11 Min
20. Juli 1944: Was w;re, wenn...
Panorama berichtet ;ber den Anschlag von Claus Schenk Graf von Stauffenberg auf Adolf Hitler anl;sslich des Gedenktages "20. Juli".
"Der Widerstand war wie ein Stachel im Fleisch"
Ruth Hoffmann © Odile Hain
Ruth Hoffmann hat Ethnologie, Neuere Geschichte und Politik studiert und ist Absolventin der Henri-Nannen-Journalistenschule. Von 2004 bis 2006 war sie Redakteurin beim "stern", seitdem arbeitet sie als freie Journalistin f;r verschiedene Medien.
Mindestens 200 Verschw;rer und mehreren Tausend Mitwisser standen hinter dem Stauffenberg-Attentat. Im Juli 1944 wollten sie das NS-Regime st;rzen und durch eine zivile Regierung ersetzen. Sie galten im Nazi-Reich als "Verr;ter", aber auch noch Jahre sp;ter, sagt Ruth Hoffmann: "Ich glaube, der Widerstand war f;r die Deutschen eine Zumutung, ein Stachel im Fleisch. Es war eben die Erinnerung daran, dass man sich auch anders h;tte verhalten k;nnen. Und dass man von den Verbrechen h;tte wissen k;nnen. Mit beidem wollten sich die Deutschen eigentlich nicht auseinandersetzen."

Es dauerte zehn Jahre, bis die gescheiterten Umst;rzler 1954 in der Bundesrepublik - zumindest offiziell - moralisch anerkannt und vom damaligen Bundespr;sidenten Theodor Heuss zum "christlichen Adel deutscher Nation" stilisiert wurden. Doch das geschah mit Kalk;l und auf Gehei; des damaligen Bundeskanzlers. "Adenauer hat sehr bewusst den Alliierten gegen;ber auf den 20. Juli hingewiesen, um zu sagen: Uns kann man wieder vertrauen. Wir haben zwar gerade die ganze Welt ;berfallen, aber wir k;nnen auch wieder eine neue Armee aufbauen, schlie;lich gab es ja in unserer alten Armee anst;ndige Offiziere," so die Journalistin Ruth Hoffmann. "In diesem Geist sollte dann auch diese neue Armee entstehen. Er hat also auch ;berlebende und Leute aus dem Umkreis des Widerstands damit beauftragt, auch inhaltlich die neuen Streitkr;fte vorzubereiten."

Reichsmarschall Hermann G;ring (helle Uniform) und der Chef der «Kanzlei des F;hrers», Martin Bormann (l), begutachten die Zerst;rung im Raum der Karten-Baracke im F;hrerhauptquartier Rastenburg, wo Oberst Stauffenberg am 20. Juli 1944 eine Sprengladung z;ndete, mit der Absicht Hitler zu t;ten (Archivfoto vom 20.07.1944). Als am 20. Juli 1944 gegen 12.50 Uhr der Sprengsatz in der «Wolfsschanze» detoniert, ging Claus Schenk Graf von Stauffenberg vom Tod des Diktators aus. F;r den Attent;ter schien das gr;;te Hindernis f;r den Sturz der Nazis beseitigt. © picture alliance / dpa Foto:  Heinrich Hoffmann
Attentat vom 20. Juli 1944: Stauffenbergs Bombe soll Hitler t;ten
20. Juli 1944: In Hitlers Hauptquartier explodiert eine Bombe. Doch von Stauffenbergs Versuch, den F;hrer zu t;ten, scheitert.
"Darstellung wie es gerade in den Kram passte"
Im anderen Teil Deutschlands, in der DDR, wurde der 20. Juli anfangs noch ;hnlich gesehen. Doch das ;nderte sich bald. Ruth Hoffmann: "Per Parteidoktrin wurde dann der kommunistische Widerstand als der einzig wahre dargestellt, und den 20. Juli hat man als den Aufstand von reaktion;ren Offizieren abgetan, die eigentlich nur ihre eigene Haut retten wollten."

Ruth Hoffmann, die seit Jahren zum Stauffenberg-Attentat und seiner Rezeption recherchiert, hat festgestellt: "Wenn man so will, haben sich im Laufe der Zeit die unterschiedlichsten politischen Gruppierungen immer das aus dem 20. Juli herausgepickt, was ihnen gerade in den Kram passte, und was zu ihrer jeweiligen politischen Agenda oder ihrer jeweiligen Botschaft passte."

Kinderh;user des NS-Kinderheims in Bad Sachsa inmitten einer Wiese. © Privatsammlung Ralph Boehm
"Sippenhaft": Hitler und seine Rache f;rs Attentat vom 20. Juli 1944
Nachdem das Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 scheitert, richten die Nazis die Widerstandsk;mpfer hin. Deren Kinder verschleppen sie nach Bad Sachsa im Harz.
Widerspr;chliche Narrative der Neuen Rechten
Auch Helmut Kohl hat es getan, als er in den 1980er-Jahren eine "geistig moralische Wende" ausrief und sich dabei unter anderem auf die Verschw;rer rund um Stauffenberg berief. Heute tun es die AfD und die Neue Rechte. "Sie behaupten, sie st;nden in der Tradition Stauffenbergs, weil sie Widerstand gegen ein vermeintlich unfreies System leisten", sagt Hoffmann. "Das ist nat;rlich eine sehr absurde Verdrehung der Begriffe und der historischen Fakten. Gleichzeitig aber sehr klug und sehr klug instrumentalisiert, weil sie auf diese Weise einerseits ihr eigenes Klientel bedienen k;nnen. Sie k;nnen sagen: 'Wir haben hier einen echten Patrioten, der f;r Deutschland gestorben ist. Wir sind diejenigen, die wirklich Widerstand leisten gegen dieses System.' Also gleich zwei Narrative, die da wunderbar reinpassen. Andererseits k;nnen sie sagen: 'Auch wir legen als gew;hlte Partei, die im Bundestag sitzt, einen Kranz zum 20. Juli im Bentlerhof nieder und ehren diese Widerstandsk;mpfer, und werden so unserer demokratischen Pflicht gen;ge."

Ruth Hoffmann schafft es mit ihrem exzellent recherchierten und eing;ngig zu lesenden Buch "Das deutsche Alibi" klar vor Augen zu f;hren: Nicht nur die Verschw;rer des 20. Juli hatten unterschiedliche Motive und Weltanschauungen. Auch die Nachwirkungen des "Stauffenberg-Attentats" sind noch vielseitig: So wird am 80. Jahrestag des Geschehens in der Widerstandsgruppe wohl wieder jeder das sehen, was er oder sie darin sehen m;chte.

Im Gespr;ch mit J;rgen Deppe richtet Ruth Hoffmann den Scheinwerfer auf die bislang weitgehend unterbelichtete Nachgeschichte des Stauffenberg-Attentats - wie sie verkl;rt wurde und politisch genutzt wird. Das ganze Gespr;ch k;nnen Sie online h;ren.

15.07.2024 12:32 Uhr
In einer fr;heren Version dieses Artikels wurde Claus Schenk Graf von Stauffenberg irrt;mlich als SS-Mitglied bezeichnet. Dies ist nicht korrekt. Vielen Dank an unsere User*innen, die uns darauf aufmerksam gemacht haben. Wir m;chten uns f;r diesen Fehler entschuldigen. Wir haben den Text inzwischen korrigiert.


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