Wer brauchen ohne zu gebraucht
Von Peter Schmachthagen
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Ein einzelnes Wort steht hier in der Klemme zwischen den Modalverben und dem Wei;wurst-Konjunktiv.
„Wer brauchen ohne zu gebraucht, braucht brauchen ;berhaupt nicht zu gebrauchen“, schreibt mir ein Leser und f;hrt fort: „Diese Eselsbr;cke haben uns unsere Lehrer schon vor mehr als 50 Jahren eingebimst – sie wird aber im TV und teilweise auch in der Presse bedauerlicherweise und offenbar wegen Unwissenheit vergessen. Mich st;rt das au;erordentlich.“
Mich st;rt das auch, aber die Bitte des Lesers, die korrekte Grammatik k;nftig in allen Medien durchzusetzen, ;berfordert einen Kolumnisten. Die Grammatik passt sich im t;glichen Gebrauch an und schleift sich ab. Die Sprache entwickelt sich, bis schlie;lich gilt, was gesprochen wird, und nicht das, was gesprochen werden sollte. Wenn das nicht so w;re, w;rden wir heute noch so reden wie die Goten beim Kampf um Rom.
Dass „brauchen“ mit Infinitiv in der ;ffentlichkeit zunehmend sein „zu“ verliert, liegt am Beispiel der Modalverben m;ssen, d;rfen, k;nnen, sollen, wollen und m;gen, die eine Aussage modifizieren, und zwar ohne „zu“: Er hat nicht laufen m;ssen. In diese Reihe schiebt sich nun unser „brauchen“, aber mit „zu“: Er hat nicht zu laufen brauchen.
Es ist hochsprachlich nicht korrekt, aber nachvollziehbar, wenn die Umgangssprache eine Angleichung vornimmt. In der geschriebenen Sprache wird das „zu“ vor dem Infinitiv noch gesetzt, und Sie sollten es selbst beim Reden gebrauchen, um zu vermeiden, dass Ihr an die korrekte Grammatik gew;hnter Gespr;chspartner zusammenzuckt.
Wer wie ich als Kind vom Vater oder Lehrer immer wieder unterbrochen worden ist, sobald er ein „brauchen“ ohne „zu“ gebraucht hat, kann auch heute einer Fu;ball;bertragung nicht entspannt folgen, wenn der Reporter „Reus h;tte nicht abgeben brauchen!“ ruft. Ich erwische mich schon einmal dabei, dass ich dem Fernsehapparat ein scharfes „zu“ entgegenschleudere und dabei verpasse, dass G;tze inzwischen den Ausgleich geschossen hat.
Das Verb „brauchen“ stellt nur ein einziges Wort im riesigen deutschen Wortschatz dar, doch es ist mit so vielen Ausnahmen behaftet, dass wir damit eine ganze „Deutschstunde“ f;llen oder die Teilnehmerzahl am Volkshochschulkursus „Deutsch f;r Ausl;nder“ stark lichten k;nnten.
Das Verb „brauchen“ wird wie die Modalverben nach dem Infinitiv eines Vollverbs nicht im Partizip II, sondern im Infinitiv eingesetzt: Er hat nicht zu schie;en brauchen (nicht: gebraucht). Entsprechend modal: Er h;tte nicht schie;en m;ssen (nicht: gemusst). Diese allein korrekte Form, bei der der Infinitiv ein Partizip ersetzt, nennt man den Ersatzinfinitiv.
In der gehobenen Sprache kann das Objekt bei „brauchen“ im Genitiv stehen: Dazu braucht es keines Beweises. Diese Formulierung ist immer seltener zu finden. Der Akkusativ erobert auch hier die Umgangssprache: Dazu braucht es nur einen Ansto;.
Unzul;ssig ist es, in der 3. Person Singular das -t wegzulassen, wie man es auf der Stra;e immer wieder h;rt („er brauch“ statt er braucht), wobei auf diesem Sprachniveau auch gleich das „zu“ verschluckt wird. So weit kann die Angleichung an die t-losen Formen der Modalverben er darf, er muss, er soll nicht gehen.
Der Konjunktiv II der schwachen Verben kennt keinen Umlaut! Es hei;t brauchte, brauchtest und nicht „br;uchte, br;uchtest“, obwohl dieser Wei;wurst-Konjunktiv aus S;ddeutschland wie s;;er Senf auf unserer Sprache klebt. ;brigens „brauchen“ (benutzen) wir unsere Ellbogen oder unseren Verstand. Nicht korrekt w;re das Verb „gebrauchen“ im Sinne von „n;tig haben“: Ich brauche (ben;tige) viel Geld f;r den Kauf der Rheumadecke w;hrend der Kaffeefahrt, obwohl ich diesen Schund nie gebrauchen (benutzen) werde. Was sagt doch der Norddeutsche, wenn man ihn dr;ngt: „Das brauchen Sie unbedingt!“? Er antwortet: „Dor schiet ik op!“ Auf eine w;rtliche ;bersetzung wollen wir in diesem Fall verzichten.
Der Verfasser ist Sprachautor und fr;herer Chef vom Dienst des Abendblatts. Seine Kolumne erscheint dienstags.
Der Verfasser ist Sprachautor und fr;herer Chef vom Dienst des Abendblatts. Seine Kolumne erscheint dienstags.
© Klaus Bodig
Peter Schmachthagen schreibt hier w;chentlich ;ber die T;cken der deutschen Sprache. Sie erreichen den Autor unter deutschstunde@t-online.de.
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