Dreckfuhler

Martin Heildegger ... "

Liliputins. What, the heck, is this?
http://stihi.ru/2021/11/24/7101

***
Dreckfuhler


Translation of "Dreckfuhler" in English
Dreck
dirtmudfilthmessgrime
Wenn Sie sich nicht sicher sind, setzen Sie eine Anmerkung in den Text unmittelbar neben den Dreckfuhler[*typo for Druckfehler?
Place a note in the text next to a printer's erorr[*typo for error?
;ndern Sie etwas, so erklaeren Sie mit einer Anmerkung, was Sie geaendert haben: [*typo "Dreckfuhler" fixed].
If you do make a change, include a note describing what you changed: [*typo "erorr" fixed].

***
Eine breite Rezeption machte Heidegger zu einem der einflussreichsten Philosophen des 20. Jahrhunderts. Gleichwohl ist sein Werk inhaltlich umstritten. Vornehmlich ist sein nationalsozialistisches Engagement bis heute Gegenstand kontroverser Debatten. Heidegger war von 1933 bis 1945 Mitglied der NSDAP und 1934 eines der Gruendungsmitglieder des von Hans Frank geleiteten Ausschusses fuer Rechtsphilosophie der nationalsozialistischen Akademie fuer Deutsches Recht. Durch die Publikation der Schwarzen Hefte 2014/2015 als Teil seines Gesamtwerks wurden u. a. bisher unbekannte antisemitische Aeusserungen oeffentlich.


***
Der Fall Martin Heidegger, Philosoph und Nazi
Alex Steiner
28. April 2000
Die Bestandsaufnahme
Martin Heidegger (1889-1976) wird von vielen als einer der Titanen der Philosophie im zwanzigsten Jahrhundert angesehen. Er erwarb sich internationalen Ruf mit dem Erscheinen von Sein und Zeit im Jahre 1927. Der junge J;rgen Habermas charakterisierte das Buch als "das bedeutendste philosophische Ereignis seit Hegels Ph;nomenologie..." [1]

Der Erfolg von Sein und Zeit war unmittelbar und sein Einfluss umfassend. Viele Str;mungen der zeitgen;ssischen Philosophie in den letzten 70 Jahren wurden vom Werk Heideggers inspiriert und sind in einigen F;llen direkt aus ihm hervorgegangen. Unter ihnen k;nnen wir den Existentialismus, die Hermeneutik, den Postmodernismus und den ;ko-Feminismus und zahlreiche Trends der Psychologie, Theologie und Literatur erw;hnen. Seine Schriften beeinflussten so unterschiedliche Denker wie Herbert Marcuse, Jean-Paul Satre, Jaques Derrida, Paul Tillich und zahllose andere. Heideggers bemerkenswerte Laufbahn als Professor der Philosophie an der Universit;t Freiburg wurde von einem au;ergew;hnlichen Ereignis in seinem Leben verdorben. Nach Hitlers Macht;bernahme im Jahre 1933 wurde aus Heidegger, dem Philosophen mit Weltruf, Heidegger der Nazi mit der Mitgliedsnummer 3125894 auf dem Parteiausweis.

Die Diskussion ;ber Heideggers Verh;ltnis zum Nationalsozialismus ist in letzter Zeit ;ber akademische Fachzeitschriften hinausgegangen und zum Thema in der popul;ren Presse und den Massenmedien geworden. Im vergangenen Jahr strahlte die BBC eine Fernsehserie ;ber drei Philosophen, die unsere Epoche stark beeinflusst haben, Nietzsche, Heidegger und Satre, aus. Die Folge ;ber Heidegger kam nicht umhin, seine Unterst;tzung f;r den Nationalsozialismus zu diskutieren. Ende letzten Jahres ver;ffentlichte die New York Review of Books einen Artikel ;ber die Beziehung zwischen Heidegger und seinen Kollegen Karl Jaspers und Hannah Arendt.

All diese ;ffentliche Aufmerksamkeit f;r das, was zuvor ein dunkles Kapitel im Leben eines sehr bekannten Philosophen war, hat eine Welle der Best;rzung verursacht. Zum Beispiel schrieb ein Zuschauer der BBC-Serie ;ber sein Entsetzen, dass "die Tiefe seiner [Heideggers] Zusammenarbeit mit den Nazis erst in j;ngster Zeit [...] herausgebracht wurde". Die lang anhaltende Kurzsichtigkeit im Fall von Heidegger kann direkt einer systematischen Verschleierung zugeschrieben werden, die von Heidegger selbst w;hrend und nach seiner Zeit als Nazi betrieben wurde und von seinen Sch;lern und Verteidigern bis heute fortgef;hrt wird. Bevor wir die Geschichte der Vertuschung untersuchen, die selbst ein langes und faszinierendes Kapitel in den Annalen der historischen F;lschung darstellt, werden wir uns zun;chst mit den Tatsachen der Beziehung Heideggers zu den Nazis besch;ftigen.

Die Tatsachen k;nnen seit der Ver;ffentlichung des Buches Heidegger und der Nationalsozialismus von Victor Far;as im Jahre 1987 nicht l;nger ernsthaft bestritten werden. [2] Far;as ist ein in Chile geborener Student Heideggers, der ein Jahrzehnt damit verbrachte, praktisch s;mtliche relevante Dokumente in Bezug auf Heideggers Aktivit;ten in den Jahren 1933 bis 1945 ausfindig zu machen. Viele dieser Dokumente wurden in den Archiven der ehemaligen DDR und im Documentation Center des fr;heren West-Berlins gefunden. Far;as Buch stellt einen Meilenstein dar und seit seiner Ver;ffentlichung sind eine Reihe von B;chern und Artikeln erschienen, die die Fragen im Zusammenhang mit Heideggers Unterst;tzung f;r den Nationalsozialismus untersuchen. Eine ausgezeichnete Zusammenfassung des historischen Materials kann in einem Artikel aus dem Jahr 1988, Heidegger and the Nazis, gefunden werden. [3]

Heidegger wurde im schw;bischen Ort Messkirch geboren und wuchs dort auf. Die Region war ;konomisch r;ckst;ndig, dominiert von kleinb;uerlicher Landwirtschaft und kleinen Fabriken. Die Politik der Region war erf;llt von einem volkst;mlichen Katholizismus, der in enger Verbindung zum deutschen Nationalismus, Xenophobie und Antisemitismus stand. Moderne Kultur und die damit verbundenen Ideale des Liberalismus wie auch des Sozialismus wurden als Tods;nden angesehen. Die Sozialdemokratische Partei und ihr wachsender Einfluss in ganz Deutschland wurde in dieser Region als "Hauptfeind im Inneren" betrachtet. In den nachfolgenden Jahrzehnten wurde diese Gegend zu einer der Bastionen der Unterst;tzung f;r den Nationalsozialismus.

Heideggers Familie entstammte der unteren Mittelklasse. Seine Mutter war b;uerlicher Herkunft und sein Vater Handwerker. Er war ein vielversprechender Sch;ler und erhielt ein Stipendium f;r den Besuch einer weiterf;hrenden Schule in Konstanz. Dort besuchte er eine Schule, die auf das Noviziat vorbereitete. Die Schule war von der katholischen Kirche als Bastion der Konservatismus gegen den wachsenden Einfluss von Liberalismus und Protestantismus in der Region eingerichtet worden. Nichtsdestotrotz verschrieben sich einige s;kulare Fakult;ten der Schule demokratischen und fortschrittlichen Idealen. Ihre Vorlesungen waren unter den beliebtesten an der Schule. Wir wissen nicht genau, wie diese progressiven Ideen von dem jungen Heidegger aufgenommen wurden. Wir wissen, dass er in einer fr;hen und pr;genden Periode bereits mit dem Wechselspiel der Ideen, die in diesem Teil Deutschlands um die Vorherrschaft k;mpften, konfrontiert war. Wir wissen auch, dass Heidegger zu der Zeit als er seine Hochschulreife erhielt, den Ruf Priester zu werden zur;ckwies und sich f;r eine akademische Laufbahn entschied. Auch war er stark verwickelt in die Partei- und Kulturk;mpfe seiner Zeit. Als er Anfang Zwanzig war, war er Anf;hrer einer Studentenbewegung, die die Ideale des rechten katholischen Populismus vertrat.

Die reaktion;ren und xenophobischen Kr;fte in der Region wurden infolge des Ersten Weltkriegs und der russischen Revolution gest;rkt. Das Ergebnis des Krieges, festgeschrieben im Versailler Vertrag, bedeutete nicht nur eine erniedrigende Niederlage f;r die Nationalisten, sondern auch den Verlust von Gebieten an Frankreich. Die verlorenen Gebiete wurden zur Cause c;l;bre in rechten, nationalistischen Kreisen nach dem Krieg. Die russische Revolution auf der anderen Seite inspirierte die Arbeiterklasse in Deutschland, aber unter den gr;;tenteils katholischen Bauern im l;ndlichen S;ddeutschland verbreitete sie Angst und Schrecken. Ein Gef;hl der Krise im welthistorischen Ausma; bestimmte die Ideologie der rechts-nationalistischen Bewegung in dieser Zeit. Dieser Zeitgeist wurde von dem Philosophen Oswald Spengler, der wiederum von Friedrich Nietzsche beeinflusst war, zum Ausdruck gebracht. Wir wissen, dass Heidegger zu Beginn seiner Laufbahn Sympathien f;r den nationalistischen Standpunkt hegte. Es ist auch erwiesen, dass das Gef;hl der Krise, das in diesem historischen Kontext auftrat, ein Thema wurde, das sich Heidegger als Philosoph in seiner gesamten Laufbahn bewahrte.

Dokumente belegen, dass Heidegger bereits 1932 Sympathie f;r die Nazis bekundete. Wenn man seine Vorgeschichte betrachtet, sollte einen dies nicht verwundern. Unmittelbar nach Hitlers Macht;bernahme trat Heidegger den Nationalsozialisten bei. Heidegger war ein Beitrag zahlendes Mitglied der NSDAP von 1933 bis 1945. Er wurde Rektor der Freiburger Universit;t im April 1933, drei Monate nachdem Hitler an die Macht gekommen war. Seine sch;ndliche Antrittsrede hielt er am 27. Mai 1933. Heideggers Verteidiger haben behauptet, dass dieses Gru;wort einen Versuch darstellte, die Autonomie der Universit;t zu behaupten gegen die Anstrengungen der Nazis, die Wissenschaft ihrer reaktion;ren Doktrin unterzuordnen.

Tats;chlich aber war die Rede ein Ruf zu den Waffen f;r die Studentenschaft und die Fakult;t, um dem neuen nationalsozialistischen Regime zu dienen. Sie feierte den Aufstieg der Nazis als "den Marsch, den unser Volk in seine k;nftige Geschichte angetreten hat". Heidegger identifiziert die deutsche Nation mit dem nationalsozialistischen Staat in Worten von dem Volk, das sich selbst in "seinem" Staat wei;. Es gibt sogar einen Hinweis auf die faschistische Ideologie des zoologischen Determinismus, wenn Heidegger "die Macht der tiefsten Bewahrung seiner [des Volks] erd- und blutnahen Kr;fte" beschw;rt. [4]

Am 30. Juni 1933 hielt Heidegger eine Rede vor der Heidelberger Studentenvereinigung, in der er seine Sicht auf die Rolle der Universit;t in der neuen nationalsozialistischen Ordnung darstellte. Der folgende Auszug wirft ein Schlaglicht auf Heideggers Bindung an die nationalsozialistischen Ideale von Blut, Rasse und absoluter Unterw;rfigkeit gegen;ber dem F;hrer.

Heidegger empfahl in seiner Rede, die Universit;ten in die Volksgemeinschaft einzugliedern und mit dem Staat zu verbinden. Die Universit;ten m;ssten dazu jedoch auf den Stil ihrer Forschung verzichten, dem jede Grenze aus dem Blick ger;ckt sei und der sich selbst betr;ge mit der Vorspiegelung eines internationalen Fortschritts der Wissenschaft.

"Dagegen ist ein scharfer Kampf zu f;hren im nationalsozialistischen Geist, der nicht ersticken darf durch humanisierende, christliche Vorstellungen...

Von der Arbeit f;r den Staat kommt keine Gefahr, nur von Gleichg;ltigkeit und Widerstand. Deshalb soll nur die echte Kraft die M;glichkeit zum rechten Weg haben, aber keine Halbheit."

Das Studium m;sse "wieder ein Wagnis werden, kein Schutz f;r die Feigen. Wer den Kampf nicht besteht, bleibt liegen. Der neue Mut muss sich zur Stetigkeit gew;hnen, denn der Kampf um die Erziehungsst;tten der F;hrenden wird lange dauern. Er wird gek;mpft aus den Kr;ften des neuen Reichs, das der Volkskanzler Hitler zur Wirklichkeit bringen wird. Ein hartes Geschlecht ohne den Gedanken an Eigenes muss ihn bestreiten, das aus st;ndiger Pr;fung lebt und zu dem Ziel, dem es sich verschrieb. Der Kampf geht um die Gestalt des Lehrers und F;hrers an der Universit;t." [5]

Nach dem Krieg versuchte Heidegger ein entlastendes Bild von seiner Zeit als Rektor zu entwerfen und behauptete, dass er die Integrit;t der Universit;t verteidigt habe gegen die Versuche der Nazis, sie f;r ihre politischen Zwecke zu nutzen. Sein Pech war, dass diese und andere Reden von ihm Beweisst;cke darstellen, die sein angestrebtes Alibi zunichte machten.

Dokumente aus Heideggers Periode als Rektor markieren folgende Ereignisse:

Am 21. August 1933 setzte Heidegger das F;hrerprinzip in Freiburg durch. Dies bedeutete, dass der Rektor nicht mehr wie ;blich von der Fakult;t gew;hlt, sondern fortan vom nationalsozialistischen Erziehungsminister ernannt wurde. Mit dieser Stellung besa; der F;hrerrektor uneingeschr;nkte Autorit;t ;ber das universit;re Leben. Am 1. Oktober 1933 erreichte er sein Ziel, als er offiziell zum F;hrer der Freiburger Universit;t ernannt wurde. F;r Heidegger war dies ein Meilenstein in seinem Bestreben, der f;hrende Philosoph des Naziregimes zu werden. Er stellte sich eine Beziehung vor, in der er der Hofphilosoph Hitlers w;re.

Am 4. September 1933, in Antwort auf einen Ruf der Universit;t M;nchen, schrieb er: "Ich bin noch nicht gebunden, nur das wei; ich, dass ich unter Zur;ckstellung alles Pers;nlichen mich f;r die Aufgabe entscheiden muss, durch deren Erf;llung ich dem Werk Adolf Hitlers am besten diene." [6]

Am 3. November 1933 erlie; Heidegger in seiner Rolle als F;hrerrektor ein Dekret, das die Rassengesetze der Nazis auf die Studentenschaft der Universit;t anwandte. Der Kern des Erlasses bestand in der Gew;hrung von Verg;nstigungen f;r Studenten, die der SS, der SA und anderen Wehrverb;nden angeh;rten. J;dischen oder marxistischen Studierenden und jedem, der nach den Gesetzen der Nazis als Nicht-Arier angesehen wurde, wurde finanzielle Hilfe verweigert. [7]

Am 13. Dezember 1933 bat Heidegger bei deutschen Akademikern um Spenden f;r die Herausgabe eines Buches mit Pro-Hitler-Reden, das weltweit vertrieben werden sollte. Am Ende des Briefes merkte er an: "Es bedarf keines besonderen Hinweises, dass Nichtarier auf dem Unterschriftenblatt nicht erscheinen sollen." [8]

Am 22. Dezember 1933 schrieb Heidegger dem badischen Kultusminister mit dem dringenden Anliegen, dass bei der Auswahl der Bewerber f;r eine Professur danach entschieden werden solle, welcher Kandidat dem nationalsozialistischem Regime und seiner Vorstellung von Erziehung am n;chsten st;nde. [9]

Die Dokumente zeigen auch, dass Heidegger, w;hrend er ;ffentlich die Sache der Nazis lobpreiste, im Privaten daran arbeitete, die Karriere von Studenten und Kollegen zu zerst;ren, die j;discher Herkunft waren oder ihm in ihren politischen Ansichten suspekt erschienen. Unter den erdr;ckenden Beweisen, die gefunden wurden, finden sich folgende F;lle:

Hermann Staudinger, ein Professor f;r Chemie in Freiburg, dem sp;ter, im Jahre 1953, der Nobelpreis verliehen wurde, wurde von Heidegger heimlich aufgrund seines Pazifismus im Ersten Weltkrieg denunziert. Diese Information wurde dem ;rtlichen Kultusminister am 10. Februar 1934 ;bermittelt. Staudinger wurde mit dem Verlust seiner Arbeit und seiner Pension konfrontiert. Einige Wochen sp;ter setzte Heidegger sich beim Minister f;r eine mildere Strafe ein. Diese Handlung war nicht durch ein schlechtes Gewissen oder pl;tzliches Mitleid motiviert, sondern einfach eine taktische Reaktion, da Heidegger f;rchtete, dass die Entlassung eines sehr bekannten Akademikers international Aufmerksamkeit erregen k;nnte. Er schrieb dem Minister, dass seine Bitte, Staudinger nur in den Ruhestand zu versetzen, an seiner Einsch;tzung der Sache selbst nichts ;ndere; es gehe allein darum, neuerliche Komplikationen mit dem Ausland zu vermeiden. Das Ministerium zwang Staudinger, einen Antrag auf Entlassung zu unterschreiben. Dieser Antrag lag sechs Monate bei den Akten, bevor das Ministerium, da keine "neuerliche[n] Bedenken" aufgetaucht waren, Staudinger zugestand, seinen Antrag zur;ckzuziehen, und ihn wieder in seine Position einsetzte. [10]

Der Fall von Eduard Baumgarten bietet ein anderes Beispiel f;r den krassen Opportunismus und die Rachsucht, die von Heidegger an den Tag gelegt wurde. Baumgarten war ein Student der amerikanischen Philosophie, der an der Universit;t von Wisconsin in den 20-er Jahren Vorlesungen gehalten hatte. Er kehrte nach Deutschland zur;ck, um unter Heidegger zu studieren, und die zwei M;nner schlossen eine enge Freundschaft. Im Jahr 1931 entbrannte allerdings ein pers;nlicher Streit unter ihnen, nachdem sich Heidegger gegen Baumgartens Werk ;ber den amerikanischen Pragmatismus gewandt hatte. Baumgarten verlie; Freiburg, um amerikanische Philosophie an der Universit;t von G;ttingen zu unterrichten. Am 16. Dezember 1933 ;bernahm Heidegger einmal mehr die Rolle des Denunzianten und schrieb einen Brief an den Kopf der nationalsozialistischen Professoren in G;ttingen, der wie folgt lautete: "Dr. Baumgarten kommt verwandtschaftlich und seiner geistigen Haltung nach aus dem liberal-demokratischen Heidelberger Intellektuellenkreis um Max Weber. W;hrend seines hiesigen Aufenthalts [in Freiburg] war er alles andere als ein Nationalsozialist. Ich bin ;berrascht zu h;ren, dass er in G;ttingen Privatdozent ist, denn ich kann mir nicht denken, aufgrund welcher wissenschaftlichen Leistungen er zur Habilitation zugelassen wurde. Nachdem Baumgarten bei mir gescheitert war, verkehrte er sehr lebhaft mit dem fr;her in G;ttingen t;tig gewesenen und nunmehr hier entlassenen Juden Fr;nkel." [11]

Dr. Vogel, der Empf;nger dieses Briefes, beurteilte ihn als "hassgeladen, unbrauchbar" und weigerte sich, den Brief zu verwenden. Sein Nachfolger allerdings sandte ihn an den Minister f;r Erziehung in Berlin, der Baumgarten entlie; und ihm empfahl, das Land zu verlassen. Baumgarten hatte das Gl;ck, eine Kopie von dem Brief Heideggers durch einen sympathisierenden Sekret;r zu erhalten. Nur aufgrund dieser Umst;nde existiert dieses Beweisst;ck heute noch. Es ist unm;glich abzusch;tzen, wie viele andere vergiftete Briefe von Heidegger in dieser Zeit geschrieben wurden. Baumgarten bekam seine Arbeit zur;ck, nachdem er an die nationalsozialistischen Autorit;ten appelliert hatte. Diese Tatsachen wurden im Zuge der Anh;rungen zur Entnazifizierung im Jahre 1946 ans Licht gebracht.

Man k;nnte noch den Zwischenfall mit Max M;ller erw;hnen. M;ller, der nach dem Krieg ein bekannter katholischer Intellektueller wurde, war einer von Heideggers besten Studenten in den Jahren 1928 bis 1933. Er war auch ein Gegner des Nationalsozialismus. Er h;rte auf, Heideggers Vorlesungen zu besuchen, nachdem letzterer am 1. Mai 1933 der NSDAP beigetreten war. Einige Monate sp;ter nutzte Heidegger seine Autorit;t als F;hrerrektor, um M;ller von seiner Position als Studentenf;hrer zu entfernen. Aber das war noch nicht das Ende der Geschichte. 1938 intervenierte Heidegger, obwohl er nicht mehr Rektor war, ein weiters Mal bei den Autorit;ten, um zu verhindern, dass M;ller einen Lehrauftrag in Freiburg bekam. Er schrieb an die Universit;tsverwaltung, dass M;ller gegen;ber dem Regime "negativ eingestellt" sei. Dieser eine Satz bedeutete effektiv das Ende von M;llers akademischer Laufbahn. M;ller wandte sich an Heidegger pers;nlich und bat ihn, den belastenden Satz aus seiner Empfehlung zu streichen. Heidegger spielte die Rolle des Pilatus, weigerte sich dies zu tun und belehrte M;ller, indem er dessen Katholizismus ansprach: "Als Katholik m;ssten Sie wissen, dass man die Wahrheit sagen muss." [12]

Zuletzt gibt es den Fall vom Umgangs Heideggers mit seinem ehemaligen Lehrer Edmund Husserl. Husserl gr;ndete die philosophische Schule der Ph;nomenologie und genoss einen internationalen Ruf, der dem Heideggers gleichkam. Husserl war au;erdem Jude. Er fiel unter den Erlass der Rassengesetzen und ihm wurde verweigert, die Universit;tsbibliothek in Freiburg zu benutzen. Bei der Umsetzung der Nazierlasse tat Heidegger nicht nur einfach seine Pflicht als nationalsozialistischer F;hrerrektor. Es gibt zahlreiche Beweise, die vermuten lassen, dass er begeistert eine Mission erf;llte, mit der er sich identifizierte. Nach dem Zeugnis der Witwe des Philosophen Ernst Cassirer war Heidegger pers;nlich ein Antisemit. In den letzten Jahren sind andere Beweise ans Licht gekommen, die vermuten lassen, dass Heideggers Antisemitismus nach dem Krieg nicht verschwand. Ein Augenzeuge, Rainer Marten, gab ein Gespr;ch mit Heidegger gegen Ende der 50-er Jahre wieder, in dem der ber;hmte Professor seine Besorgnis ;ber die Erneuerung des j;dischen Einflusses in den philosophischen Abteilungen der deutschen Universit;ten Ausdruck gab. [13]

Heideggers Verteidiger, zuletzt R;diger Safranski, haben versucht, ihn von jeder pers;nlichen Verantwortung f;r das Schicksal von Husserl freizusprechen. Sie stellen heraus, dass Heidegger niemals einen Erlass unterzeichnete, der spezifisch Husserls Zugang zur Universit;t beschr;nkte. [14] Aber diese in ihrer Konstruktion beschr;nkte Verteidigung entbindet Heidegger kaum von seiner Komplizenschaft als Durchf;hrender der antij;dischen Erlasse der Nazis; Erlasse, von denen er wusste, dass sie vernichtende Folgen f;r fr;here Freunde und Kollegen haben w;rden. Sie gibt ebenfalls keine m;gliche Erkl;rung, die Heidegger befreien w;rde von der sch;ndlichen Tat, dass er bei der Neuauflage seines Werkes Sein und Zeit im Jahre 1941 die Widmung an seinen Mentor Husserl entfernte.

Nach dem Krieg machte Heidegger viel aus der Tatsache, dass er von seinem Posten als Rektor nach dem 30. Juni 1934 zur;cktrat. Dies fiel zusammen mit der ber;chtigten "Nacht der langen Messer", ein von Kr;ften, die loyal gegen;ber Hitler waren, veranstaltetes dreit;giges Blutbad, in dem Ernst R;hm und ;ber einhundert seiner SA-Leute ermordet wurden. Heidegger bestand sp;ter darauf, dass er nach diesem Tag endg;ltig mit dem Nationalsozialismus gebrochen habe. Doch in einer Vorlesung ;ber Metaphysik ein Jahr nach diesem Ereignis verwies Heidegger ;ffentlich auf die "innere Wahrheit und Gr;;e" des Nationalsozialismus:

"Was heute vollends als Philosophie des Nationalsozialismus herumgeboten wird, aber mit der inneren Wahrheit und Gr;;e dieser Bewegung (n;mlich mit der Begegnung der planetarisch bestimmten Technik und des neuzeitlichen Menschen) nicht das Geringste zu tun hat, das macht seine Fischz;ge in diesen tr;ben Gew;ssern der ;Werte‘ und der ;Ganzheiten‘."[15]

Es ist auch wahr, dass sich Heidegger von bestimmten Aspekten des Nationalsozialismus zu distanzieren begann. Far;as argumentiert in seinem Buch ;berzeugend, dass Heidegger nach 1934 der existierenden Nazipartei eine idealisierte Version des Nationalsozialismus als Alternative gegen;berstellte. Nach Far;as identifizierte Heidegger diesen utopischen Nationalsozialismus mit der unterlegenen R;hm-Fraktion. Die These von Heideggers Beziehung zu R;hm hat eine gro;e Kontroverse hervorgerufen und konnte nie zufriedenstellend gekl;rt werden. Es ist allerdings eine unbestreitbare Tatsache, dass Heidegger an eine Form des Nationalsozialismus, "die innere Wahrheit dieser Bewegung", bis zu seinem Todestag glaubte.

Es gibt eine weitere biografische Tatsache, ;ber die die Verteidiger Heideggers nicht hinweggehen k;nnen. Heidegger war sein Leben lang der Freund eines Mannes namens Eugen Fischer. Fischer war in den ersten Jahren der Naziherrschaft als f;hrender Bef;rworter der Rassengesetze aktiv. Er war der Leiter des Instituts f;r Rassenhygiene in Berlin, das die Rassentheorien der Nazis propagierte. Einer der "Forscher" an seinem Institut war der ber;chtigte Dr. Joseph Mengele. Fischer war einer der geistigen V;ter der nationalsozialistischen "Endl;sung". Heidegger bewahrte eine herzliche Beziehung zu Fischer zumindest bis ins Jahr 1960, in dem er Fischer ein Weihnachtsgeschenk mit Gr;;en sandte. Es scheint nicht vermessen, anzunehmen, dass Heidegger aufgrund seiner pers;nlichen Beziehung zu Fischer zu einem sehr fr;hen Zeitpunkt von den V;lkermordpl;nen der Nazis gewusst haben k;nnte. [16]

Die Bestandesaufnahme zeigt, dass Heidegger nach dem Krieg seine Unterst;tzung f;r die Nazis niemals ;ffentlich oder privat als Unrecht oder Schuld anerkannt hat. Und dies obwohl er von ehemaligen Freunden, darunter Karl Jaspers und Herbert Marcuse, gedr;ngt wurde, sich nun, nachdem er sicher war, gegen die vielen vom Naziregime begangenen Verbrechen auszusprechen. Heidegger tat dies nie. In einem Vortrag vom 1.Dezember 1949 verwies er allerdings fl;chtig auf den Holocaust. Er sagte:

"Ackerbau ist jetzt motorisierte Ern;hrungsindustrie, im Wesen das Selbe wie die Fabrikation von Leichen in Gaskammern und Vernichtungslagern, das Selbe wie die Blockade und Aushungerung von L;ndern, das Selbe wie die Fabrikation von Wasserstoffbomben." [17]

Indem er die Probleme der mechanisierten Landwirtschaft mit dem Holocaust gleichsetzte und dabei den letzteren bagatellisierte, demonstrierte Heidegger seine Verachtung f;r die j;dischen Opfer der Nazis. Wir kommen auf dieses Thema sp;ter zur;ck, wenn wir Heideggers Philosophie untersuchen.

Nach dem Krieg entschloss sich Heidegger in erster Linie Schweigen zu bewahren ;ber seine Aktivit;ten zugunsten der Nazis. Die wenigen Gelegenheiten, bei denen Heidegger eine ;ffentliche Stellungnahme wagte, waren bemerkenswert. Der erste Fall, in dem er ;berhaupt eine Einsch;tzung dieser Periode abgab, war ein eigenn;tziges Dokument, das er f;r die Entnazifizierungskommission geschrieben hatte. Wir werden dies im kommenden Teil der Artikelserie kommentieren. Die wichtigste Stellungnahme Heideggers in der Nachkriegszeit zu seinen politischen Aktivit;ten in der Vorkriegszeit war ein Interview mit dem Magazin Der Spiegel aus dem Jahre 1966. Weil Heidegger darauf bestand, wurde das Interview erst nach seinem Tod 1976 ver;ffentlicht. Ein gro;er Teil der Diskussion dreht sich um die Frage der Technologie und die Bedrohung, die eine unbeschr;nkte Technologie f;r den Menschen darstellt. An einem Punkt sagt Heidegger:

"Es ist f;r mich heute eine entscheidende Frage, wie dem heutigen technischen Zeitalter ;berhaupt ein - und welches - politisches System zugeordnet werden kann. Auf diese Frage wei; ich keine Antwort. Ich bin nicht ;berzeugt, dass es die Demokratie ist." [18]

Nachdem er eine ahistorische Vorstellung von der Technologie als absoluter Fluch f;r die Existenz der Menschheit entwickelt hat, erkl;rt Heidegger dann, wie er die nationalsozialistische L;sung dieses Problems begreift:

"[I]ch sehe gerade die Aufgabe des Denkens darin, in seinen Grenzen mitzuhelfen, dass der Mensch ;berhaupt erst ein zureichendes Verh;ltnis zum Wesen der Technik erlangt. Der Nationalsozialismus ist zwar in die Richtung gegangen; diese Leute aber waren viel zu unbedarft im Denken, um ein wirklich explizites Verh;ltnis zu dem zu gewinnen, was heute geschieht und seit drei Jahrhunderten unterwegs ist." [19]

Es kann nicht bestritten werden, dass Heidegger zum Zeitpunkt seines Todes den Nationalsozialismus als eine politische Bewegung ansah, die in die richtige Richtung gegangen war. Wenn sie versagt hatte, dann weil seine F;hrer nicht radikal genug ;ber das Wesen der Technologie dachten.

Die Vertuschung
Nachdem wir bereits die einschl;gigen Fakten in Bezug auf die Laufbahn des deutschen Philosophen Martin Heidegger betrachtet haben, wenden wir uns nun den Mythen und Ausreden zu, auf denen sein Ruf nach dem Krieg aufbaute. Die offizielle Version der Geschichte, die von Heidegger und seinen Unterst;tzern vorgetragen wurde, besagt, dass seine Zuwendung zu den Nazis im Jahre 1933 ein jugendlicher Fehler gewesen sei, ein kurzer Flirt eines Akademikers, der in Fragen der Politik und weltlichen Angelegenheiten unbedarft war. Die Geschichte f;hrt fort, dass innerhalb weniger Monate der junge Philosoph seinen Fehler bemerkte, von seinem Posten als Rektor der Freiburger Universit;t zur;cktrat und fortan jede Teilnahme an Aktivit;ten der Nationalsozialisten verweigerte. Weiterhin besagt die Legende, dass Heidegger sogar in seiner Zeit als Rektor versuchte, die Integrit;t der Universit;t vor den schlimmsten Verbrechen der Nazis zu besch;tzen und sich pers;nlich bei den nationalsozialistischen Autorit;ten zugunsten von j;dischen Studenten und Kollegen einsetze.

Schlie;lich, selbst wenn man von dieser Darstellung der Ereignisse nicht ;berzeugt ist, besteht laut den Verteidigern Heidegger der einzige Vorwurf, der gegen ihn erhoben werden kann, darin, dass Heidegger als Mensch an Charakterschw;che litt. Heideggers pers;nliches Versagen sei allerdings g;nzlich getrennt von seiner Philosophie zu betrachten, welche "nach ihren eigenen Verdiensten" beurteilt werden m;sse. Dies bedeutet konkret, dass jede Einsch;tzung von Heideggers Philosophie, die diese mit seiner Unterst;tzung f;r den Nationalsozialismus in Verbindung bringt, von seinen Verteidigern f;r unzul;ssig gehalten wird. Diese Sichtweise l;uft au;erdem darauf hinaus, dass es nichts in Heideggers Philosophie aus der Zeit vor der Herrschaft der Nazis, insbesondere in seinem Werk Sein und Zeit(1927), gibt, das irgendeine Wesensverwandtschaft zu den Ideen des Nationalsozialismus beinhaltet. In ;hnlicher Weise wurde die sp;tere Kehre in Heideggers Philosophie als ausschlie;lich innere Reaktion interpretiert, die nicht mit Politik und den Problemen bei der urspr;nglichen Formulierung seiner Gedanken verbunden gewesen sei.

Dies ist ein vielschichtiger Versuch der Schadensbegrenzung. Man kann die Verschleierung als Festung betrachten, auf deren Mauern Heideggers Unterst;tzer k;mpfend stehen und das Hineinschlagen einer Bresche zu verhindern versuchen. Sollte die Fassade, die Geschichte von Heideggers jugendlicher Un;berlegtheit, br;ckeln, ist noch nicht alles verloren. Der innere Ring, Heideggers Handlungen als Rektor im Widerstand gegen die Nazis, steht noch. Selbst wenn diese Verteidigungslinie f;llt und die Unterst;tzer gezwungen sind, die Schw;chen Heideggers als Menschen zuzugeben, steht immer noch die letzte Verteidigungslinie, die sogenannte Autonomie von Heideggers Philosophie. Indem er ein beeindruckendes Aufgebot an Intellektuellen zu seiner Verteidigung aufstellte, darunter viele Zeugnisse von einwandfreien Antifaschisten, erreichte es Heidegger, seinen Ruf bis in die Mitte der 80-er Jahre relativ intakt zu halten.

Man kann den Beginn der Kampagne zur Rettung von Heideggers Ruf vom Urteil der Nachwelt bis zu den Anstrengungen Heideggers selbst zur;ckverfolgen. Die Konturen der Legende vom politisch naiven Akademiker sind bereits in dem biografischen Essay, dass Heidegger 1945 dem Entnazifizierungskomitee ;berreichte, angedeutet. Hier schrieb er:

"Im April 1933 wurde ich in einer Plenarsitzung der Universit;t einstimmig zum Rektor gew;hlt (bei zwei Enthaltungen) und nicht, wie ein Ger;cht besagt, vom nationalsozialistischen Minister ernannt. [Die Ernennung folgte sp;ter, als Heidegger zum F;hrer der Universit;t gemacht wurde, was er nicht erw;hnt. A.S.] Es war das Ergebnis des Drucks aus meinem Kollegenkreis [...], dass ich einwilligte, Kandidat in dieser Wahl zu werden, und mich einverstanden erkl;rte, Folge zu leisten. Zuvor hatte ich ein akademisches Amt weder angestrebt noch innegehabt. Ich geh;rte niemals einer politischen Partei an [Dies ist nicht wirklich die ganze Wahrheit, denn wie wir wissen, war er in den fr;hen 20-er Jahren Vorsitzender der rechts-katholischen Jugendbewegung. A.S.], noch unterhielt ich eine Beziehung, weder pers;nlich noch beruflich, mit der NSDAP oder mit Regierungsbeh;rden. Ich ;bernahm das Rektorat widerwillig und allein im Interesse der Universit;t an." [20]

Nachdem er das Bild seiner widerwilligen Berufung zum Rektor gezeichnet hat, f;hrt er damit fort zu beschreiben, wie der Autor der NSDAP beigetreten ist - beinahe als nachtr;gliche Handlung, um die Beziehungen der Universit;t zu den Beh;rden zu erleichtern.

"Kurze Zeit nachdem ich das Rektorat ;bernommen hatte, stellte sich mir der Kreisvorsitzende vor in Begleitung von zwei Funktion;ren, die f;r Belange der Universit;t zust;ndig waren, und bedr;ngte mich, in ;bereinstimmung mit den W;nschen des Ministers, der Partei beizutreten. Der Minister bestand darauf, dass auf diesem Weg meine offiziellen Beziehungen zur Partei und den Regierungsorganen vereinfacht w;rden, besonders deswegen, weil ich bislang keinen Kontakt mit diesen Organen hatte. Nach langen ;berlegungen erkl;rte ich mich bereit, im Interesse der Universit;t der Partei beizutreten, allerdings unter der ausdr;cklichen Bedingung, dass ich jede Position innerhalb der Partei oder Arbeit zugunsten der Partei ablehnen w;rde, und dies sowohl w;hrend als auch nach dem Rektorat." [21] [Er erkl;rt hier nicht, warum, wenn seine Parteimitgliedschaft ausschlie;lich der Erleichterung seiner Arbeit als Rektor geschuldet war, er sie j;hrlich erneuerte - bis 1945, also lange nachdem seine Pflichten als Rektor geendet waren. A.S.]

Schlie;lich pr;sentiert er Beweise f;r seinen Opposition gegen den Nationalsozialismus nach seinem R;cktritt vom Posten des Rektors im Jahre 1934.

"Nach meinem R;cktritt vom Rektorat wurde klar, dass, wenn ich weiter lehren w;rde, meine Opposition zu den Prinzipien der nationalsozialistischen Weltsicht nur wachsen w;rde. [...] Da die nationalsozialistische Ideologie zunehmend unbeweglich wurde und einer reinen philosophischen Interpretation immer weniger wohlgesinnt war [Mit der "reinen philosophischen Interpretation" m;chte Heidegger offensichtlich dem Leser andeuten, warum er sich anf;nglich zum Nationalsozialismus hingezogen f;hlte, der aber ungl;cklicherweise 1934 seinen metaphysischen Glanz verlor. A.S.], ist die Tatsache, dass ich als Philosoph t;tig war an sich ein ausreichender Ausdruck der Opposition. [...]

Ich zeigte auch ;ffentlich meine Einstellung zur Partei, indem ich an ihren Versammlungen nicht teilnahm, ihre Insignien nicht trug und, ab 1934, mich weigerte, meine Kurse und Vorlesungen mit dem sogenannten deutschen Gru; [Heil Hitler] zu beginnen. [Wir wissen aus den Dokumenten, die bei Far;as ver;ffentlicht sind, dass die letzte Behauptung eine offenkundige L;ge ist. A.S.] [...]

Es war nichts besonderes an meinem geistigen Widerstand w;hrend der vergangenen elf Jahre." [22]

Indem er sich pr;sentiert als jemand, der unbeabsichtigt und f;r eine kurze Phase in eine Form von "philosophischem" Nationalsozialismus verwickelt war, die sich sp;ter in eine Form des "geistigen Widerstands" umwandelte, versuchte Heidegger eine Mauer um seine philosophischen Ansichten zu errichten. Die Methoden, die er auf den gr;;ten Teil seiner Aktivit;ten vor und nach 1933 anwandte, waren Schweigen, Ausreden, Halbwahrheiten und glatte L;gen.

In Heideggers Philosophie bedeutet die Kategorie des "Schweigens" nicht einfach die Abwesenheit von Sprache, sondern stellt selbst eine aktive Form des In-der-Welt-seins dar. Desgleichen bedeutete "Schweigen" in seiner Praxis die aktive Unterdr;ckung von Zeugnissen ;ber seine Jahre im Nationalsozialismus. Ein Gro;teil der Korrespondenz Heideggers und andere pers;nliche Dokumente wurden Akademikern ;ber Jahrzehnte hinweg vorenthalten. Diese Dokumente werden von der Familie Heidegger und sympathisierenden Wissenschaftlern unter Verschluss gehalten. Weiterhin war die akademische Gemeinschaft in den unmittelbaren Nachkriegsjahren nicht willens, irgend etwas in Bezug auf Heideggers Unterst;tzung f;r den Nationalsozialismus zu publizieren. Guido Schneeberger, der als Wissenschaftler zu einem fr;hen Zeitpunkt die erste Forschung zu diesem Bereich unternahm, erlebte, dass er f;r sein Buch nirgendwo einen Herausgeber finden konnte. Schlie;lich ver;ffentlichte er die Ergebnisse seiner Forschung selbst im Jahre 1962.

Heidegger hat auch vor einer v;lligen F;lschung seiner eigenen Geschichte nicht zur;ckgeschreckt. Ein gut dokumentiertes Beispiel hierf;r ist die Neuauflage seiner Vorlesungen ;ber Metaphysik aus dem Jahre 1935. Die Ausgabe von 1953 beinhaltet die ber;chtigte Beschreibung der "inneren Wahrheit" des Nationalsozialismus. Der vollst;ndige Satz lautet in der Ausgabe von 1953 folgenderma;en:

"Was heute als vollends als Philosophie des Nationalsozialismus herumgeboten wird, aber mit der inneren Wahrheit und Gr;;e dieser Bewegung (n;mlich mit der Begegnung der planetarisch bestimmten Technik und des neuzeitlichen Menschen) nicht das Geringste zu tun hat, das macht seine Fischz;ge in diesen tr;ben Gew;ssern der ;Werte‘ und der ;Ganzheiten‘." [23]

Die Ver;ffentlichung dieses Aufsatzes sorgte in Deutschland f;r ein wenig Best;rzung. Einige fragten, warum Heidegger sich entschloss, den Aufsatz in dieser exakten Form zur Neuver;ffentlichung freizugeben. Er antwortete, dass es ihm ein leichtes gewesen w;re, den Text zu ;ndern, er dies aber nicht wolle, da der Satz historisch zu der Vorlesung geh;re. [24]

Wir wissen inzwischen, dass Heidegger allerdings ;nderungen am Text von 1935 vornahm als er ihn f;r die Neuauflage vorbereitete. Zum einen ist statt von einer eher allgemeinen "inneren Wahrheit und Gr;;e der Bewegung" im Originaltext von der "inneren Wahrheit und Gr;;e des Nationalsozialismus" die Rede. Als ein Assistent, der ihm bei der Drucklegung half, diesen Satz ohne jede kommentierende Fu;note bemerkte, riet er ihm, ihn zu entfernen. Heidegger erwiderte, dass er das nicht machen w;rde. Nichtsdestotrotz ;nderte Heidegger den Text wenige Wochen sp;ter, ohne es dem Assistenten zu sagen. Er entfernte den direkten Verweis auf den "Nationalsozialismus" und ersetzte den Bergriff durch den allgemeineren Ausdruck "diese Bewegung". Er f;gte auch die Erkl;rung ;ber Technologie in Klammern hinzu. Heidegger blieb bis zu seinem Tod bei der Darstellung, dass er niemals den Text seiner Vorlesung ge;ndert habe. Er wiederholte dies in seinem Interview mit dem Spiegel im Jahr 1966. Bei einem sp;teren Versuch, die Auseinandersetzung um diese Frage endg;ltig beizulegen, wurde eine Suche nach dem Originalmanuskript von 1935 unternommen. Die Seite mit dem umstrittenen Satz fehlte. [25]

Die gleiche Methode - Unterdr;ckung von Dokumenten, Ausreden und F;lschungen - wurde von der gro;en Schar der Anh;nger und Verteidiger Heideggers angewandt. Sie waren, bis zum Erscheinen von Far;as epochalem Buch, vor allem darin erfolgreich, jegliche kritische Untersuchung von Heideggers Ideen und ihrer Verbindung zu seinen politischen Ansichten zu verhindern. Ein ironisches Kapitel in diesem Unterfangen wurde von dem Theoretiker der Dekonstruktion Paul De Man beigesteuert. De Man trug viel dazu bei, Heidegger in den 60-er Jahren in Kreisen der amerikanischen Intelligenz bekanntzumachen. In den sp;ten 80-er Jahren wurde posthum bekannt, dass De Man nicht ganz saubere H;nde hatte. Er war ein Nazikollaborateur im besetzten Belgien w;hrend des Zweiten Weltkriegs und hatte in dieser Eigenschaft einige antisemitischen Artikel f;r eine von den Nationalsozialisten finanzierte Literaturzeitschrift geschrieben. Nachdem Essays ;ber De Mans Verhalten im Krieg ver;ffentlicht waren, folgte darauf eine lebhafte Kontroverse ;ber die Beziehung zwischen De Mans Kriegsaktivit;ten und seinen nachfolgenden Ideen zur Dekonstruktion. [26]

Ein noch ;blerer Verfechter Heideggers war der franz;sische ;bersetzer Jean Beaufret. Beaufret, ein ehemaliger K;mpfer der Resistance, ver;ffentlichte vor seinem Tod 1982 mehrere B;nde seiner Korrespondenz mit Heidegger. ;ber 35 Jahre lang war er der best;ndigste Verteidiger Heideggers in Frankreich. Die Tatsache, dass er ein K;mpfer in der franz;sischen Widerstandsbewegung war, verlieh seiner Verteidigung eines ehemaligen Nazis Gewicht. Allerdings sieht es so aus, als sei auch Beaufret nicht gerade lupenrein. F;r einige Zeit war er ein heimlicher Sympathisant des ber;chtigten Holocaust-Leugners Robert Faurisson. Beaufret leugnete wie Faurisson die Existenz des Holocausts und speziell der Gaskammern. In einem Brief an Faurisson wird Beaufret folgenderma;en zitiert:

"Ich glaube, dass ich f;r meinen Teil ann;hernd den selben Weg wie Sie gegangen bin und als verd;chtig angesehen wurde, weil ich dieselben Zweifel ;u;erte [in Bezug auf die Existenz von Gaskammern]. Ich hatte Gl;ck, dass ich dies m;ndlich tat." [27]

Beaufrets Glaubw;rdigkeit wurde nie in Frage gestellt bis Faurisson seine Briefe in den 80-er Jahren ver;ffentlichte.

Im Rahmen ihrer Public-Relations-Kampagne waren Heidegger und seine Anh;nger besonders versessen darauf, Zeugnisse von deutsch-j;dischen Philosophen, die selbst unter den Nazis gelitten hatten, heranzuziehen. Zu diesem Zweck wurde die bekannte Philosophin und deutsche Emigrantin Hannah Arendt gebeten, ein Essay f;r eine Anthologie zu Ehren Heideggers anl;;lich seines 80. Geburtstages zu schreiben. Arendts Essay "Martin Heidegger ist achtzig Jahre alt" enth;lt die folgende verborgene Anspielung auf Heideggers politische Aktivit;ten:

"Nun wissen wir alle, dass auch Heidegger einmal der Versuchung nachgegeben hat, seinen ;Wohnsitz‘ zu ;ndern und sich in die Welt der menschlichen Angelegenheiten ;einzuschalten‘ - wie man damals so sagte. Und was die Welt betrifft, so ist sie ihm noch um einiges schlechter bekommen als Plato, weil der Tyrann und seine Opfer sich nicht jenseits des Meeres, sondern im eigenen Lande befanden. [Dies ist ein Verweis auf den Aufenthalt Platos in Syrakus. Er hoffte, den Tyrannen von Syrakus, Dionysos, beraten zu k;nnen. Nach diesem relativ kurzen Versuch, die Herrschaft Dionysos mit einer Prise Weisheit zu mildern, kehrte Plato nach Athen zur;ck und schloss, dass sein Versuch, seine Theorien in die Praxis umzusetzen, gescheitert war. A.S.] Was ihn selbst anbelangt, so steht es, meine ich, anders. Er war noch jung genug, um aus dem Schock des Zusammenpralls, der ihn nach zehn kurzen hektischen Monaten vor 35 Jahren auf seinen angestammten Wohnsitz zur;cktrieb, zu lernen und das Erfahrene in seinem Denken anzusiedeln.

Wir, die wir den Denker ehren wollen, wenn auch unser Wohnsitz mitten in der Welt liegt, k;nnen schwerlich umhin, es auffallend und vielleicht ;rgerlich zu finden, dass Plato wie Heidegger, als sie sich auf die menschlichen Angelegenheiten einlie;en, ihre Zuflucht zu Tyrannen und F;hrern nahmen. Dies d;rfte nicht nur den jeweiligen Zeitumst;nden und noch weniger einem vorgeformten Charakter, sondern eher dem geschuldet sein, was die Franzosen eine d;formation professionelle nennen. Denn die Neigung zum Tyrannischen l;sst sich theoretisch bei fast allen gro;en Denkern nachweisen (Kant ist die gro;e Ausnahme). Und wenn diese Neigung in dem, was sie taten, nicht nachweisbar ist, so nur, weil sehr Wenige selbst unter ihnen ;ber ;das Verm;gen, vor dem Einfachen zu erstaunen‘, hinaus bereit waren, ;dieses Erstaunen als Wohnsitz anzunehmen‘." [28]

Nach dem Zeugnis, das Arendt ihm ausstellt, ergab sich Heideggers verh;ngnisvoller Fehler weder aus den Umst;nden, in denen er lebte, noch aus seinem Charakter und fand sicherlich keinen Widerhall in seinen Ideen. Die Tatsache, dass Heidegger ein Nazi wurde, von ihr euphemistisch als "Versuchung [...], seinen ;Wohnsitz‘ zu ;ndern und sich in die Welt der menschlichen Angelegenheiten ;einzuschalten‘" beschrieben, k;nne ausschlie;lich dem Berufsrisiko eines Philosophen zugeschrieben werden. Und wenn andere Philosophen Heidegger auf diesem Weg nicht folgten, so deshalb, weil sie das Denken nicht so ernst wie Heidegger nahmen. Sie waren nicht bereit "dieses Erstaunen als ihren Wohnsitz anzunehmen".

Arendts Text ist bemerkenswert wegen seiner v;lligen Unversch;mtheit. Sie schafft es, Heidegger zum Opfer zu machen, das der Gr;;e seiner Gedanken anheimfiel. Wenn sie sagt, es w;re "ihm noch um einiges schlechter bekommen als Plato", so impliziert sie damit, dass er von Kr;ften, die er nicht beherrschen konnte, herumgeschleudert wurde, dass er keine Verantwortung f;r seine eigenen Handlungen tr;gt. Als ob sie die Absurdit;t ihrer Position erkennen w;rde, nimmt Arendt das Argument aus dem Textk;rper und setzt es in eine lange kommentierende Fu;note. In dieser Fu;note steigt sie herunter von der hochfliegenden Rhetorik ihres Nachsinnens ;ber Plato zu den konkreten Fragen im Umfeld der Aff;re Heidegger. Sie kehrt zur;ck zu dem Thema von Heideggers urspr;nglicher Unschuld und politischer Naivit;t und beklagt, dass Heidegger wie so viele andere deutsche Intellektuelle seiner Generation nie Hitlers Mein Kampf gelesen h;tte. [29]

Tats;chlich gibt es guten Grund zu der Annahme, das Heidegger nicht nur Hitlers Opus Mein Kampf gelesen hatte, sondern es auch guthie;. Tom Rockmore hat ;berzeugend argumentiert, dass in seiner Antrittsrede als Rektor in Freiburg, Heideggers "vielf;ltige Anspielungen auf den Kampf auch beabsichtigt waren als klare Anspielungen auf Hitlers ber;chtigte Sicht auf den Kampf f;r die Verwirklichung des Schicksals des deutschen Volkes, die er in Mein Kampf formuliert hatte." [30]

Weiter unten in ihrer Fu;note versucht Arendt das Blatt gegen Heideggers Kritiker zu wenden, indem sie die von Heidegger selbst erschaffene Legende von seinem wiedergutmachenden Verhalten nach seinem "Irrtum" auftischt.

"Heidegger korrigierte seinen eigenen ;Irrtum‘ schneller und gr;ndlicher als viele von denen, die sp;ter ;ber ihn zu Gericht sa;en - er ging ein erheblich gr;;eres Risiko ein als es w;hrend dieser Zeit im literarischen und universit;ren Leben in Deutschland ;blich war." [31]

Auch im Jahre 1971 wusste Hannah Arendt mehr, oder sie h;tte mehr wissen sollen, als das M;rchen, das sie in dieser peinlichen Verteidigungsschrift erz;hlt. Sie wusste zum Beispiel sicherlich von der 1953-er Neuauflage von Heideggers Essay ;ber die "innere Wahrheit des Nationalsozialismus". Durch ihre Freundschaft mit Karl Jaspers hatte sie Kenntnis von dem erb;rmlichen Verhalten, dass Heidegger gegen;ber Jaspers und seiner j;dischen Frau an den Tag legte. (Heidegger brach, kurz nachdem er Rektor geworden war, alle pers;nlichen Beziehungen zu Jaspers und seiner Frau ab. Erst nach dem Krieg versuchte Heidegger, ihre pers;nliche Beziehung wiederherzustellen. Trotz eines periodischen Briefwechsels konnten die zwei Philosophen ihre pers;nliche Beziehung nicht reparieren aufgrund der Weigerung Heideggers, seine Unterst;tzung f;r den Nationalsozialismus zu widerrufen.)

Der Hinweis auf ein "erheblich gr;;eres Risiko", das er einging, ist, wie Heideggers "geistiger Widerstand" gegen den Nationalsozialismus, ein Echo auf Heideggers eigene Erfindungen nach dem Krieg. Aber warum setzte sich Hannah Arendt, eine bekannte liberale Gegnerin des Faschismus, mit solchen Feuereifer daf;r ein, Heideggers Ruf wiederherzustellen? Man kann nur Vermutungen anstellen. Vielleicht kam ein Element von Loyalit;t zu ihrem ehemaligen Lehrer zur Geltung, eine Loyalit;t, die durch Arendts Verfolgung durch die Nazis und ihre Jahre im Exil zwar strapaziert worden war, aber noch vorhanden war. (Arendt sa; unter nationalsozialistischer Herrschaft zun;chst eine Zeit lang im Gef;ngnis. Sp;ter, nach Kriegsausbruch, war sie im besetzten Frankreich gefangen, von wo aus ihr eine waghalsige Flucht gelang.) Die nachsichtigste Interpretation ihrer grotesken Verteidigung Heideggers ist, dass sie sich von einer Wahrheit, die sie nicht ertragen konnte, abwandte.

Als Far;as Buch auf den Markt kam, hatte es eine elektrisierende Wirkung auf Heideggers Anh;nger in Frankreich. Nach der Ver;ffentlichung seines Werkes Heidegger und der Nationalsozialismus im Oktober 1987 erschienen in den darauffolgenden neun Monaten nicht weniger als sechs Studien ;ber Heidegger und seine Unterst;tzung f;r die Nazis. Dies war nicht ;berraschend. Schlie;lich war es Frankreich, wo Heideggers Einfluss in der Nachkriegszeit seine tiefsten Wurzel schlug. Heideggers Einfluss in Frankreich erstreckt sich vom Existentialismus Satres in der fr;hen Nachkriegszeit bis zu den j;ngeren Wellen des Strukturalismus, Poststrukturalismus, und der Dekonstruktion in Verbindung mit Claude L;vi-Strauss, Michel Foucault und Jacques Derrida. Die Postmodernisten Jean-Fran;ois Lyotard und Jean Baudrillard traten mit ihrer eigenen Interpretation der Beziehung Heideggers zum Nationalsozialismus hervor.

Man k;nnte zusammenfassend sagen, dass sich die Reaktionen auf Far;as Buch in drei gr;;ere Kategorien einteilen lassen. Die erste ist die bedingungslose Verteidigung Heideggers durch seine orthodoxesten Gralsh;ter. Diese Gruppe wird durch Fran;ois Fedier repr;sentiert, der seit dem Tod seines Lehrers Beaufret der best;ndigste Verteidiger Heideggers in Frankreich gewesen ist. Fedier leugnet weiterhin, dass Heidegger jemals dem Nationalsozialismus nahe stand, und geht ;ber die Rektoratszeit als jugendlichen Flirt ohne Auswirkung auf Heideggers Denken hinweg. Neben dem umfangreichen Material in Far;as Buch und anderen nachfolgenden Ver;ffentlichungen genie;t Fediers Antwort kaum Glaubw;rdigkeit, au;er bei den gl;hendsten Verfechtern des Heideggerkults.

Der zweite Typ von Antwort wird von Derrida und seinen Anh;ngern repr;sentiert und erkennt im allgemeinen an, dass es insofern ein Problem mit Heideggers Philosophie gibt, als sie ihm in ihrer Konsequenz erlaubte, Nazi zu werden. Aber dann versucht Derrida, das Blatt gegen Far;as zu wenden, indem er darauf besteht, dass der letzte Grund f;r Heideggers Zuwendung zum Nationalsozialismus die Tatsache war, dass sich Heidegger im Jahre 1933 noch nicht ausreichend von der pr;-heideggerianischen Art des Denkens, insbesondere vom Rationalismus und Humanismus, emanzipiert hatte. Nach Derridas gequ;lter Logik wurde Heideggers Philosophie, nachdem er sich einmal von der "Metaphysik" befreit hatte infolge seiner "Kehre" nach 1935, zur besten Form des Antifaschismus.

Dieser perverse Standpunkt wurde passend zusammengefasst von einem Studenten Derridas, Lacoue-Labarthe, der sagte: "Nationalsozialismus ist ein Humanismus". Hiermit meinte er, dass die philosophischen Grundlagen, auf denen die aufkl;rerische Tradition des Humanismus aufbaute, in ihrer Konsequenz zur der Beherrschung der Menschheit im Dienste eines allumfassenden Universaltotalitarismus f;hrten. Ein solches Denken ist zum Gemeingut bei Derrida, Lacoue-Labarthe und ihren Anh;ngern geworden. Die Vorstellung, dass der Nationalsozialismus nur ein anderer Ausdruck des aufkl;rerischen Universalismus ist, wurde in j;ngster Zeit von den Amerikanern Alan Milchman und Alan Rosenberg vertreten. Sie schreiben: "Dieses Prinzip der hinreichenden Vernunft, die Grundlage des kalkulativen Denkens, kann in ihrer totalisierenden und imperialistischen Form als metaphysische Untermauerung, die den Holocaust m;glich machte, betrachtet werden." [32]

Auf dieser Pr;misse baut Lacoue-Labarthe eine raffinierte Verteidigung Heideggers auf. Anders als die orthodoxen Heideggerianer r;umt er ein, dass Heideggers Gedanken mit seiner Unterst;tzung f;r den Nationalsozialismus ;bereinstimmten. Allerdings versucht Lacoue-Labarthe Heidegger zu retten indem er behauptet, dass der Heidegger nach 1935, der die Metaphysik und den Humanismus ;berwunden hatte, frei sei von jedem nationalsozialistischem Makel. Diese bizarre Argumentation wird dann zu ihrem logischen Ende gef;hrt von anderen Dekonstruktionisten, die darauf bestehen, dass nicht nur der zweite Beginn Heideggers frei ist von faschistischen Z;gen, sondern dass sein Werk es zum ersten Mal f;r uns m;glich machen w;rde "den Holocaust zu denken". Damit der Leser nicht denkt, dies sei eine polemische Spitze, wollen wir den Worten von Milchman und Rosenberg lauschen:

"W;hrend Facetten des Denkens Heideggers Einblick in die Erfahrung der Vernichtung gew;hren k;nnen, es uns erm;glichen Auschwitz zu denken, kann der Holocaust uns auch helfen, die Undurchl;ssigkeit des sp;teren Denkens Heideggers zu durchdringen." [33]

Auf der anderen Seite wurden die Ankl;ger Heideggers in den Chroniken der Dekonstruktionisten als "Anh;nger des Totalitarismus" tituliert. Einmal mehr wurde Heidegger, wie wir es schon bei Arendt gesehen haben, als Opfer von kleingeistigen und neidischen Feinden dargestellt. Vom anderen Ufer des Rheins griff der langj;hrige Ausleger von Heideggers Schriften Hans-Georg Gadamer in die franz;sische Debatte ein. Mit einem merkw;rdigen Echo auf Arendts Essay "Martin Heidegger ist achtzig Jahre alt" kehrt Gadamer zur;ck zu dem Bild eines wohlmeinenden aber naiven Denkers, der sich von seinem Versuch, den Prinzen von Syrakus zu erziehen, zur;ckzog. [34]

Im Gegensatz zu dem philosophischen Obskurantismus, der von Derrida und Lacoue-Labarthe praktiziert wird, erhoben sich einige Stimmen in der franz;sischen Diskussion, die das Problem, das Heideggers lebenslange Beziehung zum Faschismus darstellt, klar anerkannten. Am bekanntesten unter ihnen ist Pierre Bourdieu, der eine umfangreiche Studie ;ber Heidegger verfasst hatte, lange bevor Far;as Buch erschien. Dieses Buch wurde auf franz;sisch in einer ;berarbeiteten Auflage neu ver;ffentlicht, nachdem die Kontroverse durch Far;as Buch ausgel;st worden war.

Die politische Ontologie Martin Heideggers versucht, Heideggers Philosophie in den historischen Kontext zu stellen, aus dem Heidegger hervorkam. Gleichzeitig entgeht Bourdieu der Versuchung, Heideggers Gedanken einfach auf einen Reflex seiner historischen und gesellschaftlichen Position zu reduzieren. Bourdieu l;sst sich auf eine Textanalyse von Heideggers Werk ein, um die immanente Beziehung zwischen Heideggers Philosophie und seinen politischen Ansichten nachzuweisen. Seine Textanalyse unterscheidet sich von dem Typus der "immanenten" Deutung von Textcharakteristika von Derrida und anderen Dekonstruktionisten, bei der die Texte k;nstlich getrennt werden von den Umst;nden, unter denen sie produziert wurden.

Die vielleicht merkw;rdigste und vernichtendste Verteidigung Heideggers in j;ngster Zeit kam nicht aus Frankreich, sondern aus Deutschland. Ernst Nolte, ein Historiker und langj;hriger Freund der Familie Heidegger, ver;ffentlichte 1992 eine Biografie Martin Heideggers. Vor der Ver;ffentlichung dieses Buches war Nolte bereits ber;chtigt als revisionistischer Historiker in Bezug auf den Holocaust und als Verteidiger des Nationalsozialismus. Man muss Nolte lassen, dass er wesentlich konsequenter und intellektuell aufrichtiger war als einige der franz;sischen Verteidiger Heideggers.

F;r Nolte stellt Heideggers Zuwendung zum Nationalsozialismus ;berhaupt kein Problem dar. Nolte besteht nicht nur auf der innigen Verbindung zwischen Heideggers Philosophie und seiner Unterst;tzung f;r den Nationalsozialismus, sondern er verteidigt auch den Nationalsozialismus als notwendige Reaktion auf die innere und ;u;ere Bedrohung durch die russische Revolution. F;r Nolte war der Nationalsozialismus eine notwendige Antwort auf den Bolschewismus und Heidegger reagierte durch seine Zuwendung zum Nationalsozialismus lediglich auf den Ruf der historischen Notwendigkeit. Nolte geht sogar soweit, den Holocaust als Verteidigungsma;nahme zu rechtfertigen, die durch die Feindlichkeit des Weltjudentums gegen;ber dem nationalsozialistischen Regime notwendig gemacht wurde. Noltes Verteidigung des Holocaust liegt in der folgenden rhetorischen Frage:

"Vollbrachten die Nationalsozialisten, vollbrachte Hitler eine ;asiatische‘ Tat vielleicht nur deshalb, weil sie sich und ihresgleichen als potentielle oder wirkliche Opfer einer ;asiatischen‘ Tat betrachteten? War nicht der ;Archipel GULag‘ urspr;nglicher als Auschwitz?" [35]

Es gibt eine Symmetrie zwischen den fr;hen Apologeten Heideggers und Noltes Bem;hungen. W;hrend die urspr;nglichen Verteidiger sich bem;hten, Heideggers politische Verstrickung m;glichst gering zu halten, und dann eine Trennlinie zwischen seiner politischen Einstellung und seiner Philosophie zogen, dreht Nolte die Argumentation um. In Noltes Sicht war Heidegger nicht nur von Beginn an ein politisch engagierter Denker, sondern er traf auch die richtige Wahl. Er schreibt: "Sofern er dem ;gro;en L;sungsversuch‘ [dem Kommunismus] Widerstand leistete, war Heidegger - wie zahllose andere - im historischen Recht [...]. Dadurch, dass er sich f;r die ;kleine L;sung‘ [den Nationalsozialismus] engagierte, wurde er vielleicht zum ;Faschisten‘, aber er geriet deshalb keineswegs von vornherein ins historische Unrecht." [36]

An anderer Stelle kommt Nolte auf die Geschichte zur;ck, Heidegger sei ein weltfremder Denker gewesen, der f;r kurze Zeit in politische Angelegenheiten verwickelt war, die er nicht verstand. Dieses verbreitete Bild, eingef;hrt von Hannah Arendt, wird von Nolte auf den Kopf gedreht. Zweifellos will er hier einer J;din nicht das letzte Wort lassen. Er schreibt ;ber Heideggers Unterst;tzung f;r Hitler: "Es ist jedoch nicht zu ;bersehen, dass es sich dabei nicht um einen episodischen ;Ausflug‘ aus dem Bezirk der Philosophie in die Region der Tagespolitik handelte, sondern dass diesem Engagement eine ;philosophische‘ Hoffnung zugrunde lag [...]. Das Verh;ltnis zu Politik und Geschichte ist in Heideggers Leben und f;r Heideggers Denken mithin nicht blo; episodisch, sondern wesentlich." [37]

Mit anderen Worten: Heideggers Gedanken und seine Handlungen waren aus demselben Holz geschnitzt. Er war nicht einfach ein Nazi, sondern mit den Worten von Thomas Sheehan "ein normaler Nazi". [38]

Zuletzt sollte die j;ngste Heidegger-Biografie, Ein Meister aus Deutschland - Heidegger und seine Zeit, von R;diger Safranski erw;hnt werden. Dieses Buch ist, anders als Noltes ;berschwengliche Unterst;tzung von Heideggers N;he zum Nationalsozialismus, ein R;ckzug zu einer orthodoxeren Verteidigung Heideggers. Wieder einmal pr;sentiert man uns eine schizophrene Unterscheidung zwischen dem Menschen Heidegger und dem Philosophen. Der Autor legt sorgf;ltig die bekannten Fakten ;ber Heideggers Verbindung mit dem Nationalsozialismus vor. Es ist nicht l;nger haltbar, diese Tatsachen zu leugnen. Gleichzeitig tr;gt er Sorge f;r eine in gro;en Teilen positive Deutung von Heideggers Ideen.

W;hrend er die Ausschweifung und logischen Turn;bungen von Lacoue-Labarthe und anderen Dekonstruktionisten vermeidet, scheint Safranski unf;hig zu sein, irgendein wesentliches Urteil ;ber das Objekt seiner Forschungen zu f;llen. Diese Unzul;nglichkeit, ein gel;ufiges Markenzeichen modernen Biografien und der derzeitigen Geschichtsschreibung, wird in dem d;steren kulturellen Kontext heutzutage als Vorzug betrachtet. Die Schlagw;rter hierzu lauten "unvoreingenommen" und "ausgewogen". Trotz der detaillierten Fakten ist wenig verstanden worden. Dieses Buch ist auf seine eigene Art ein Beitrag zur Verschleierung. Am Ende stellte sich Safranski auf die Seite derjenigen, die Heidegger daf;r loben, dass er es f;r uns m;glich machte "Auschwitz zu denken". Er schreibt:

"Wenn Heidegger die Zumutung zur;ckwies, sich als potentieller Komplize des Mordes zu verteidigen, dann bedeutete das nicht, dass er sich der Herausforderung verweigerte, ;Auschwitz zu denken‘. Wenn Heidegger ;ber die Perversion des neuzeitlichen Willens zur Macht spricht, dem die Natur und der Mensch zum blo;en Material seiner Machenschaften wird, ist Auschwitz ausdr;cklich oder unausdr;cklich immer mitgemeint. F;r ihn - wie auch f;r Adorno - ist Auschwitz ein typisches Verbrechen der Moderne." [39]

Wir kommen nicht umhin, die Arroganz in Safranskis Nebeneinanderstellung von Heidegger und Adorno zu kommentieren. Adorno verachtete Heidegger und hatte nichts als Geringsch;tzung f;r Heideggers "Jargon der Eigentlichkeit" ;ber, den er als eine Form der philosophischen Scharlatanerie ansah, die sich selbst als tiefgr;ndige Einsicht ausgibt. Safranskis kl;gliches Buch stellt trotz seiner Auflistung der Fakten nur eine weitere Verteidigungsschrift f;r Heidegger Verstrickung in den Nationalsozialismus dar. Nichtsdestotrotz fielen die Besprechungen gr;;tenteils positiv aus.

Ein typisches Beispiel hierf;r ist Richard Rorty, der schrieb: "Heidegger war blind gegen;ber der Qual seiner j;dischen Freunde und Kollegen, aber nach einem Jahr hektischer Propaganda und Organisierung bemerkte er, dass die h;heren Nazis ihm keine gro;e Aufmerksamkeit schenkten. Dies reichte, um ihm zu beweisen, dass er den Nationalsozialismus ;bersch;tzt hatte.

Also zog er sich in seine Bergh;tte zur;ck und, wie es Safranski so nett sagt, tauschte die Entschiedenheit gegen Unersch;tterlichkeit. Nach dem Zweiten Weltkrieg, erkl;rte er, einfallsreich wenn auch monomanisch, dass Amerikanisierung, moderne Technologie, die Trivialisierung des Lebens und die v;llige Vergesslichkeit des Seins (vier Namen, so dachte er, f;r dasselbe Ph;nomen) nicht umkehrbar waren." [40]

Wieder einmal treffen wir auf die gewohnte Figur des wohlmeinenden aber geschlagenen Denkers, der sich in seine Bergh;tte zur;ckzog. Wenigstens bleibt uns diesmal eine weitere R;ckkehr aus Syrakus erspart. Es sollte betont werden, dass es selbst in Safranskis Buch keine Grundlage zu dem Schluss gibt, dass sich Heidegger "nach einem Jahr hektischer Propaganda und Organisierung", seiner Zeit als Rektor in Freiburg, aus dem politischen Kampf zur;ckzog. Was Safranski sagt, ist, dass Heidegger in einer Periode von mehreren Jahren, nach seinem R;cktritt als Rektor bis 1945, schrittweise seine Verbindungen zum Nationalsozialismus lockerte, ohne damit v;llig zu brechen.

Es hat sich herausgestellt, dass Heidegger auch au;erhalb der Legion der franz;sischen Dekonstruktionisten Verteidiger hat. Rorty repr;sentiert eine Tendenz, die in den vergangenen Jahren unter den amerikanischen Pragmatikern entstanden ist; eine Tendenz, die den Pragmatismus mit Elementen der europ;ischen Philosophie zu verbinden versucht. In seiner Funktion als so etwas wie ein Sprecher des amerikanischen Pragmatismus hat Rorty vor allem versucht, die Anh;nger Heideggers f;r diesen Zweck zu gewinnen. Im folgenden Teil der Artikelserie werden wir kurz die philosophische Grundlage f;r diese merkw;rdige Verbindung von zwei augenscheinlich unvereinbaren Traditionen untersuchen. Doch selbst eine sehr fl;chtige Untersuchung zeigt, dass Rorty, wenn er seinen Blick auf die Beziehung zwischen Heideggers Politik und seiner Philosophie richtet, uns nur eine weitere Version des inzwischen vertrauten Themas liefert, den unbeabsichtigt an die Nazis geratenden Heidegger.

In einem Essay, das 1989, also eine ganze Weile nach dem Erscheinen von Far;as Buch, ;berarbeitet wurde, schrieb Rorty, dass "[...] Heidegger nur zuf;llig ein Nazi war". In einer Fu;note f;hrt er diesen Gedanken weiter aus: "Sein [Heideggers] Denken war in der Tat im wesentlichen antidemokratisch. Aber viele Deutsche standen der Demokratie und der Moderne zweifelnd gegen;ber und wurden keine Nazis. Heidegger wurde es, weil er sowohl ein skrupelloserer Opportunist als auch ein gr;;erer politischer Ignorant war als die Mehrheit der deutschen Intellektuellen, die diese Zweifel hegten." [41]

Obwohl Rorty einige scharfe Worte in Heideggers Richtung schleudert, n;mlich seine Charakterisierung Heideggers als "Ignorant" und "Opportunist", ist der Kern seiner Schilderung eine weitere Karikatur des naiven Philosophen, dem die Dinge ;ber den Kopf wachsen. Zu diesem Zeitpunkt sind wir mit dieser Argumentation bereits ziemlich vertraut. Wir haben Variationen davon kennengelernt: Heideggers eigene Verteidigungsschrift f;r seine Zeit als Rektor, die orthodoxen Verteidiger Heideggers in Frankreich, die Betrachtungen von pers;nlichen Freunden wie Hannah Arendt und die umgekehrte profaschistische Form in Noltes Biografie. Dass dieses Argument auch angesichts der wachsenden Menge an Belegen daf;r, dass Heideggers Beziehung zum Nationalsozialismus mehr als zuf;llig war, bis zum Erbrechen wiederholt wird, zeigt, dass wir es hier nicht mit einer objektiven, wissenschaftlichen Einsch;tzung zu tun haben, sondern mit b;ser Absicht und Apologetik.

Die Debatte in Frankreich hielt nach der Ver;ffentlichung von Far;as Buch 1987 etwa zwei Jahre lang an. Heutzutage h;rt man sehr wenig in Frankreich ;ber Heideggers politische Einstellung. Im Gegensatz dazu wurde die Diskussion seit Beginn der 90-er Jahre unvermindert in den Vereinigten Staaten, Gro;britannien und den englischsprachigen L;ndern fortgesetzt. Tats;chlich sind seit 1997 drei verschiedene B;cher zu dem Thema erschienen. Unter diesen steht Julian Youngs Buch Heidegger, Philosophy, Nazism unersch;tterlich in der Tradition der Ehrenrettung Heideggers. Tats;chlich k;ndigt der Autor sein Anliegen gleich zu Beginn an, er sagt im Vorwort: "Dieses Werk setzt sich zum Ziel, was man als ;Entnazifizierung‘ Heideggers beschreiben k;nnte." [42]

Tom Rockmore fasste die Essenz von Youngs Buch k;rzlich in einer Rezension zusammen. Rockmore schreibt: "Zusammengefasst stellt sich nach Young, trotz der vielen Texte, die das Gegenteil belegen (zum Beispiel das Spiegel-Gespr;ch, in dem Heidegger das demokratische Ideal in Frage stellt), der Philosoph als mehr oder weniger einer wie du und ich heraus: n;mlich als ein Vertreter der liberalen Demokratie. Dies ist allerdings kein glaubw;rdiges, sondern ein unglaubliches Bild von Heidegger." [43]

Es ist offensichtlich, dass ein Vierteljahrhundert nach Heideggers Tod die Verschleierung weiter anh;lt. Gleichzeitig soll damit nicht suggeriert werden, dass es keine gegenl;ufigen Tendenzen gegeben habe, die sich der Aufdeckung von Heideggers politischer ;berzeugungen widmeten. Tats;chlich wurde erst im vergangenen Jahr die vielleicht wichtigste Untersuchung von Heideggers Philosophie im Kontext seiner politischen ;berzeugung ver;ffentlicht, n;mlich Johannes Fritsches Werk Historical Destiny and National Socialism in Heideggers Being and Time. Im folgenden Teil der Artikelserie werden wir auf dieses Buch eingehen.

Geschichte, Philosophie und Mythologie
Im Vorfeld einer Diskussion ;ber die Philosophie Martin Heideggers scheint es notwendig, einem m;glichen Einwand zu begegnen. Dieser Einwand kann folgenderma;en formuliert werden: Wenn es wahr ist, dass das Denken die Person reflektiert und die Person als moralisch und politisch verwerflich bekannt ist, dann muss das Denken dieser Person ebenso verwerflich sein. Wenn dies der Fall w;re, dann k;nnten wir ein Urteil ;ber jemandes Denken f;llen, ohne tats;chlich zu lesen, was er geschrieben hat. Wenn man es auf diese Weise darlegt, zeigt sich die Absurdit;t dieser Art des Denkens von selbst. Das Problem mit dieser Art der Beweisf;hrung ist, dass sie etwas teilweise Wahres, n;mlich dass tats;chlich ein Denker auf irgendeine Weise die Menschen und ihre Zeit reflektiert, aufgreift und diese Einsicht einseitig in etwas Absolutes verwandelt, so dass sie ebenso falsch wie wahr wird. Allgemein ist die Beziehung zwischen einem Denker und seinen Handlungen zu komplex, als dass sie in einer gut formulierten Maxime zusammengefasst werden k;nnte.

Gleichzeitig m;ssen wir die gegenteilige Ansicht, ebenfalls ein einseitiges Urteil, zur;ckweisen, die von den Verteidigern Heideggers vertreten wird, n;mlich dass es keinerlei Verbindung zwischen einem Denker und seiner politischen ;berzeugung gibt. Die Vertreter dieser Sichtweise nennen h;ufig als Beispiel Gottlob Frege, der ein boshafter Antisemit war, dessen politische Ansichten aber offensichtlich keinen Einfluss auf sein technisches Werk ;ber Logik aus;bten. Doch selbst wenn man zustimmt, dass es F;lle gibt - besonders in technischen Bereichen, die keine N;he zu politischen und soziologischen Fragen aufweisen - in denen theoretische Arbeit unabh;ngig von der Biografie oder sozialen Stellung einer Person stattfindet, folgt daraus nicht, dass eine solche Dichotomie im Werk eines jeden einzelnen Theoretikers vorhanden ist. Es w;re sogar erstaunlich, eine solche Dissonanz zwischen den politischen Aktivit;ten eines Menschen wie Heidegger und seinen theoretischen ;berlegungen zu finden angesichts des Umstandes, dass seine theoretische Arbeit gr;ndlich auf Fragen des pers;nlichen und politischen Handelns einging.

W;rden wir in Bezug auf Heidegger einem dieser beiden falschen Wege folgen, f;nden wir uns m;glicherweise in unserem Urteil ;ber seine Person und seine politischen ;berzeugungen best;tigt, aber wir w;rden die Chance verpassen, etwas dar;ber zu lernen, wie seine Philosophie seine politischen Ansichten beeinflusste oder im Gegenzug von diesen beeinflusst wurde. Insbesondere w;rden wir unserer Verantwortung vernachl;ssigen, ein h;chst bemerkenswertes Ph;nomen des b;rgerlichen Denkens des fin-de-si;cle zu erkl;ren - wie es kommt, dass ein Philosoph, der von vielen der gr;;te Denker des zwanzigsten Jahrhunderts genannt wurde, in der Tat ein Nazi war? Was verr;t dieser Umstand ;ber die Art der Philosophie, die von Heidegger und seinen Anh;ngern praktiziert wurde? Und vor allem: Was sagt dies ;ber den Zustand der kultivierten Meinung zu Beginn des neuen Millenniums?

Als Alternative zu den frommen Plattit;den jener, die Heidegger als Unschuldigen darstellen, der "einem Irrtum verfiel", fassen wir kurz die geschichtliche Denktradition zusammen, in der Heidegger stand. Dabei wird deutlich werden, dass Heidegger weder naiv noch anf;llig f;r Irrt;mer war, sondern dass, wie er selbst zugab, in seiner Zuwendung zum Nationalsozialismus und zu Hitler das tiefste Prinzip seines Denkens Ausdruck fand.

Allgemein gesprochen steht Heidegger im Rahmen der romantischen Reaktion gegen die Aufkl;rung und die franz;sische Revolution. Philosophisch fanden sowohl die Aufkl;rung wie auch die franz;sische Revolution ihren tiefsten Ausdruck im Werk Friedrich Wilhelm Hegels. Hegel versuchte zu ;berwinden, was er als Einseitigkeit der Aufkl;rung und der franz;sischen Revolution ansah, w;hrend er gleichzeitig ihr Werk als historisch notwendig f;r das Entstehen der modernen b;rgerlichen Gesellschaft verteidigte. Marx folgte Hegel als Verteidiger der Aufkl;rung und der franz;sischen Revolution. Allerdings erkannte Marx, dass die Ideale der franz;sischen Revolution - Freiheit, Gleichheit, Br;derlichkeit - unvereinbar waren mit einer Gesellschaft, deren Grundlage das Privateigentum bildet. Fortan konnten diese Ideale nur durch den Kampf f;r den Sozialismus verwirklicht werden.

Im Jahre 1848 brachen in ganz Europa revolution;re Bewegungen aus. Die Arbeiterklasse tat ihre ersten Schritte als eigenst;ndige politische Kraft. Dies fand einen m;chtigen Widerhall in allen Schichten der Gesellschaft. Infolge der Ereignisse von 1848 wurde sich die philosophische Reaktion gegen die aufkl;rerische Vernunft ihrer Ziele bewusster. Kam die urspr;ngliche Opposition gegen die Aufkl;rung im achtzehnten Jahrhundert von den Monarchisten, Junkern und der Kirche, so erlebte das neunzehnte Jahrhundert eine Welle der Opposition gegen das Verm;chtnis der Aufkl;rung von den Kr;ften, die sich von der aufstrebenden b;rgerlichen Gesellschaft am st;rksten bedroht f;hlten. Sie schauten sehns;chtig zur;ck auf ein verkl;rtes goldenes Zeitalter in der mittelalterlichen Vergangenheit.

Besonders in Deutschland, wo die Bourgeoisie noch ihre politische Vorherrschaft durchsetzen musste, fand die Geburt der politischen Romantik Resonanz bei der Bauernschaft und der Mittelklasse, die sich durch die demokratischen Revolutionen, die in den 1840-er Jahren die alte Ordnung in Europa angriffen, am st;rksten bedroht f;hlten. Dies spielte den F;rsten, Prinzen und Junkern in die H;nde, die kein Verlangen nach einer Teilung der politischen Macht hatten. 1841, zehn Jahre nach Hegels Tod, holten die preu;ischen Autorit;ten seinen fr;heren Stubenkameraden und philosophische Nemesis Friedrich Schelling zu Vorlesungen nach Berlin.

Wir k;nnen sagen, dass in Schellings sp;terer Philosophie die romantische Reaktion gegen die Aufkl;rung ihre erste philosophische Stimme fand. Schelling bem;hte sich, das aufkl;rerische Interesse an Vernunft, politischer Freiheit und sozialer Gleichheit durch eine Ablehnung der Vernunft zugunsten von Offenbarung und elit;ren Werten zu ersetzen. Schellings sp;teres System heiligte einen Appell an Mythen und Autorit;t.

Infolge der Niederlage der Revolution von 1848 fielen die anti-rationalistischen Tendenzen, die in der sp;teren Philosophie Schellings Ausdruck fanden, auf fruchtbaren Boden. Die Verhei;ung der franz;sischen Revolution, die eine neue ;ra in der menschlichen Geschichte einzuleiten schien, machte dem Albtraum der preu;ischen Reaktion Platz. Anstatt von Begeisterung f;r neue M;glichkeiten, wurde das geistige Klima durch Resignation und Anpassung an die engherzige politische Praxis bestimmt. Der Begriff der Freiheit wurde subjektiv umgedeutet, als innere Einstellung, die trotz der Wechself;lle des politischen Leben aufrecht erhalten werden kann. Dies ging einher mit einem tiefen Pessimismus bez;glich der menschlichen F;higkeit, eine humanere Gesellschaft zu erschaffen. Der Name Arthur Schopenhauer wird auf ewig mit dieser Str;mung des subjektiven Idealismus verbunden sein.

Nach 1848 fand ein grundlegender Wandel in den gesellschaftlichen Bedingungen statt. W;hrend die politische Romantik in den Jahren vor 1848 dem Kapitalismus feindlich gegen;berstand, wandte sich, insbesondere in Deutschland, ihre politische Sto;richtung nun gegen die Arbeiterklasse. Das war eine Folge er Ersch;tterungen jenes Jahres, in denen die Arbeiterklasse zum ersten Mal als unabh;ngige politische Kraft auftrat. Alles, was vom antikapitalistischen Impuls der fr;hen Periode der Romantik blieb, war eine Kulturkritik der b;rgerlichen Mittelm;;igkeit.

Aristokratische und elit;re Werte wurden als Schutz gegen die gro;e gesellschaftliche Gleichmacherei verfochten, die von demokratischen und sozialistischen Regungen ausging. Es muss nicht darauf hingewiesen werden, dass die greifbare Furcht vor der Arbeiterklasse sich exponentiell vergr;;erte, nachdem die Arbeiterklasse 1971 w;hrend der Pariser Commune zum ersten Mal f;r kurze Zeit die Macht in ihre eigenen H;nde genommen hatte. Der Gem;tszustand des deutschen Kleinb;rgers unmittelbar nach der Niederschlagung der Pariser Commune wurde in einem Brief Nietzsches festgehalten:

"Wir d;rfen wieder hoffen! Unsere deutsche Mission ist noch nicht vorbei! Ich bin mutiger denn je: denn noch nicht alles ist unter franz;sisch-j;discher Verflachung und ;Eleganz‘ und unter dem gierigen Treiben der ;Jetztzeit‘ zugrunde gegangen. [...] ;ber den Kampf der Nationen hinaus hat uns jener internationale Hydrakopf erschreckt, der pl;tzlich so furchtbar zum Vorschein kam, als Anzeiger ganz anderer Zukunftsk;mpfe." [44]

Nietzsche spielt eine Schl;sselrolle in unserer Geschichte, da durch ihn das Projekt der Aufkl;rung buchst;blich auf den Kopf gestellt wurde. Nietzsche eignet sich die kritischen Waffen der Aufkl;rung an und wendet sie gegen die Aufkl;rung. Er beginnt damit, die Machtbeziehungen hinter den Wahrheitsanspr;chen zu enth;llen, eine Technik, die von der Aufkl;rung in ihrem Kampf gegen religi;sen Aberglauben entwickelt wurde, und wendet dies gegen die Aufkl;rung selbst. Er schlie;t, dass alle Wahrheitsbehauptungen auf nichts anderes hinauslaufen als den "Willen zur Macht". Er interpretiert die gesamte Geistesgeschichte neu als Ausdruck eines verborgenen Strebens nach Macht.

Nach dieser Auffassung waren wir in den letzten zwei Jahrtausenden Zeuge des "Willens zur Macht" des Christentums, von dem das Schicksal der europ;ischen Kultur bestimmt war. Nietzsche verachtete die egalit;ren Bewegungen f;r demokratische Reformen und Sozialismus, die in dieser Zeit aufkamen. Er betrachtete diese modernen politischen Bewegungen als Bedrohung der aristokratischen Werte, nach denen gro;e Zivilisationen und gro;e Menschen (der ";bermensch") streben sollten. Er klagt das Christentum an, das seiner Ansicht nach von "Sklavenmoral" durchdrungen ist, weil es einen Prozess in Gang gesetzt habe, der seinen H;hepunkt in der abschlie;enden Demaskierung des religi;sen Glaubens durch die Aufkl;rung fand, ein Ereignis, das er den "Tod Gottes" nennt. Die Aufkl;rung leitet eine Epoche ein, in der Werte keine Grundlage mehr haben, die Epoche des Nihilismus.

In Nietzsche findet die Gegenaufkl;rung ihre eigentliche Stimme. Und diese Tradition m;ssen wir uns anschauen, um Martin Heideggers Philosophie einordnen zu k;nnen. Heidegger selbst anerkannte Nietzsche in der Tat korrekt als Gleichgesinnten. Aber w;hrend Nietzsche sich als Prophet sah, der den Nihilismus ank;ndigte, sah Heidegger sich als Biograf eines voll entwickelten Nihilismus. Heideggers Ansicht nahm Gestalt an in der zutiefst pessimistischen Atmosph;re, hervorgerufen durch Deutschlands Niederlage im Ersten Weltkrieg. Er wurde von dem rechten Schriftsteller Ernst J;nger beeinflusst, dessen Romane den standfesten, entschlossenen Soldaten, der seinem Schicksal in der Schlacht begegnet, verherrlichen. Ein weiterer wichtiger Einfluss war Oswald Spenglers Der Untergang des Abendlandes, ein hysterischer Wortschwall gegen Sozialismus und Liberalismus, denen vorgeworfen wird, sie untergr;ben die Werte der westlichen Zivilisation.

Die unmittelbare philosophische Tradition, aus der Heidegger hervorging, wurde von Wilhelm Dilthey in den letzten Jahrzehnten des neunzehnten Jahrhunderts eingeleitet. Diltheys Str;mung wurde unter der Bezeichnung Lebensphilosophie bekannt. Unter ihren Anh;ngern befanden sich so unterschiedliche Denker wie Georg Simmel, Oswald Spengler, Max Scheler und Karl Jaspers, so wie die Faschisten Ludwig Klages, Alfred B;umler und Ernst Krieck.

Die Lebensphilosophie war weniger eine spezifische philosophische Lehre als eine bestimmte kulturelle Stimmung, die gro;e Teile der Intelligenz beeinflusste. Ihr Charakteristikum ist eine strenge Dichotomie von Wissenschaft und Technologie auf der einen und der Kategorie "Leben" auf der anderen Seite. Zu ihrer ideologischen Wappnung lieh sich die Lebensphilosophie die Kritik des wissenschaftlichen Verstehens aus den Debatten, die vor 1848 stattgefunden hatten. Wissenschaftliches Verstehen, als beschr;nkt und trocken verstanden, wurde der "Erfahrung" gegen;bergestellt, die einen intuitiven Zugang zum "Leben" vermittelt. Diese Berufung auf die unmittelbare Intuition, die nach und nach immer st;rker betont wurde, zeichnete die Lebensphilosophie als eine Form des Irrationalismus aus.

In seinem wichtigsten Werk Sein und Zeit setzt sich Heidegger selbst die heroische Aufgabe, die Geschichte der Metaphysik der Vergessenheit zu entrei;en. Insbesondere behauptet er, dass der moderne Mensch die Bedeutung der Frage nach dem Sein vergessen habe. Er sagt, dass wir beim Gebrauch des gel;ufigen Wortes "ist" nicht mehr wissen, was wir meinen. Nach Heidegger verdeckt die Subjekt-Pr;dikat-Logik, die wir t;glich benutzen, die wahre Bedeutung der Existenz. Heidegger behauptet, dass die Griechen eine authentische Erfahrung des Seins als "Unverborgenheit" hatten. Aber als die griechische Philosophie ins Lateinische ;bersetzt wurde, verlor sie den Reichtum dieser urspr;nglichen Erfahrung. Die Erfahrung des Seins wurde verdinglicht in eine Beziehung zwischen einem Ding und seinen Eigenschaften. Heidegger betrachtet es als seine Aufgabe, die urspr;ngliche Bedeutung von Sein wiederherzustellen, die verlorengegangen ist. Von diesem Ausgangspunkt erkl;rt er der gesamten Geschichte der westlichen Philosophie nach den Griechen den Krieg.

Der Einfluss Nietzsches ist offensichtlich und wird noch augenf;lliger in der sp;teren Philosophie Heideggers. Wie Nietzsche wendet sich Heidegger von der Geschichte der Philosophie ab, die in seiner Sicht durch eine fehlerhaftes Erkenntnismodel hoffnungslos kompromittiert ist. Seine Methode, Philosophie zu praktizieren, folgt ebenfalls den Fu;stapfen Nietzsches. Er verwirft die diskursive Argumentation, die einen unvoreingenommenen Leser durch die Kraft ihrer Logik zu ;berzeugen versucht, zugunsten von prophetischen ;u;erungen und etymologischen Tricks, die darauf zielen, den Leser zu ;berw;ltigen.

In seiner sp;teren Philosophie geht Heidegger sogar noch weiter in seiner Verwerfung der Geschichte der Philosophie. Er behauptet, dass sich nach den Vorsokratikern alle Philosophen der Verf;lschung und Verdeckung einer Art der urspr;nglichen Erfahrung des Seins schuldig gemacht h;tten. Die von ihm geplante Wiederherstellung der urspr;nglichen Bedeutung des Seins verwandelt sich in ein Projekt, das auf die "Zerst;rung der Metaphysik" zielt.

Sein und Zeit ist erf;llt von einer Diskussion ;ber die Bedeutung des Todes. Nach Heidegger sind es die drohende Gefahr des Todes und unser Wissen darum, die ein "eigentliches" Leben m;glich machen. Nur wenn wir das Leben bis zum ;u;ersten leben und mit unserer Sterblichkeit konfrontiert sind, sind wir in der Lage, das uneigentliche Geplapper unserer tagt;glichen Existenz beiseite zu schieben und mit unserem wahren Selbst einig zu werden. Dieses Thema, das Heidegger das "Sein zum Tode" nannte, war keinesfalls neu in der Geistesgeschichte. Es ist eng verwandt mit den ;berlegungen zahlreicher religi;ser Autoren von St. Augustin ;ber Kierkegaard bis Tolstoi.

Allerdings hat Heideggers verweltlichte Meditation ;ber die Unmittelbarkeit des Todes und die Verantwortung, die daher auf uns ;bertragen wird, mehr mit der Heldenliteratur Ernst J;ngers gemein. Vor allem der Soldat ist aufgerufen, im Angesicht des drohenden Todes eine Entscheidung zu treffen, die seinem Leben einen Wert gibt. Heideggers Kategorie der "Entschlossenheit", die in der Existenzphilosophie so wichtig wird, wurzelt in der Situation des Soldaten, der dem Feind im Sch;tzengraben in einem hoffnungslosen Kampf gegen;bersteht.

Viele Kommentare schlie;en aus dieser Eigenart des Heideggerschen Denkens, seiner Betonung der Notwendigkeit, gef;hrliche, weil das Schicksal besiegelnde Entscheidungen zu treffen, das seine Philosophie im Kern unpolitisch ist. Man kann sich anscheinend entschlie;en, ein Nazi zu werden - wie Heidegger selbst - oder ein Mitglied der franz;sischen Resistance - wie Sartre -, und immer noch den Kategorien einer eigentlichen Existenz treu bleiben. Der vollkommen hohle Charakter der Kategorien Eigentlichkeit und Entschlossenheit waren der Gegenstand von viel Kritik. Habermas zum Beispiel charakterisierte sie als "Dezisionismus der leeren Entschiedenheit". [45] Heidegger wird vorgeworfen, das bei ihm jedes Kriterium fehlt, mit dem der Wert einer Entscheidung gegen;ber einer anderen beurteilt werden kann. Wenn man die landl;ufige Interpretation Heideggers anerkennt, ist diese Kritik soweit berechtigt. Allerdings verspricht ein soeben erschienenes bemerkenswertes Buch, den Kern der g;ngigen Meinung zu Heideggers Philosophie komplett umzuwerfen.

In seinem bahnbrechenden Werk Historical Destiny and National Socialism in Heidegger's Being and Time zeigt Johannes Fritsche nicht nur, dass die in Sein und Zeit diskutierten Kategorien nicht unpolitisch sind, sondern das Gegenteil der Fall ist: "Wenn man Sein und Zeit in seinem Kontext liest, sieht man, dass, wie Scheler es ausdr;ckte, in dem kairos[der Krise] der zwanziger Jahre Sein und Zeit ein hoch politisches und moralisches Werk war, dass der radikalsten Gruppierung auf der revolution;ren Rechten Argumente lieferte, n;mlich die Nationalsozialisten." [46]

Fritsche stellt fest, dass Heideggers Ausdrucksweise und Sprachgebrauch Bestandteil einer gemeinsamen Tradition rechten Denkens waren, wie sie in den 20-er Jahren in Deutschland aufkam. Der politische Inhalt von Sein und Zeit sei Heideggers Zeitgenossen in Deutschland klar gewesen. Allerdings sei f;r Leser der franz;sischen und englischen ;bersetzung, die ein bis zwei Generationen sp;ter in Umlauf kamen, der politische Inhalt vollkommen unverst;ndlich gewesen. Statt dessen, wie es Fritsche sp;ttisch ausdr;ckt, war die Lesart dort die folgende: "Ihr seht in Sein und Zeit das furchterregende Gesicht der alten Hexe der Einsamkeit der isolierten b;rgerlichen Subjekte oder die unerotische Anordnung in ihrer Gesellschaft, und ihr seht den Wunsch nach einem Sprung aus dieser Gesellschaft hinaus." [47]

Satre und die franz;sischen Existenzialisten ;bernahmen von Heidegger die Themen der Einsamkeit und Entfremdung sowie die daraus logisch folgende Vorstellung eines heldenhaften und entschlossenen Voluntarismus angesichts einer absurden Welt. Fritsche behauptet, dass, welche Verdienst ihrem eigenen Werk auch zukommen m;gen, die Existenzialisten Heidegger missverstanden. Fritsches Beweisf;hrung daf;r, dass Heidegger als Philosoph des Nationalsozialismus zu lesen sei, kann unm;glich in diesem Artikel wiedergegeben werden. Sie st;tzt sich auf eine sehr anspruchsvolle historische und politische Textanalyse von Sein und Zeit. Nachdem er den tats;chlichen Inhalt von Sein und Zeit rekonstruiert hat, vergleicht Fritsche ihn mit den Schriften von zwei anderen ber;chtigten rechten Schriftstellern, die Heideggers Zeitgenossen waren, n;mlich Max Scheler und Adolf Hitler. Fritsche zeigt, dass die politischen Inhalte von Sein und Zeit und Mein Kampf identisch sind, trotz der Tatsache, dass das erste Buch von einem weltber;hmten Philosophen und das zweite von einem Soziopathen aus der Wiener Gosse geschrieben wurde.

Einer der Mythen, mit denen Fritsche aufr;umt, ist der, dass Heideggers Begriff der Eigentlichkeit mit der traditionellen Konzeption von individueller Freiheit in Verbindung steht. Fritsche zeigt, dass f;r Heidegger das Erlangen von "Eigentlichkeit" exakt das Gegenteil von der Aus;bung von Freiheit bedeutet. Eher bedeutet es, dass jemand einen "Ruf" zum Leben nach seiner Bestimmung beantwortet. Das Schicksal, dessen Ruf man zu beantworten hat, ist vorgegeben durch Kr;fte, die au;erhalb der Reichweite des Individuums liegen. Den Ruf zu beantworten ist daher die Antithese zu jeder Vorstellung von Freiheit. Um diese These zu unterst;tzen, zitiert Fritsche die folgende Passage aus Sein und Zeit:

"Das Dasein [Heideggers Ausdruck f;r die menschliche Existenz] kann nur deshalb von Schicksalsschl;gen getroffen werden, weil es im Grunde seines Seins in dem gekennzeichneten Sinne Schicksal ist. Schicksalhaft in der sich ;berliefernden Entschlossenheit existierend, ist das Dasein als In-der-Welt-sein f;r das ;Entgegenkommen‘ der ;gl;cklichen‘ Umst;nde und die Grausamkeit der Zuf;lle erschlossen. Durch das Zusammensto;en von Umst;nden und Begebenheiten entsteht nicht erst Schicksal. Auch der Unentschlossene wird von ihnen und mehr noch als der, der gew;hlt hat, umgetrieben und kann gleichwohl kein Schicksal ;haben‘." [48]

Fritsche kommentiert diesen Auszug folgenderma;en:

"Erstens: Weit davon entfernt, etwas zu sein, das vom Dasein erschaffen, ver;ndert oder gebrochen wird, existiert das ;Schicksal‘ bereits vor dem Dasein und verlangt die Unterwerfung des letzteren. Die Frage ist nicht, wie ein Schicksal geschaffen oder gebrochen werden kann [was eine typisch existentialistische Auslegung w;re. A.S.]. Das Problem besteht eher darin, ob ein Dasein sein Schicksal akzeptiert, sich ihm ;ffnet, ergibt, unterwirft oder opfert - was ein eigentliches Dasein tut - oder ob ein Dasein sein Schicksal leugnet und ihm zu entkommen versucht - was ein gew;hnliches und deshalb uneigentliches Dasein auszeichnet." [49]

Das Schicksal, dem sich eigentliches Dasein unterwerfen muss, ist auch keine Art von Existenzangst. Schicksal hat f;r Heidegger einen bestimmten politischen Inhalt. Das Schicksal des patriotischen Deutschen wurde identifiziert mit der ;Volksgemeinschaft‘, ein Kampfausdruck der Nazis, der die Gemeinsamkeit auf der Basis von Rasse und Erbe anzeigen sollte. Die Idee der ;Volksgemeinschaft‘ wurde in rechten Schriften dieser Zeit oft der ;Gesellschaft‘ entgegengesetzt. Letzterer Begriff stand nach den Ideen der Aufkl;rung f;r eine Interessengemeinschaft, die sich auf universelle menschliche Werte st;tzt. Fritsche f;hrt seine Analyse der Eigentlichkeit fort und kommentiert:

"Im Gegensatz zum gew;hnlichen Dasein und uneigentlichen Dasein begreift eigentliches Dasein, dass es eine gef;hrliche Situation gibt und verbindet sich selbst mit dem ;Erbe‘. Dadurch, dass es dies tut, schafft es die Trennung zwischen den Daseins, die ein Schicksal haben, und jenen, die keines haben, d.h. den uneigentlichen Daseins. Im n;chsten Schritt begreift das eigentliche Dasein, dass sein Erbe und Schicksal die Volksgemeinschaft ist, die es zum Kampf ruft. [...] Hiernach ;berl;sst sich eigentliches Dasein der Volksgemeinschaft und erkennt, was im Kampf auf dem Spiel steht. [...] Zuletzt beteuert eigentliches Dasein seine Unterwerfung unter die Vergangenheit der Volksgemeinschaft und beginnt mit dem Kampf, das bedeutet mit der Tilgung der Welt des uneigentlichen Daseins." [50]

Fritsche ist bei der Charakterisierung des Kampfes f;r eigentliches Dasein als "Tilgung der Welt des uneigentlichen Daseins" allzu metaphorisch. Im Klartext verweist die "Tilgung der Welt des uneigentlichen Daseins" auf die faschistische Konterrevolution. Sie erfordert die Zerst;rung der b;rgerlichen Demokratie und ihrer Institutionen, die Verfolgung und Ermordung von Sozialisten, die Schw;chung aller unabh;ngigen Organisationen der Arbeiterklasse, einen konzertierten und systematischen Angriff auf die Kultur der Aufkl;rung und nat;rlich die Verfolgung und schlie;liche Vernichtung von fremden Kr;ften inmitten des Volkes, vor allem der Juden.

Wenn Fritsche Interpretation von Sein und Zeit richtig ist, dann kann sie gleichfalls dazu dienen, das R;tsel der Beziehung zwischen Heideggers fr;her Philosophie und seiner sp;teren Hinwendung zu einer eigent;mlichen Form des Quietismus zu entwirren. Viele Interpreten waren verwirrt durch den scheinbar radikalen ;bergang von einer Philosophie, die auf Aktivismus aufbaut, wie die typische Interpretation von Sein und Zeit das Werk verstand, zu einer, die auf der mystischen Resignation gegen;ber dem Schicksal beruht, was Heideggers sp;te Philosophie charakterisiert. Fritsche hat allerdings gezeigt, dass die fr;he Philosophie alles andere als voluntaristisch war. Die Vorstellung vom Menschen, der sein Schicksal gem;; seinem Willen umgestaltet, ist ein typisches Motiv der Aufkl;rung, das wenig ;hnlichkeit mit Heideggers Vision hat. Die letztere besteht eher darin, wie Fritsche gezeigt hat, dass wir nicht so sehr unser Schicksal umgestalten, als vielmehr herausfinden, was es ist, und uns ihm unterwerfen. Somit ist das Gef;hl der Resignation in der fr;hen Philosophie bereits vorhanden. Der ;bergang zur sp;teren Philosophie ist daher kaum so radikal, wie er erscheint.

Wir k;nnen hinzuf;gen, dass an Heideggers Theorie der Eigentlichkeit als Antwort auf den Ruf des Schicksals nichts besonders Einzigartiges ist. Eine auffallend parallele Konzeption findet sich im Werk eines anderen zeitgen;ssischen Intellektuellen, der Sympathie f;r den Nationalsozialismus zeigte, dem Schweizer Psychologen Carl Jung. In einer Vorlesung im Jahre 1935 gibt Jung die folgende Einsch;tzung zur Beziehung zwischen individueller Willenskraft und unserem kollektiven Schicksal ab:

"[...] Unsere pers;nliche Psychologie [ist] nur eine d;nne Haut [...], ein leichtes Kr;useln auf dem Ozean der kollektiven Psychologie. Der machtvolle Faktor, der Faktor, der unser Leben ver;ndert, der die Oberfl;che unserer bekannten Welt ver;ndert, und der Geschichte macht, ist die kollektive Psychologie, und die kollektive Psychologie bewegt sich nach Gesetzen, die von denen unseres Bewusstseins von Grund auf verschieden sind. Die Archetypen sind die gro;en entscheidenden M;chte, sie bringen die echten Ereignisse hervor, und nicht unser pers;nlicher Verstand und praktischer Intellekt. [...] Es sind ohne Zweifel die archetypischen Bilder, die das Schicksal der Menschen bestimmen. Die unbewusste Psychologie des Menschen entscheidet und nicht das, was wir in der Gehirnkammer unseres Dachst;bchens denken und reden." [51]

Wenn wir Jungs Vokabular, das auf seiner mythologischen Aneignung der Psychologie beruht, durch Heideggers Kategorien ersetzen, werden wir eine wesentliche ;bereinstimmung der Denkweise von Jung und Heidegger feststellen. Zum Beispiel, wenn "eigentliches Dasein" f;r "die unbewusste Psychologie des Menschen" eingesetzt wird, dann haben wir einen anderen Ausdruck von Heideggers Argument, dass durch die bewussten Handlungen des Menschen das Schicksal weder geschaffen noch ver;ndert wird. Schicksal ist vielmehr ein Zustand, der schon vor der Existenz gegeben ist, ein Archetyp in Jungs Terminologie, dessen "Ruf" auf einer unbewussten Ebene man zu beantworten gezwungen ist, oder man muss die Konsequenzen der Uneigentlichkeit in Kauf nehmen.

Die N;he zwischen Heideggers und Jungs Denken sollte nicht als Fall von Fremdbest;ubung zwischen Philosophie und Psychologie interpretiert werden. Es zeigt vielmehr eine gemeinsame Auffassung, die einer gemeinsamen ideologischen Quelle entspringt. Dieses gemeinsame Substrat ist die v;lkische Ideologie, die in Deutschland ;ber ein Jahrhundert vor der Entwicklung des Nationalsozialismus heranreifte. W;hrend die Philosophen der Gegenaufkl;rung der v;lkischen Ideologie den Weg bereiteten, waren ihre tats;chlichen Urheber eine eklektische Mischung von Ideologen. Von der romantischen Reaktion gegen die Aufkl;rung zu Nietzsches Ank;ndigung, dass der Nihilismus der H;hepunkt der Vernunft sei, wurde der Glaube an den Fortschritt und die F;higkeit der Vervollkommnung der Menschheit durch Wissenschaft und gesellschaftliche Entwicklung sukzessiv unterh;hlt. Diese Stimmungen trafen bei solchen gesellschaftlichen Kr;ften auf Resonanz, die sich durch die Industrialisierung Deutschlands in der zweiten H;lfte des neunzehnten Jahrhunderts zunehmend verdr;ngt und marginalisiert fanden. Das Aufkommen der v;lkischen Ideologie war Ausdruck der ;ngste von Bauern, Handwerkern und Grundbesitzern, die durch die Zangenbewegungen der Bourgeoisie und der Arbeiterklasse bedr;ngt wurden.

Ideologien entstehen nicht nur aus den offiziellen philosophischen Schulen, sondern werden auch durch einen "Untergrund" entwickelt, dessen f;hrende Vertreter von sp;teren Historikern kaum wahrgenommen werden. Heinrich Riehl (1823-97), ein Mann der in Texten ;ber die Geschichte der Philosophie keinerlei Spuren hinterlassen hat, war ein fruchtbarer Theoretiker der v;lkischen Ideologie. Sein Buch Land und Leute behauptete, dass der innere Charakter eines Volkes vollst;ndig mit der heimatlichen Landschaft verflochten sei. Zentral in Riehls Denken und der v;lkischen Ideologie ist danach das Konzept, dass bestimmte Klassen oder ethnische Gruppen eine organische Beziehung zum Land aufweisen und daher "verwurzelt" sind, w;hrend andere "wurzellos" sind und nicht an das Volk assimiliert werden k;nnen. Der Historiker George L. Mosse fasst in seiner pr;zisen Geschichte der v;lkischen Ideologie diesen Aspekt der Ideen Riehls zusammen:

"F;r Riehl war jedoch eine dritte Klasse entstanden, die eine Gefahr f;r die politische Struktur darstellte und die nicht in die v;lkische Gesellschaft eingegliedert werden konnte. Diese Gruppe, das wahre ;Proletariat‘, bestand aus den vollkommen Enterbten...

"Die Ursache f;r den Ausschluss des Proletariats aus dem St;ndesystem war dessen Labilit;t und Ruhelosigkeit. Diese Gruppe geh;rte zu jener zeitgen;ssischen Bev;lkerung, die niemals dauerhaft Wurzeln schlagen konnte. In diese Kategorie wurde der Wanderarbeiter eingereiht, der - heimatlos - keine Landschaft sein eigen nennen konnte. Hinzu kamen weiterhin der Journalist, der Polemiker und der Bilderst;rmer, die alle den ehrw;rdigen Sitten entgegenstanden, vom Menschen geschaffene Wundermittel verteidigten und die Leute anfeuerten, gegen echte und seit langem bestehende Ordnungen zu revoltieren. Allen voran stand jedoch der Jude, der in seiner Natur ruhelos war. Zwar geh;rte er einem Volk an; da es jedoch kein eigenes Gebiet besa;, war er zur Entwurzelung verdammt. Diese Elemente der Bev;lkerung waren vor allem in den Gro;st;dten in der ;berzahl, die sie, so glaubte Riehl, nach den Vorstellungen der ihnen eigenen Landschaft gebaut h;tten. Dennoch sei dies ein k;nstliches Zuhause, und im Gegensatz zu der ruhenden Verwurzelung sei alles an diesem Zuhause einschlie;lich seiner Bewohner in st;ndiger Bewegung. Die Gro;stadt und das Proletariat schiene zu einem omin;sen Koloss zu verschmelzen, der das Volk und seinen Lebensraum in Gefahr brachte." [52]

Jung, der f;r die v;lkische Mythologie philosophisch empf;nglich war, dr;ckte in der Zeit unmittelbar nach 1933 Sympathie f;r den Nationalsozialismus aus. Anders als Heidegger allerdings, beantwortete Jung nicht den "Ruf" und trat nie den Nazis bei. Es ist vielleicht nicht g;nzlich ein Zufall, dass diese wenig schmeichelhafte Periode in Jungs Biografie erst in j;ngster Zeit Gegenstand kritischer Forschung geworden ist, obwohl sie, wie im Falle von Heidegger, seit Jahrzehnten bekannt war. [53]

Es ist nicht allzu schwierig zu erkennen, wie die Themen der "Verwurzelung" und "Wurzellosigkeit" in Sein und Zeit als "Eigentlichkeit" und "Uneigentlichkeit" auftauchen. Die v;lkischen Str;nge in Heideggers Denken verbinden sich mit dem irrationalistischen Erbe Nietzsches und so entsteht ein vielsagendes Bild der gesellschaftlichen Stellung des Kleinb;rgers in der Zeitspanne zwischen den zwei Weltkriegen. In seiner Studie ;ber die Entstehung von irrationalistischer Philosophie machte Georg Luk;cs die soziale Psychologie der Zeit aus, die solch eine ;ffnung f;r Heideggers Begriffsbildung schuf:

"Die Verzweiflung Heideggers hat also einen doppelten Charakter: einerseits das unerbittliche Entlarven der inneren Nichtigkeit des Individuums in der Krisenperiode des Imperialismus; andererseits - weil die gesellschaftlichen Gr;nde diese Nichtigkeit ins Zeitlose und Gegengesellschaftliche fetischisiert werden - kann das so aufgetauchte Gef;hl sehr leicht in eine verzweifelte reaktion;re Aktivit;t umschlagen. Es ist sicher kein Zufall, dass Hitlers Agitation ununterbrochen an die Verzweiflung appelliert. Freilich bei den arbeitenden Massen an die ;ber ihre ;konomisch-soziale Lage. Bei der Intelligenz schafft jedoch jene Stimmung der Nichtigkeit und Verzweiflung, von deren subjektiver Wahrheit Heidegger ausgeht, die er auf den Begriff bringt, philosophisch verkl;rt und als ;authentisch‘ kanonisiert, den g;nstigsten Boden f;r die Wirkung der Hitlerschen Agitation." [54]

Bis hierhin haben wir zwei Str;nge in Heideggers Denken ausgemacht, die einen gemeinsamen Bestandteil mit dem deutschen Faschismus bilden: philosophischer Irrationalismus und die Aneignung der v;lkischen Mythologie. Ein dritter ideologischer Baustein des deutschen Faschismus war die Pseudowissenschaft der Rassentheorie, die einem primitiven biologischen Determinismus entsprang. Ohne Zweifel passte Heideggers Denken sich nie dieser Art des plumpen Rassismus an. Die philosophischen Traditionen, aus denen die biologische Rassentheorie hervorgeht, der Sozialdarwinismus und der mechanistische Reduktionismus, waren Anathema zur Tradition der Lebensphilosophie, aus der Heidegger kam. Die Lebensphilosophie betonte, insbesondere durch ihre sp;teren Vertreter, den Unterschied zwischen Leben und Naturwissenschaften. Mit Heidegger entwickelt sie einen ausgesprochen anti-wissenschaftlichen Zug. Man k;nnte sagen, dass Heideggers Feindseligkeit gegen;ber der Wissenschaft jede Ber;cksichtigung einer rassistischen Pseudowissenschaft ausschloss.

Einige der Verteidiger Heideggers haben darauf hingewiesen, dass Heidegger, eben weil er Gegner des Biologismus war, darum auch kein Nazi oder Antisemit gewesen sein k;nnte. Wenn wir dieser Denkrichtung folgen, w;rden wir der biologischen Rassentheorie eine viel zu gro;e Bedeutung f;r den Nationalsozialismus zuweisen. Wie Tom Rockmore betont hat:

"Jedoch ist der Antibiologismus, den Heidegger mit vielen anderen Intellektuellen gemeinsam hatte, vereinbar mit Antisemitismus und Nationalsozialismus. Zumindest nachdem der Nationalsozialismus an die Macht gelangt war, war der Biologismus f;r den Nationalsozialismus nicht so wichtig wie der traditionelle Antisemitismus, der eindrucksvoll vorhanden ist in, beispielsweise, Luthers Werken und selbst in Reden vor dem Deutschen Reichstag, dem Parlament." [55]

Wir k;nnen hinzuf;gen, dass Heidegger sich nicht scheute, mit den scheu;lichsten Nazi-Rassisten in gemeinsamen Projekten zusammenzuarbeiten, trotz seiner Ablehnung ihrer primitiven Philosophie. Wie auch immer die philosophischen Differenzen aussahen, die Heidegger mit Alfred Rosenberg hatte, war er doch mehr als bereitwillig, an internationalen Konferenzen als Vertreter des Dritten Reichs teilzunehmen und auf demselben Podium mit Rosenberg und ;hnlichem Abschaum zu sitzen. [56]

Man k;nnte die Beobachtung von Luk;cs hinzuf;gen, dass die offizielle nationalsozialistische "Philosophie" niemals ein breites Publikum gefunden h;tte, wenn die Jahre der irrationalistischen Kultur ihr nicht den Weg geebnet h;tten.

"Damit aber eine so wenig fundierte und koh;rente, so zutiefst unwissenschaftliche, so grob dilettantische ;Weltanschauung‘ zur herrschenden werden konnte, war eine bestimmte philosophische Atmosph;re, ein Zersetzen des Vertrauens zu Verstand und Vernunft, eine Zerst;rung des Glaubens an den Fortschritt, eine Leichtgl;ubigkeit gegen;ber Irrationalismus, Mythos und Mystik vonn;ten." [57]

Vielleicht bestand Heideggers gr;;tes Verbrechen nicht darin, dass er Mitglied in der NSDAP wurde und den Posten als Rektor in Freiburg annahm. Dies waren reine politische Verbrechen, von vielen Tausenden Jasagern in ;hnlicher Art begangen. Vielleicht war sein Verbrechen an der Philosophie grundlegender. Denn hierdurch lieferte er in keinem geringen Umfang einen Beitrag zur Kultur der Barbarei, die die Bestie des Nationalsozialismus n;hrte.

Danse Macabre: Heidegger, Pragmatismus und Postmodernismus

"Diese Eitelkeit, welche sich jede Wahrheit zu vereiteln, daraus in sich zur;ckzukehren versteht und an diesem eigenen Verstande sich weidet, der alle Gedanken immer aufzul;sen und statt alles Inhalts nur das trockene Ich zu finden wei;, ist eine Befriedigung, welche sich selbst ;berlassen werden muss; denn sie flieht das Allgemeine und sucht nur das F;rsichsein." [58]

Eine der merkw;rdigsten philosophischen Tendenzen in der Nachkriegsperiode war die Umarmung Heideggers durch viele links-gerichtete Intellektuelle. Dies ist ein au;ergew;hnlich komplexer Gegenstand, dem wir im Rahmen dieser Darstellung kaum gerecht werden k;nnen. Wir wollen einfach, trotz der historischen Unterschiede, die epistemologische Verwandtschaft zwischen Heidegger und seinen heutigen Sympathisanten skizzieren.

Was die Nachkriegsintelligenz im Westen charakterisierte, war der pauschale Verzicht auf jegliche Identifikation mit dem Marxismus, dem Humanismus oder jeglichem ;berrest der aufkl;rerischen Vernunft. Die Hoffnungen einer Generation radikaler Intellektueller wurden unter dem Gewicht der gescheiterten revolution;ren Bewegungen in den sp;ten 60-er und fr;hen 70-er Jahren zertrampelt. Man sollte insbesondere in Bezug auf die franz;sische Intelligenz die Auswirkungen des Scheiterns des revolution;ren Aufruhrs im Mai/Juni 1968 nicht untersch;tzen. Legionen von vormals linken Intellektuellen begannen einen pauschalen R;ckzug von der aufkl;rerischen Vision einer emanzipatorischen Vernunft. Ihre verzweifelte Stimmung wurde von dem sp;ten Jean-Fran;ois Lyotard, dem Begr;nder des Postmodernismus, zusammengefasst:

"Wir k;nnen eine Form des Niedergangs in der Zuversicht, die ;ber zwei Jahrhunderte vom Westen in das Prinzip eines allgemeinen Fortschritts der Menschheit investiert wurde, beobachten und feststellen. Diese Idee eines m;glichen, wahrscheinlichen oder notwendigen Fortschritts hat seine Wurzeln in der ;berzeugung, dass Entwicklungen im Bereich der Kunst, der Technologie, des Wissens und der Freiheit der Menschheit als Ganze zugute kommen w;rden. [...]

Es gibt eine Art von Leiden im Zeitgeist. Es findet seinen Ausdruck in reaktiven, sogar reaktion;ren, Einstellungen oder in Utopien - aber nicht in einer positiven Orientierung, die eine neue Perspektive er;ffnen k;nnte." [59]

Lyotards pers;nlicher Werdegang steht exemplarisch f;r den politischen und intellektuellen Wandel einer ganzen Generation von Radikalen. In den 50-er und 60-er Jahren war er Mitherausgeber der radikalen Zeitschrift Socialisme ou Barbarie. Er nahm an den Ereignissen des Mai 1968 aktiv teil. Infolge der Stabilisierung des gaullistischen Regimes nach 1968 wandte Lyotard sich gegen den Marxismus, den er, zusammen mit der aufkl;rerischen Idee des Fortschritts, als "gescheiterte Metaerz;hlung" bezeichnete.

Da sie versuchten, die schreckliche j;ngere Geschichte als Versagen im Denken zu begreifen, war es kein gro;er Schritt f;r die Postmodernisten, sich die irrationalistische Tradition anzueignen, die sich von der Aufkl;rung abgewandt hatte. Hier finden die Heideggerianer, Postmodernisten, Dekonstruktionisten und Neopragmatisten ihre gemeinsame Basis. Alle diese Tendenzen lehnen das ab, was sie das traditionelle Begriffsdenken nennen, "Philosophie" oder "Wissenschaft" mit Gro;buchstaben.

Warum tendierten diese ungleichen philosophischen Traditionen zu Heideggers Vorstellung von einem "Denken [...], das strenger ist als das begriffliche"? [60]

Sie sahen in Heidegger den ideologischen Apparat, der ihnen helfen w;rde, das nunmehr suspekte Model der Rationalit;t, das ein Kennzeichen der westlichen Philosophie ;ber 2.500 Jahre war, zu ;berwinden. Heidegger stattete die gegen die Grundlagen gerichtete Herangehensweise von Derrida, Rorty und anderen mit einer systematischen Kritik der Philosophiegeschichte aus. Die Postmodernisten, Dekonstruktionisten und Pragmatisten akzeptierten feierlich Heideggers Diagnose vom Endstadium des westlichen Denkens wenn er sagte: "N;tig ist in der jetzigen Weltnot: weniger Philosophie, aber mehr Achtsamkeit des Denkens; weniger Literatur, aber mehr Pflege des Buchstabens." [61]

Der Neopragmatiker Richard Rorty kommt zum identischen Schluss, wenn er schreibt:

"Wenn die Philosophie verschwindet, wird etwas verloren gegangen sein, das im westlichen intellektuellen Leben eine zentrale Rolle spielte - so wie etwas Zentrales verloren ging, als unter den intellektuell angesehenen Anw;rtern der philosophischen Artikulation die religi;sen Eingebungen ausgemerzt wurden. Aber die Aufkl;rung dachte zu Recht, dass das, was nachfolgen w;rde, besser sei. Der Pragmatist setzt darauf, dass das besser sein wird, was der ;wissenschaftlichen‘, positivistischen Kultur, die von der Aufkl;rung geschaffen wurde, folgt." [62]

In einem bemerkenswerten Gest;ndnis erkl;rt Rorty selbst den zugrundeliegenden soziologischen Imperativ, der diese totale Ver;nderung im westlichen Denken hervorgebracht hat. W;hrend er das Unbehagen beschreibt, das ;ber das westliche Denken gekommen ist, schreibt Rorty:


"Es reflektiert den gesellschaftspolitischen Pessimismus, der europ;ische und amerikanische Intellektuelle ergriffen hat, seitdem wir stillschweigend den Sozialismus aufgegeben haben ohne dabei den Kapitalismus lieber zu m;gen - seitdem Marx aufh;rte, eine Alternative zu Nietzsche und Heidegger zu sein. Dieser Pessimismus, der sich manchmal selbst ;Postmodernismus‘ nennt, hat die ;berzeugung geschaffen, dass die Hoffnung auf gr;;ere Freiheit und Gleichheit, die die j;ngere Geschichte des Westens kennzeichneten, irgendwie zutiefst selbstbetr;gerisch war." [63]

So werden wir Zeuge der eigent;mlichen intellektuellen Teilhabe der Alt-68er-Generation von entt;uschten Ex-Radikalen an den Ideen der deutschen radikalen Rechten der 20-er Jahre. Die freundliche Aufnahme Derridas und des franz;sischen Postmodernismus in den Vereinigten Staaten kann erkl;rt werden durch eine Reihe von Entwicklungen der letzten drei Jahrzehnte, die in vielerlei Hinsicht parallel zu den Erfahrungen der franz;sischen Intelligenz verliefen. Wir denken dabei an die Desillusionierung, die aufkam, als die ungest;men Tage der Protestpolitik in den 60-ern und fr;hen 70-ern der beengenden kulturellen und politischen Landschaft der Reagan-Regierung Platz machten.

Doch was ist der Inhalt des neuen "Denkens", ;ber das Heidegger, Derrida und Rorty nachsinnen? Wir suchen vergebens in den Werken von Heidegger, Rorty, Lyotard oder Derrida nach einer Erkl;rung daf;r, was dieses neue "Denken" ist und inwiefern es "besser" ist als ein Denken, das auf dem Versuch beruht, die objektive Welt in Begriffe zu fassen. Bestenfalls werden wir auf die Werke von Dichtern und anderen K;nstlern verwiesen, deren intuitiver ;sthetischer Blick auf die Welt als neues Paradigma des Wissens angeboten wird. Dies erkl;rt die Abwendung des sp;ten Heideggers von traditionellen philosophischen Fragen hin zum Nachsinnen ;ber die Dichtkunst H;lderlins. Eine ;hnliche Tendenz k;nnen wir in den Werken der Postmodernisten und Neopragmatisten wahrnehmen. Derrida zum Beispiel versuchte, das philosophische Unterfangen als eine Form von literarischem Text neu zu definieren. Rorty lobt den "gutartigen" Romanschriftsteller auf Kosten des kr;nklichen Philosophen. [64]

Heideggers Anspruch, auf ein "Urdenken" hinzuweisen, das auf irgendeine Art eine R;ckkehr zu eine authentischeren, weniger verdorbenen Einsicht darstellt, ist nichts Neues in der Geschichte der Philosophie. Er ist nur eine Variation der Behauptung, dass die unmittelbare Intuition eine sicherere Grundlage f;r Wissen darstelle als die vermittelte Reihenfolge von Begriffen, die das Besondere mit dem Allgemeinen in Verbindung bringen. Der Versuch, das blo;e Besondere, unbeeinflusst vom Allgemeinen, zu fassen - ob begriffen als "Sinneswahrnehmung" oder als mystischer Zugang zum G;ttlichen -, hat die Philosophie ;ber Jahrhunderte verfolgt. Seinerzeit musste Hegel den Intuitionisten antworten, die das kritische Denken ablehnten. Diesen Denkern entgegnend schrieb er, dass "was das Unaussprechliche genannt wird, nichts anderes ist als das Unwahre, Unvern;nftige, blo; Gemeinte". [65]

Diese Bemerkung, scheint uns, ist eine perfekte Koda zu Heideggers "Denken", das ;ber die Philosophie hinausgeht. Heideggers "Denken" ist nicht post-philosophisch sondern pr;-philosophisch. Wir haben weniger die Geschichte der Metaphysik ;berwunden als dass wir zu einer Periode in der Geschichte des Denkens zur;ckgekehrt sind, die dem Aufkommen der Metaphysik vorausging, vor der Differenzierung der Wissenschaft von Mythen und Religion.

Die Schw;lstigkeit und Anma;ung in Heideggers R;ckkehr zum Archaischen wurde von Theodor Adorno, einem der fr;hesten und sch;rfsten Kritiker Heideggers, gro;artig herausgestellt. Adorno hob die verborgene Annahme in Heideggers Denken hervor, "die Identifikation des Archaischem mit dem Echten". Diesen Gedanken ausf;hrend schrieb er:

"Die Trivialit;t des Schlichten aber ist nicht, wie es Heidegger gefiele, der Wertblindheit seinsverlustigen Denkens zuzuschreiben, w;hrend sie von dem angeblich vernehmenden abfiele und als Edelstes sich offenbarte. Sondern sie ist das Mal jenes zurichtenden Denkens in den einfachsten Worten selbst, dem Heidegger entronnen zu sein vorspiegelt: der Abstraktion." [66]

Welche praktischen Folgen ergeben sich aus dieser Art des "Denkens"? Die nicht-vermittelte Wahrnehmung f;hrt einen zum "Vertrauten" zur;ck. Das "Vertraute" ist das, was wir als erwiesen, als selbstverst;ndlich wahr annehmen. Es ist die Sph;re der historisch tief verwurzelten Annahmen und Vorurteilen der Klasse, jene Axiome des allt;glichen Lebens, die von Freunden und Kollegen akzeptiert werden und daher den Bereich des "Vertrauten" bilden. Der Intuitionist ist daher ein Sklave der historisch verwurzelten Ideologien seiner Zeit und seines Ortes, w;hrend er die ganze Zeit denkt, dass er alle Dogmen und Vorurteile ;berwunden hat. F;r Heidegger ist das "Vertraute" stark verbunden mit der ideologischen Haltung der radikalen Rechten, er teilt ihre Mythologie vom Volk, das ein gemeinsames Schicksal hat, und vom Verrat des Vaterlandes durch Liberale und Sozialisten, usw. F;r den zeitgen;ssischen Haufen von Postmodernisten und Neopragmatisten ist es m;glich, ein gemeinsames Sortiment von ;berzeugungen zu skizzieren, die als Gemeingut der heutigen Intellektuellen angesehen werden. Unter diesen k;nnte man die folgenden nennen:

Der rationale Diskurs ist unf;hig, die Komplexit;t und Nuancen der (post)modernen Gesellschaft einzuschlie;en. (Die Tatsache, dass solch eine ;u;erung selbst ein Beispiel f;r rationalen Diskurs ist und somit sich selbst widerlegt, scheint die Vertreter dieser Ansicht nicht zu st;ren.)

Der Gedanke des Fortschritts kann in der Geschichte nicht nachgewiesen werden. Dies ist eng verbunden mit einem tiefen Gef;hl der Skepsis hinsichtlich der M;glichkeit, die Technologie zugunsten der Menschheit nutzbar zu machen.

Die Arbeiterklasse kann keine revolution;re Rolle spielen. Einige Postmodernisten stellen der Arbeiterklasse andere Kr;fte entgegen. Andere sind ohne Hoffnung auf die M;glichkeit einer revolution;ren Umwandlung der Gesellschaft. Wiederum andere leugnen sogar die Existenz der Arbeiterklasse in der heutigen Gesellschaft.

Allen gemeinsam ist jedoch die ;berzeugung, dass die Aussicht auf Sozialismus in unserer Zeit ausgeschlossen ist. Hieraus folgt, dass der Marxismus als hoffnungsloser utopischer Traum begriffen wird. Diese letzte ;berzeugung wird von allen Schattierungen des Postmodernismus, der Dekonstruktion und des Neopragmatismus unkritisch ;bernommen. Sie hat die St;rke eines neuen Dogmas, eines, das von seinen Vertreter vollst;ndig unbemerkt bleibt.

Um keine Missverst;ndnisse aufkommen zu lassen: Heideggers heutige Verteidiger sind, mit wenigen bemerkenswerten Ausnahmen wie Ernst Nolte, keine Unterst;tzer des Faschismus. Was sie in Heidegger sehen, ist sein Angriff auf die Geschichte des rationalen Denkens. Wie Heidegger m;chten sie zur;ckkehren in eine mystische Vergangenheit vor dem verderbenden Einfluss der westlichen Metaphysik. Die Politik des "Urdenkens", die mit Hegels Worten "das Allgemeine flieht", f;hrt unweigerlich zu einer Politik, die das Unmittelbare und Fragmentarische erh;ht auf Kosten der objektiven und universellen Interessen der Menschheit.

Es ist kein Zufall, dass die Postmodernisten zu Unterst;tzern verschiedener Formen von "Identit;tenpolitik" wurden, die auf subjektiv wahrgenommenen spezifischen Interessen - wie Geschlecht, ethnische Zugeh;rigkeit oder sogar Nachbarschaft - beruhen. Sie sind gegen jede Politik, die sich auf universelle und objektive Klasseninteressen gr;ndet. Dies ist nur eine Variation von Heideggers Position in den 20-er und 30-er Jahren, in denen die Realit;t der mystischen Volksgemeinschaft zum Hauptprinzip wurde, nach dem politische Positionen formuliert wurden.

Zuletzt m;chten wir noch einmal fragen, warum Heidegger von vielen als der gr;;te Philosoph des zwanzigsten Jahrhunderts angesehen wird? Wir k;nnen einige Gr;nde beleuchten, warum Philosophen und andere, die dem Faschismus keine Sympathie entgegenbringen, sein Werk verlockend finden. Sein Werk bekundet eine tiefe Vertrautheit mit der Geschichte der Philosophie und ihren Problemen. Auch entwickelt er eine sehr ungew;hnliche Interpretation dieser Geschichte. Im Grunde ist der Inhalt seines Denkens weder profund noch originell. Beurteilungen der oben genannten Art basieren allerdings nicht auf dem Inhalt von Heideggers Philosophie. Sie entsteigen dem wahrgenommenen Fehlen einer Alternative zum Geist des Nihilismus, der unser Zeitalter durchdringt. Heidegger gab diesem Geist mehr als jeder andere im zwanzigsten Jahrhundert eine Stimme.

Es ist ein Geist, der verscheucht werden muss. Das Gegenteil des Nihilismus, der Geist der Hoffnung und Gleichheit, eingeleitet von der Aufkl;rung, ist der Marxismus. Wir m;chten mit den Worten des deutschen Marxisten Walter Benjamin, selbst ein Opfer der Nazis, schlie;en. In einem Kommentar zu Ernst J;ngers Buch Krieg und Krieger, das die faschistische ;sthetik feierte, schrieb er das Folgende, zu einer Zeit (1930) als die faschistische Bedrohung einen sehr dunklen Schatten zu werfen begann:

" Nicht ehe Deutschland das medusische Gef;ge der Z;ge, die ihm hier entgegentreten, gesprengt hat, kann es eine Zukunft erhoffen. [...] Wohl aber hat man alles Licht, das Sprache und Vernunft noch immer geben, auf jenes ;Urerlebnis‘ zu richten, aus dessen tauber Finsternis diese Mystik des Weltentods mit ihren tausend unansehnlichen Begriffsf;;chen hervorkrabbelt. Der Krieg, der sich in diesem Licht enth;llt, ist der ;ewige‘, zu welchem diese neuen Deutschen beten, sowenig wie der ;letzte‘, von welchem die Pazifisten schw;rmen. Er ist in Wirklichkeit nur dies: Die eine, f;rchterliche, letzte Chance, die Unf;higkeit der V;lker zu korrigieren, ihre Verh;ltnisse untereinander demjenigen entsprechend zu ordnen, das sie durch ihre Technik zur Natur besitzen. Missgl;ckt die Korrektur, so werden zwar Millionen Menschenk;rper von Gas und Eisen zerst;ckt und zerfressen werden - sie werden es unumg;nglich - aber selbst die Habitu;s chthonischer Schreckensn;chte, die ihren Klages im Tornister f;hren, werden nicht ein Zehntel von dem erfahren, was die Natur ihren weniger neugierigen, n;chterneren Kindern verspricht, die an der Technik nicht einen Fetisch des Untergangs, sondern einen Schl;ssel zum Gl;ck besitzen." [67]

Anmerkungen:
1 J;rgen Habermas, Zur Ver;ffentlichung von Vorlesungen aus dem Jahre 1935, in: Ders., Philosophisch-politische Profile, Frankfurt am Main 1971, S. 67

2 Victor Far;as, Heidegger und der Nationalsozialismus, Frankfurt am Main 1989

3 Thomas Sheehan, Heidegger and the Nazis, in: New York Review of Books vom 16. Juni 1988

4 Martin Heidegger, Die Selbstbehauptung der deutschen Universit;t, Rede vom 27. Mai 1933, zit. nach: Victor Far;as, a.a.O., S. 155ff.

5 Martin Heidegger, Die Universit;t im Neuen Reich, Vorlesung vom 30. Juni 1933, zit. nach: Victor Far;as, a.a.O., S. 200f.

6 Zit. nach: Victor Far;as, a.a.O., S. 228

7 Vgl. Victor Far;as, a.a.O., S.177

8 Zit. nach: Victor Far;as, a.a.O., S.224

9 Vgl. Thomas Sheehan, a.a.O.

10 Vgl. Victor Far;as, a.a.O., S. 178

11 Zit. nach: Victor Far;as, a.a.O., S. 283

12 Max M;ller, Martin Heidegger - Ein Philosoph und die Politik, Ein Gespr;ch mit Bernd Martin und Gottfried Schramm, in: G;nther Neske und Emil Kettering (Hg.), Antwort - Martin Heidegger im Gespr;ch, T;bingen 1988, S.206

13 Vgl. Rainer Marten, Heideggers Geist, in: J;rg Altwegg (Hg.), Die Heidegger Kontroverse, Frankfurt am Main 1988, S. 232

14 Vgl. R;diger Safranski, Ein Meister aus Deutschland - Martin Heidegger und seine Zeit, M;nchen 1994, S. 301

15 Martin Heidegger, Einf;hrung in die Metaphysik, Vorlesung von 1935, zit. nach: Victor Far;as, a.a.O., S. 303

16 Vgl. Richard Wolin, French Heidegger Wars, in: Richard Wolin (Hg.), The Heidegger Controversy - A Critical Reader, 1998, S. 282

17 Zit. nach: Victor Far;as, a.a.O., S. 376

18 Nur noch ein Gott kann uns retten - Spiegel-Interview mit Martin Heidegger, Der Spiegel vom 31. Mai 1976, in: G;nther Neske und Emil Kettering (Hg.), a.a.O., S. 96

19 Nur noch ein Gott kann uns retten - Spiegel-Interview mit Martin Heidegger, a.a.O., S. 105

20 Martin Heidegger, Brief an den Rektor der Universit;t Freiburg vom 4. November 1945, In: Richard Wolin, The Heidegger Controversy - A Critical Reader, Cambridge 1998, S. 61 (zur;ck;bersetzt aus dem Englischen, da der Brief im deutschen Original nie ver;ffentlicht wurde. Wolin zitiert ihn nach einer unver;ffentlichten Dissertation: August Moehling, Martin Heidegger an the Nazi Party - An Examination, Northern Illinois University 1972.)

21 Martin Heidegger, Brief an den Rektor der Universit;t Freiburg vom 4. November 1945, a.a.O., S.64

22 Martin Heidegger, Brief an den Rektor der Universit;t Freiburg vom 4. November 1945, a.a.O., S. 64ff.

23 Martin Heidegger, Einf;hrung in die Metaphysik, Vorlesung von 1935, zit. nach: Victor Far;as, Heidegger und der Nationalsozialismus, Frankfurt am Main 1989, S. 303

24 Vgl. Thomas Sheehan, Heidegger and the Nazis, in: New York Review of Books vom 16. Juni 1988

25 Vgl. Thomas Sheehan, Heidegger an the Nazis, a.a.O.

26 Vgl. Denis Donoghue, The Strange Case of Paul De Man, in: New York Review of Books vom 29. Juni 1989

27 Zit nach: Richard Wolin, French Heidegger Wars, in: Richard Wolin, The Heidegger Controversy - A Critical Reader, 1998, S. 282 (aus dem Englischen ;bertragen)

28 Hannah Arendt, Martin Heidegger ist achtzig Jahre alt, in: G;nther Neske und Emil Kettering (Hg.), Antwort - Martin Heidegger im Gespr;ch, T;bingen 1988, S. 243f.

29 Vgl. Hannah Arendt, Martin Heidegger at Eighty, in: New York Review of Books vom 21. Oktober 1971. Obwohl der Wortlaut der W;rdigung identisch ist mit dem auf deutsch ver;ffentlichten, hat Arendt beim Erscheinen des Essays in den USA im Jahre 1971 die kommentierende Fu;note ge;ndert. In der englischen Fassung hei;t es: "[...] the point of matter is that Heidegger, like so many other German intellectuals, Nazis and anti-Nazis, of his generation never read Mein Kampf." In der 1969 in Deutschland ver;ffentlichten Fu;note hei;t es: "Wer au;er Heidegger ist schon auf die Idee gekommen, in dem Nationalsozialismus ‘die Begegnung der planetarisch bestimmten Technik und des neuzeitlichen Menschen' zu sehen - es sei denn, er h;tte statt Hitlers Mein Kampf einige Schriften der italienischen Futuristen gelesen, auf die sich der Faschismus im Unterschied zum Nationalsozialismus hie und da berufen hat." (Hannah Arendt, Martin Heidegger ist achtzig Jahre alt, a.a.O., S. 245. Vgl. auch: Bernd Martin (Hg.), Martin Heidegger und das ‘Dritte Reich', Darmstadt 1989, S. 142f.)

30 Tom Rockmore, On Heidegger's Nazism and Philosphy, Berkley 1992, S. 6 (Aus dem Englischen ;bertragen)

31 Hannah Arendt, Martin Heidegger at Eighty, a.a.O. (aus dem Englischen ;bertragen) In der deutschen Fassung hei;t es: "Diesen ;Irrtum' hat Heidegger zwar nach kurzer Zeit eingesehen und dann erheblich mehr riskiert, als damals an den deutschen Universit;ten ;blich war. Aber das Gleiche kann man nicht von den zahllosen Intellektuellen und sogenannten Wissenschaftlern behaupten, die nicht nur in Deutschland es immer noch vorziehen, statt von Hitler, Auschwitz, V;lkermord und dem ‘Ausmerzen' als permanenter Entv;lkerungspolitik, sich je nach Einfall und Geschmack an Plato, Luther, Hegel, Nietzsche oder auch an Heidegger, J;nger oder Stefan George zu halten, um das furchtbare Ph;nomen aus der Gosse geisteswissenschaftlich uns ideengeschichtlich aufzufrisieren." (Hannah Arendt, Martin Heidegger ist achtzig Jahre alt, a.a.O., S. 245)

32 Alan Milchman und Alan Rosenberg, Heidegger, Planetary Technics and the Holocaust, 1996, S. 222 (Aus dem Englischen ;bertragen)

33 Alan Milchman und Alan Rosenberg, a.a.O., S. 224

34 Hans-Georg Gadamer, Zur;ck von Syrakus?, in: J;rg Altwegg (Hg.), Die Heidegger Kontroverse, Frankfurt am Main 1988, S. 176-179

35 Ernst Nolte, Vergangenheit, die nicht vergehen will, in: FAZ vom 6. Juni 1986, zit. nach: Ernst Nolte, Das Vergehen in der Vergangenheit - Antwort an meine Kritiker im Historikerstreit, Frankfurt am Main 1987, S. 177

36 Ernst Nolte, Martin Heidegger - Politik und Geschichte im Leben und Denken, Berlin 1992, S. 296

37 Ernst Nolte, Martin Heidegger - Politik und Geschichte im Leben und Denken, a.a.O., S. 277

38 Vgl. Thomas Sheehan, A Normal Nazi, New York Review of Books vom 14. Januar 1993

39 R;diger Safranski, Ein Meister aus Deutschland - Martin Heidegger und seine Zeit, M;nchen 1994, S. 484

40 Richard Rorty, Besprechung von R;diger Safranskis Ein Meister aus Deutschland - Martin Heidegger und seine Zeit, in: New York Review of Books vom 3. Mai 1998 (aus dem Englischen ;bertragen)

41 Richard Rorty, Philosophy as Science, Metaphor, Politics, in: ders, Essays on Heidegger an Others, Philosophical Papers, Bd. 2, Cambridge 1991, S. 19 (aus dem Englischen ;bertragen)

42 Julian Young, Heidegger, Philosophy, Nazism, Cambridge 1997, S.1 (aus dem Englischen ;bertragen)

43 Tom Rockmore, Recent Discussion of Heidegger and Politics: Young, Beistegui, Fritsche, in: Graduate Faculty Philosophy Journal, Bd. 21,2, 1999, S. 53 (aus dem Englischen ;bertragen)

------------

44 Friedrich Nietzsche an Freiherrn von Gersdorff am 21. Juni 1871, zit. nach: Georg Luk;cs, Die Zerst;rung der Vernunft, in: Ders., Werke, Bd. 9, Berlin 1962, S. 284

45 J;rgen Habermas, Der philosophische Diskurs der Moderne - Zw;lf Vorlesungen, Frankfurt am Main 1985, S.168

46 Johannes Fritsche, Historical Destiny and National Socialism in Heidegger's Being and Time, Berkeley 1999, S. xv (aus dem Englischen ;bertragen)

47 Johannes Fritsche, a.a.O., S. 218f. (aus dem Englischen ;bertragen)

48 Martin Heidegger, Sein und Zeit, T;bingen 1977, S. 384

49 Johannes Fritsche, a.a.O., S. 65

50 Johannes Fritsche, a.a.O., S. 67

51 C.G. Jung, ;ber Grundlagen der analytischen Psychologie, Tavistock Lectures 1935, F;nfte Vorlesung, in: Ders., Gesammelte Werke, Bd. 18,1, Olten 1981, S. 179f.

52 George L. Mosse, Ein Volk - Ein Reich - Ein F;hrer. Die v;lkischen Urspr;nge des Nationalsozialismus, K;nigstein 1979, S. 31

53 Zu Jungs Affinit;t zur v;lkischen Mythologie und Antisemitismus vgl. Richard Noll, The Jung Cult: Origins of a Charismatic Movement, Princeton 1994

54 Georg Luk;cs, Die Zerst;rung der Vernunft, a.a.O., S. 441

55 Tom Rockmore, On Heidegger's Nazism and Philosophy, Berkley 1992, S. 111 (aus dem Englischen ;bertragen)

56 Heideggers ehemaliger Student und Freund Karl L;with traf ihn w;hrend einer Konferenz in Rom 1936. L;with, ein geb;rtiger Jude, war nach 1933 ins Exil gegangen. Anl;sslich des Treffens fragte L;with Heidegger, wie er "mit einem Individuum wie Julius Streicher" an einem Tisch sitzen k;nne. Streicher, der ber;chtigte Herausgeber des St;rmers, war als Vorstandsmitglied des Nietzsche-Archivs zur Konferenz zugelassen worden. Heidegger war wie er Mitglied des Vorstands. L;with berichtet in seinen Memoiren, dass Heideggers Antwort auf seine Frage zu Streicher darin bestand, zu erkl;ren, ";ber Streicher brauche man kein Wort zu verlieren, der St;rmer sei doch nichts anderes als Pornografie. Warum sich Hitler nicht von dem Kerl befreie, das verst;nde er nicht, er habe wohl Angst vor ihm." Heidegger grenzte also den F;hrer Hitler von Streicher ab. [Karl L;with, Letztes Wiedersehen mit Heidegger, in: G;nther Neske und Emil Kettering, Antwort - Martin Heidegger im Gespr;ch, T;bingen 1988, S. 172]

57 Georg Luk;cs, Die Zerst;rung der Vernunft, a.a.O., S. 362f.

58 Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Ph;nomenologie des Geistes, in: Ders. Werke, Bd. 3, Frankfurt am Main 1970, S. 75

59 Jean Fran;ois Lyotard, Notes on the Meaning of ‘Post', in: Thomas Docherty (Hg.), Postmodernism a Reader, New York, S. 48f. (aus dem Englischen ;bertragen)

60 Martin Heidegger, ;ber den Humanismus, Frankfurt am Main 1949, S. 41

61 Martin Heidegger, ;ber den Humanismus, a.a.O., S. 47

62 Richard Rorty, Consequences of Pragmatism - Essays 1972-1980, Minneapolis 1982, S. XXXVIII (aus dem Englischen ;bertragen)

63 Richard Rorty, Heidegger, Kundera and Dickens, in: Ders., Essays on Heidegger and Others - Philosophical Papers, Bd. 2, Cambridge 1991, S. 67 (aus dem Englischen ;bertragen)

64 "Das wichtigste an Romanschrifstellern ist, dass sie, verglichen mit Theoretikern, gut im Detail sind." (Richard Rorty, Heidegger, Kundera and Dickens, a.a.O., S.81)

65 Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Ph;nomenologie des Geistes, a.a.O., S. 92

66 Theodor W. Adorno, Jargon der Eigentlichkeit - Zur deutschen Ideologie, Frankfurt am Main 1970, S.45

67 Walter Benjamin, Theorien des deutschen Faschismus, in: Ders., Gesammelte Schriften, Bd. 3, Frankfurt am Main 1972, S. 249f.

Unterst;tze den Wahlkampf der SGP! Gegen Kapitali


Рецензии