Marion Poschmann - Kleines Rasenstueck

Marion Poschmann

Kleines Rasenstueck

100g Gras, wie Licht, das sich bewegte,
Licht, das knitterte, schnelle Lebenslaeufe
ohne Hoehepunkte, Schwarzweissaufnahmen:
nickende Blitze.
Gras spritzte auf, fiel ueber, Gras, von Winden
hingekritzelt, von Winden ausgedehnt nach
Zentimetern, Gras, dieser strenge Glanz, zu
Halmen gefaltet,
Gras ueberwog uns schon – wuchs Gras darueber,
hob sich, senkte sich, wimmelnd, flimmernd, Gras, so
haltlos wurzelnd ueber dem hellen Abgrund
unserer Hirne.



Марион Пошманн

Кусочка дёрна лёт

Грамм 100 травы как световой пучок,
кусочек смятый света, жизни резюме,
кадр без апофеоза черно-белый:
лишь мерцанье.
Трава взлетает, падает трава, ею ветер
каракули рисует, разбросанные на сантиметры
ветром, трава, о этот острый блеск,
разрезанный на стебли.
Трава переборола нас – царит трава над нами,
взлетает, падает, кишит, мерцает так трава,
беспутно в светлой коренясь пучине
наших мозгов.



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Lyrik der Gegenwart
Deutschsprachige Lyrik des 21. Jahrhunderts
Mit Dolly im „Second life“ – Peter Geist

Das Eingangsgedicht des Bandes „kleines Rasenstueck“ – der in klassischer Odenform gefasste Text ist eine Reminiszenz an Albrecht Duerers Zeichnung „Kleines Rasenstueck“ – beginnt so: „100g Gras, wie Licht, das sich bewegte“. Die eingaengliche Quantifizierung ruft selbstredend erst einmal eine betraechtliche Menge von „Gras“, also auch Marihuana, und zwar als Ware auf. Im Verein mit dem „Rasenstueck“ kann durchaus eine Immobilie oder das Kapital des Dealers assoziiert werden, beides glaubhafte Fokussierungen im Dunstkreis der Gehirnwaschungsimperien, die den Menschen auf Verwertungsmonaden reduzieren wollen. Der weitere, taenzelnde Gedichtgang entbehrt dann aber interessanterweise nicht halluzinativer Weiterungen, die dem Genuss von „Gras“ als Drogenmetonym und zugleich der Anschauung von Gras als Natur folgen koennen. Dass der Text fuer beide Rezeptionspfade offen bleibt, beglaubigt seine Raffinesse.
Schlusshin wird ein Ueberwaeltigungsgeschehen des Entgrenzt-Naturhaften inszeniert, in dem nicht vergessen wird, an das nun wahrlich tradierte „Gras des Vergessens“ zu erinnern: „Gras ueberwog uns schon – wuchs Gras darueber, / hob sich, senkte sich, wimmelnd, flimmernd, Gras, so / haltlos wurzelnd ueber dem hellen Abgrund / unserer Hirne.
“Man beachte, dass Marion Poschmann keine lyrische Ich-Gestalt als Sprech-Instanz einsetzt, sondern einen Gruppen-Sprecher „uns“ installiert, und das nachdruecklich. Marion Poschmann vermag in dieser kollektiven Anrufung die Dialektik von Naturverlust und den wuchernden „kuenstlichen Paradiesen“ (Baudelaire) kongenial in Verse zu setzen. Auch im „kleinen Rasenstueck“ unterstuetzen utilitaristische Toposketten eine trocken konstatierende Verlustanzeige wie eine Sehnsucht: „Schwarzweissaufnahmen“, „ausgedehnt nach Zentimetern“, „dieser strenge Glanz, zu Halmen gefaltet“. Die Natur allerdings, sagen die letzten Verszeilen, widersetzt sich umso mehr unserem Wunsch nach Natuerlichkeit.
Die Entfernung ist unueberbrueckbar, aber die Sehnsucht bleibt.


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