Unerloestes aufzuspueren
Oder wir atmen ein und atmen aus und begreifen mit jeder Faser unseres Seins, dass Leben pulsiert, dass es zerstцrt und wiederaufbaut, dass es trennt und verbindet, dass es schlaegt und streichelt. Leben ist ein wildes, ein ruhiges, ein zerstoererisches und lebensspendendes Meer. Und wir, wir Menschen, werden und wachsen und reifen ebenso am Schmerz wie an der Freude, ebenso am Unfertigen wie am Vollendeten, ebenso am Licht wie an der dunklen Wunde unserer Vergaenglichkeit.
Es hat sich eine zwanghafte Korrekturwut in der spirituellen Szene breit gemacht, eine Angst vor dem Zweifel, dem Kummer, dem Staub des Alltags, vor den Fragen die das Leben aufwirft, waehrend wir uns Antworten einrahmen und ueber unsere Betten haengen. Wer immerzu korrigiert, haelt das Leben selbst fuer einen Fehler. Haelt die Traenen fuer vermeidbar, und das Unfertige fuer unertraeglich.
Was fuer eine Erloesung waere es in der Tat, koennten wir aufhцren, das Leben wie eine heilbare Krankheit zu betrachten. Koennten wir annehmen, dass wir Fehler machen, dass wir an Schmerzlichem reifen koennen, dass wir auch die Risse brauchen, durch die ein unerwartetes Licht herein scheint. Was fuer eine Befreiung waere es, koennten wir wirklich und wahrhaftig fuer gut halten, dass es Dinge gibt, die nicht zu beenden und die nicht zu vollenden sind. Die untergehen mit Fragen, die Fragment bleiben und Geheimnis. Es gibt nicht den Moment, in dem man meint, einem Sterbenden alles gesagt zu haben. Es gibt nicht den Moment, in dem man frei ist von Bruechen und Fragen und Verstrickungen. Es gibt nicht den Moment, in dem endlich alles erledigt ist.
Es gibt nur Leben. Es ist nichts falsch daran, sich heil fuehlen zu wollen. Aber suche nicht das nicht machbare Heil sein, das Dich jeden Tag aufs Neue um blutvolles Leben bringt und das nur Deine Aengste naehrt. Erlaube Dir Fehler, Schmerz, Zweifel und Fragen. Erlaube Dir selbst, Dich zu entfalten, durch alle Unwaegbarkeiten und durch chaotische Phasen hindurch.
Dann kann es passieren, dass Du folgendes bemerkst: Du gibst dem Leben keine Anweisungen mehr, wie es zu sein habe. Du selbst wirst lebendiges Zwiegespraech.
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