Stadtgeschichten von gestern

Es regnet. Im Zimmer, in dem ich bin, sitzt ein Hund. Er ist schwarz. Vielleicht ist er drei Monate alt. Ich habe Schmerzen, deshalb liege ich. Gestern, als ich nach Hause zurueckkam, hat er mich wieder angerufen. Er meinte, ich solle kommen.
Als wir uns kennenlernten, war wieder Sommer. Ich sass im Cafe und las nichts. Ich schaute aus dem Fenster auf die Autos, die vorbeifuhren. Er sass vor mir am Tisch und trank etwas. Er hatte kurze, schwarzgraue Haare. Er gefiel mir - trug ein schwarzes,  nicht gebuegeltes Hemd. Ich dachte, ich haette ihn schon mal gesehen. Wusste es aber nicht genau. Ich zahlte und ging raus. Dort draussen war es hell und laut. Ich ueberlegte, wohin ich jetzt gehen kann. Ich lebte in einer Stadt, in der alles moeglich war. Ich hatte viele Freunde, die mich nicht interessierten. Ja, dann hat er mich gefragt, ob ich hier in der Naehe wohne. Er ist ziemlich gross und schlank. Seine Haende haben grosse, blaue Adern. Er hat mich angesprochen, als ich mich in einem anderen Cafe gegenueber wieder hinsetzte. Nein. Ich wohne hier nicht. Aber ich mag es hier zu sein, in diesem Stadtviertel. Er hoerte mein Akzent. Ich komme aus Lettland, sagte ich. Dort war er nicht. Ich meinte, er hat nicht viel verpasst. Nein, wieso? Na ja, einfach so, vielleicht weil dort alles schwer ist. Und seit wann wohne ich hier, in dieser Stadt? Etwa seit 6 Jahren. Und ob es mir gefaellt? Es sind immer dieselben Fragen. Ja, es geht. Hier ist es einfacher. Auf eine Art. Und er hat ein Laden, hat er gesagt, eine Kneipe. Aber eigentlich ist er ein Fotograf. Ob mich schon jemand fotografiert hat? Ja. Meine Freundin zu Hause in Riga. Da war ich vielleicht 17. Er moechte gern die Fotos sehen. Ich habe sie nicht mehr. Er wuerde mich auch treffen wollen. Ok. Er holt mich heute Abend ab. Gut. Ich ging dann. Zu Hause angekommen, war es noch hell. Ich legte mich auf das Bett und schaute irgendwohin. Als ich dann aufwachte, war es dunkel. Ich zog mich aus und ging ins Bad. Ich habe mich rasiert. Ich zog einen Kleid an und Schuhe mit hohen Absaetzen. Ich faerbte meine Fingernaegel. Ich dachte darueber nach, ob ich ihm gefallen wuerde. Ja, schon. Ich setzte mich auf das Bett und wartete, dass der Nagellack trocknet. Als er klingelte, ging ich hinunter. Er hatte ein Auto. Ob alles gut sei bei mir? Ja, klar. Alles ist gut. Er hat gesagt, er freue sich. Er sagte auch, er habe darueber nachgedacht, was gewesen waere, haette er mich heute nicht getroffen und dass das nicht gut gewesen waere und so weiter. Dann hat er noch etwas gesagt und ich lachte. Wir sind in eine Bar gegangen und tranken dort etwas. Es war schon spaet, als wir gingen. Wir sind zu ihm gefahren. Er hatte eine grosse Wohnung in der Naehe vom Kanal. Ziemlich hohe Decken. Dann haben wir miteinander geschlafen. Er fotografierte mich auch. Er sagte, die Fotos sind fuer ihn, als Erinnerung. Dann fuhr ich mit dem Taxi nach Hause. Er zahlte. Er holte mich nach zwei Tagen wieder ab. Wir fuhren zu ihm, assen etwas und schliefen miteinander. Dann fuhr ich wieder mit dem Taxi zurueck. Die Fotos habe ich nie gesehen. Ich blieb manchmal allein in seiner Wohnung und suchte danach. Fand aber nichts. Ich habe ihn einmal gefragt. Er sagte, er zeige sie mir spaeter, wenn es genug sind. Manchmal schenkte er mir Geschenke, zum Beispiel Unterwaesche oder Fotobuecher. Ich fand die Buecher schoen, meistens waren dort schwarz-weisse Fotos zu sehen. Mit Menschen in Kneipen und Aehnlichem. Er bestellte oft das Essen nach Hause und wir assen zusammen. Was ich eigentlich mache, fragte er mich. Nichts, ich arbeite seit 6 Jahren in einem Cafe. Ob ich bei ihm im Laden anfangen moechte? Ja, wieso nicht. Spaeter wohnte ich fast nicht mehr bei mir. Abends war ich bei ihm und tagsueber arbeitete ich in seinem Laden, irgendwo ausserhalb der Stadt. Oft fuhren wir mit dem Auto zusammen zurueck zu ihm in die Wohnung am Ufer. Ich hatte frei und war zu Hause, als er mich wieder anrief. Ob ich zu ihm komme. Ja, ich komme, nehme nur ein paar neue Kleider mit. Ich fuhr hin. Er war nicht da, als ich kam. Ich wartete. Dann rief ich im Laden an. Er war aber schon losgefahren, vor ein paar Stunden. Ich sass und wartete. In der Nacht rief jemand an. Sie sagten, er sei verunglueckt. Ja, ein Autounfall. Sie wollten wissen, ob ich seine Frau bin. Nein, das nicht. Ja, und dann haetten sie Sachen von ihm. Ob ich sie abholen kann. Ja, das mache ich. Und ein Hund. Ein Hund? Ja, ein schwarzer Hund. Er hatte aber keinen. Doch, dem Hund ist auch nichts passiert. Ob ich ihn abholen kann. Ja. Wo? In der Notaufnahme. Gut. 
Ich weiss nicht, wie der Hund heisst, der neben mir sitzt. Ich glaube, ich nenne ihn Pluto.


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